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Was wird aus den Schweinen? Viele Betriebe geben auf, weil sich die Haltung nicht mehr lohnt. Andere bauen ihre Ställe um und hoffen auf Mehreinnahmen.
© dpa/Marijan Murat

Schweinepreise sinken, Schweinepest greift um sich: Wie diese Bauern der Schweinekrise trotzen

Verzweiflung, Trotz und Hoffnung: Drei Beispiele aus Brandenburg zeigen, wie Schweinehalter um ihre Tiere und ihre Zukunft kämpfen.

Michael Staar erlebt ein Deja vu und zwar kein gutes, im Gegenteil: Die Bedrohung ist zurück, die Sorge um seine Tiere, der Kampf gegen die Behörden.

Der Ökobauer hält auf seinem Hof in Brandenburg rund 100 Schweine – an der frischen Luft. Einen Stall haben die Tiere nicht, aus Prinzip. Stallhaltung, sagt Staar, schadet den Schweinen und macht sie aggressiv. Bereits vor neun Monaten hatte der 46-Jährige wegen der Freilandhaltung Ärger mit den Behörden. Sein Hof, Gut Hirschaue, liegt in der Nähe von Beeskow, östlich von Berlin.

Die Region ist von der Afrikanischen Schweinepest (ASP) betroffen. Das Virus ist für Menschen ungefährlich, für Schweine tödlich. Im September vergangenen Jahres wurde die ASP erstmals in Deutschland festgestellt. Inzwischen gibt es mehr als 2500 Fälle, fast ausschließlich Wildschweine. Am stärksten betroffen ist Brandenburg mit fast 2000 Tieren. Ein Ende der Seuche ist nicht in Sicht.

Die Bioschweine von Michael Staar leben draußen. Wegen der Schweinepest sollen sie in den Stall. Doch den gibt es nicht.
Die Bioschweine von Michael Staar leben draußen. Wegen der Schweinepest sollen sie in den Stall. Doch den gibt es nicht.
© Gut Hirschaue

Wegen der Schweinepest, so hatte der Kreis im Februar verfügt, müssten Staars Schweine in den Stall. Falls nicht, würden sie getötet. Der Tagesspiegel hatte berichtet. Doch dann schien sich alles zum Guten zu wenden. Die Widersprüche, die Staar eingelegt hatte, hatten Erfolg. Seine Deutschen Sattelschweine, eine alte, gefährdete Nutztierrasse, durften nicht nur weiter im Freien leben, sondern sich sogar vermehren. Die Sauen durften gedeckt werden.

Zwangsgeld und Beugehaft, wenn die Tiere weiter draußen bleiben

Doch dann kam der Juli, und die ASP erreichte in Brandenburg erstmals auch Hausschweine. Für den Kreis Oder-Spree war das der Anlass, die Zügel wieder anzuziehen. Staar sollte seine Tiere nun doch wieder in den Stall sperren – den er aber nach wie vor nicht hat. Falls nicht, droht ein Zwangsgeld. 750 Euro waren es anfangs in der Woche, inzwischen soll der Landwirt 5000 Euro zahlen, weil er sich weigert, der Anordnung Folge zu leisten. Die nächste Eskalationsstufe ist schon angekündigt: Das Zwangsgeld soll auf 10.000 Euro steigen, auch Beugehaft ist bereits im Gespräch.

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Doch Staar will sich nicht beugen. „Unsere Schweine bleiben draußen“, versichert er. Die Tiere hätten keinerlei Kontakt zu Wildschweinen, die sie infizieren könnten. Das Land ist dreifach umzäunt. Auf dem Hof herrschen strenge Hygienemaßnahmen. „Die letzten Monate haben uns Recht gegeben“, betont der Biobauer. Denn die Tiere, die eigentlich sterben sollten, sind munter und gesund.

Staar will sich nicht beugen

Staar will die Sache ausfechten – und hat dafür die Unterstützung der Bio-Branche. Denn diese sieht ihre Art der Landwirtschaft in Gefahr und will die Freilandhaltung verteidigen. Die Fördergemeinschaft Ökologischer Landbau Berlin-Brandenburg (FÖL) hat deshalb einen Spendenaufruf für Staar und andere Betroffene veröffentlicht. „Mit der Spendenaktion soll der Betrieb unterstützt werden, um seine Freilandhaltung aufrecht erhalten zu können und sich gegen überzogene Auflagen zu wehren“, so die FÖL.

