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Hauptsache billig: Sauen sitzen in einem Schweinestall in Boxen auf einem Spaltenboden.
© dpa

Zukunftskommission Landwirtschaft: Auch die Bauern wollen das nicht mehr

Böden nachhaltig bestellen, Tiere artgerecht halten: Wie das gehen kann, sagt eine Regierungskommission.

Große Veränderungen zeigen sich oft an kleinen Gesten. Zehn Monate lang haben Vertreter der Bauern, Umwelt-, Tier- und Verbraucherschützer, Verbände der Ernährungsindustrie, des Lebensmittelhandels und Wissenschaftler über die Zukunft der deutschen Landwirtschaft verhandelt. Am Ende ist man sich nicht nur in der Sache, sondern auch persönlich näher gekommen: Inzwischen duzen sich alle 30 Mitglieder der Zukunftskommission Landwirtschaft, nur der Vorsitzende der Regierungskommission, Peter Strohschneider, Ex-Präsident der Deutschen Forschungsgemeinschaft, wird weiterhin gesiezt.

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Grabenkämpfe in der Vergangenheit

Selbstverständlich ist das nicht. Denn in der Vergangenheit sind die Diskussion darüber, wie Landwirtschaft aussehen soll, hart geführt worden. Umwelt- und Tierschützer hatten den Bauern übertriebenen Pestizid- und Düngereinsatz sowie Tierquälerei vorgeworfen und schärfere Gesetze gefordert. Auf der Gegenseite gingen die Bauern auf die Straße. Allein auf der Großdemo in Berlin hatten sich Ende 2019 40.000 Landwirte vor dem Brandenburger Tor versammelt, um gegen die aus ihrer Sicht überzogenen Umweltauflagen und für mehr Wertschätzung zu demonstrieren.

Mit Erfolg: Wenige Tage nach dem Bauernaufstand lud Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) zum Bauerngipfel ins Kanzleramt. Geboren wurde dort die Zukunftskommission Landwirtschaft. Sie sollte Vorschläge für ein Miteinander von Ökologie und Ökonomie liefern. Wie bringt man Umwelt- und Tierschutz mit den wirtschaftlichen Interessen der Bauern zusammen?

Schöne neue Landwirtschaft: Kehrt die Idylle zurück?
Schöne neue Landwirtschaft: Kehrt die Idylle zurück?
© Getty Images/iStockphoto

Das ist gelungen, und zwar überraschend harmonisch. Dienstagnacht hatte sich die Kommission auf ihren Abschlussbericht geeinigt, am Mittwoch informierten die Verbände über das Ergebnis. Trotz harter Verhandlungen in der Sache hat man sich auf einen gemeinsamen Weg geeinigt.

"Wir sind aufeinander zu- und nicht losgegangen"

„Wir sind aufeinander zu- und nicht aufeinander losgegangen“, sagte der Vizepräsident des Deutschen Bauernverbands, Werner Schwarz. Von einem „fairen Interessenausgleich“ sprach der Präsident des Deutschen Naturschutzrings (DNR), Kai Niebert. „Wir haben die Grabenkämpfe hinter uns gelassen“, freute sich auch der Chef des Deutschen Tierschutzbundes, Thomas Schröder.

Das gilt selbst bei der hochumstrittenen Frage der neuen Gentechnik. Hier hat sich die Runde darauf verständigt, dass man neue Verfahren wie die Genschere CRISPR/Cas nicht per se ablehnt, aber dass das Vorsorgeprinzip und die Wahlfreiheit der Verbraucher gesichert sein müssen.

Landwirte sollen für Gutes belohnt werden

„Wir haben die Fragen versachlicht“, betonte Kommissionschef Peter Strohschneider. Dazu zählt auch ein Paradigmenwechsel: Statt Landwirten vorzuschreiben, wie sie ökologischer wirtschaften, sollen sie das künftig tun, weil es sich rechnet. „Es soll für Bauern betriebswirtschaftlich attraktiv sein, Klima- und Naturschutz zu betreiben“, sagt Umweltschützer Niebert. Denn für ihre höherwertigen Produkte sollen sie angemessen bezahlt werden.

Streit um Dünger: Wie viel ist nötig?
Streit um Dünger: Wie viel ist nötig?
© imago images/Westend61

Keine Subventionen mehr nach Fläche

Die Kommission schlägt konkret vor, dass die gerade auf EU-Ebene beschlossene Agrarförderung künftig grundlegend umgestellt wird. Perspektivisch soll es keine Direktzahlungen mehr geben, die an die Flächen gebunden sind, sondern die Landwirte sollen nur noch für gesellschaftliche Leistungen bezahlt werden – also etwa für Umweltmaßnahmen und Tierwohl. Statt ihre Produkte zu Billigstpreisen auf dem Weltmarkt zu verschleudern, sollen die Landwirte zudem regionaler produzieren. „Ein Bekenntnis zur heimischen Landwirtschaft“, lobt Dirk Andresen von der Bauernbewegung „Land schafft Verbindung“ den Ansatz.

Blühstreifen am Feldrand bieten Insekten Nahrung. Das soll belohnt werden.
Blühstreifen am Feldrand bieten Insekten Nahrung. Das soll belohnt werden.
© dpa

Schutz für deutsche Produkte

Um die Landwirte dann aber vor dem Import von billigeren Waren aus dem Ausland zu schützen, die unter schlechteren Umwelt-, Tierwohl- und Sozialstandards produziert worden sind, will die Kommission solche Importe verteuern. Vorbild ist die auf EU-Ebene bereits laufende Diskussion über einen CO2-Grenzausgleich für Importwaren mit höherem Ausstoß von Treibhausgasen. Eine Schlüsselrolle bei der Agrarwende soll