Die Lage der Schweinehalter ist dramatisch

Doch nicht nur Bio-Bauern, auch konventionelle Schweinehalter sind in Not. Denn der Export von deutschem Schweinefleisch nach China ist seit Ausbruch der ASP gestoppt. Für die Schweinebauern ist das ein harter Schlag. Viele haben für den Export produziert, China, das einen enormen Appetit auf Schweinefleisch hat, war ein guter Kunde. Zumal die Chinesen auch Teile des Tieres gekauft haben, die in Deutschland sonst nur im Hundefutter landen: Schnäuzchen, Ohren, Schwänzchen.

Bernd Starick ist Vorstand der Bauern AG Neißetal. Er sagt: Landwirtschaft lohnt sich nicht mehr.
Bernd Starick ist Vorstand der Bauern AG Neißetal. Er sagt: Landwirtschaft lohnt sich nicht mehr.
© Heike Jahberg

Bundesagrarministerin Julia Klöckner (CDU) nennt die Lage der Schweinehalter „dramatisch“. Heinrich Dierkes, Chef der Interessengemeinschaft der Schweinehalter Deutschlands, sagt, die „ruinöse Situation“ habe ein Ausmaß erreicht, das er in seinen 40 Jahren als Schweinehalter noch nicht erlebt habe.

Die Preise sind im freien Fall. Gerade einmal 18 Euro kostet ein Ferkel zu Zeit, 1,20 Euro bekommen Schweinemäster für das Kilo Fleisch. Vorausgesetzt, ihre Tiere haben das Normgewicht. Sind sie zu schwer, gibt es Abzüge. So wie im Sommer 2020, als wegen der Corona-Fälle Schlachthöfe vorübergehend geschlossen wurden und sich die Tiere in den Ställen stauten. Ende 2019 hatten die Erzeuger noch fast zwei Euro für das Kilo Schwein kassiert.

Platz für 850 Rinder: der neue Kuhstall auf Gut Sacro.
Platz für 850 Rinder: der neue Kuhstall auf Gut Sacro.
© Heike Jahberg

Bernd Starick wäre froh, wenn er überhaupt 1,20 Euro bekommen hätte. Der 55-Jährige ist Vorstand der Bauern AG Neißetal. 1991 ist sie aus der LPG „Friedensgrenze“ Groß Gastrose in der Niederlausitz hervorgegangen. Für seine Schweine hat er noch nicht einmal einen Euro pro Kilo erhalten – es gab Abzüge, weil die Tiere aus einer ASP-Region kommen und weil sie zu schwer waren. Der Schlachthof in Kellinghusen, zu dem die Bauern AG ihre Tiere bringen musste, kam mit dem Schlachten nicht hinterher.

1,60 Euro pro Kilo wären nötig, aber es gibt nur 1,20 Euro

1,60 Euro pro Kilo wären nötig, um die Kosten zu decken, betont Starick, „das ist die Unterkante“. Doch davon ist der Markt weit entfernt. Früher hatten Starick und seine Mitaktionäre 4000 Mastschweine und 2000 Sauen. Jetzt sind es noch 200 Sauen und 1500 Mastschweine. In den Ställen haben die Tiere Platz, sie sind nur zu zwei Dritteln belegt. Die Entscheidung, weniger Schweine zu halten, ist schon vor einiger Zeit gefallen. Heute ist Starick froh: „Es wäre unvorstellbar, wenn die Ställe voll wären“, sagt er.

Vor sieben Jahren hat er einen modernen Kuhstall gebaut mit Platz für 850 Tiere. Aber auch mit der Milch lässt sich kein Gewinn machen, obwohl die Preise steigen. Denn auch das Futter und die Energie werden teurer. 40 bis 45 Cent müsste mal als Milchbauer für einen Liter von der Molkerei erhalten, um auskömmlich zu arbeiten, sagt Starick. Das bekommt er aber nicht.

Die restlichen Schweine: Die Bauern AG Neißetal hat die Bestände mächtig gesenkt.
Die restlichen Schweine: Die Bauern AG Neißetal hat die Bestände mächtig gesenkt.
© Tino Erstling

„Von der Landwirtschaft kann man nicht mehr leben“, erzählt er. Dass ihn das schmerzt, ist deutlich zu hören. Denn Starick hat Landwirtschaft von der Pike auf gelernt. Bei der LPG hat er angefangen, dann hat er studiert, jetzt trägt er als Chef Verantwortung für 55 Arbeitskräfte. Sie produzieren Kälbchen und Ferkel, halten Mastschweine, Damwild und Charolais-Rinder. Auf dem Gut Sacro bei Forst können Besucher einkehren und im Hofladen einkaufen.

Landwirtschaft allein reicht nicht mehr

Doch Starick sucht nach zusätzlichen Wegen und Einnahmequellen. Im Auftrag der Leag renaturiert er stillgelegte Bergbauflächen in der Nachbarschaft. Bald sollen dort Luzerne wachsen, die fruchtbaren Humus aufbauen, ein guter, natürlicher Dünger und wertvolles Tierfutter in einer Region sind, die bereits das dritte Dürrejahr in Folge verkraften musste.

Für den Investor eines Windparks in der Nähe hat er auf einer Ausgleichsfläche für den Park Hecken mit Blühpflanzen angelegt, auch Klee wächst dort gerade - er hält den Boden lebendig und ist ebenfalls ein naturnaher Dünger. Auch den Boden unter den Windrädern bestellt sein Betrieb, die Erträge kann er behalten. In der Erntezeit stehen die großen Rotoren für drei Tage still, damit die Rotmilane auf den abgeernteten Flächen jagen können, ohne von den Windrädern zerstückelt zu werden.

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Schweine will Starick auch in Zukunft halten. Für ihn gehören sie zum Betrieb dazu. Aber wie soll die Haltung künftig aussehen, damit seine Tierhaltung auch in 20 Jahren noch akzeptiert wird? Denn so lange dauert es, bis die Investitionen in neue Ställe abbezahlt sind.

Bauern brauchen Planungssicherheit

„Wir brauchen Sicherheit für die nächsten 20 Jahre“, betont er. Doch die Veränderungen geschehen immer schneller. Weil viele Verbraucher Wert auf mehr Tierwohl legen, setzt der Handel die Erzeuger unter Druck. Schon jetzt nimmt Marktführer Edeka bei seinen Eigenmarken kein Schweinefleisch mehr ab, bei dem die Schweine nicht wenigstens etwas mehr Platz haben als gesetzlich vorgeschrieben. Bis 2030 wollen Aldi und Rewe nur noch Fleisch verkaufen aus Bio-Ställen oder Anlagen, bei denen die Tiere Kontakt nach draußen haben. Und wer weiß, welche Vorgaben die neue Bundesregierung für die Haltung der Tiere machen wird? Dass etwas geschehen muss, ist inzwischen Konsens, nicht nur bei Umweltschützern, sondern auch bei den Bauernverbänden.

Ralf Remmert, Chef der Prignitzer Landschwein GmbH, will seinen Tieren eine bessere Haltung ermöglichen.
Ralf Remmert, Chef der Prignitzer Landschwein GmbH, will seinen Tieren eine bessere Haltung ermöglichen.
© Thilo Rückert

Einer, der schon frühzeitig erkannt hat, dass sich mehr Tierwohl auszahlt, ist Ralf Remmert. Auf seinem Betrieb, der Prignitzer Landschwein GmbH, werden Eber nicht kastriert und alle Tiere behalten ihre Ringelschwänze. Remmert hat trotz der Schweinekrise einen neuen Stall gebaut, in dem die Sauen mehr Platz haben und mit ihren Ferkeln zusammenleben können – ohne die verpönten, aber legalen Kastenstände.

Möglich ist das, weil drei Akteure zusammenarbeiten. Remmert liefert das Fleisch an die Eberswalder-Gruppe und bekommt einen deutlichen Aufschlag für die bessere Haltung, Rewe verkauft die Produkte dann anschließend unter seiner Regionalmarke. Die Dreier-Kooperation hat Erfolg und ist kürzlich verlängert worden – die Verträge laufen bis 2025.

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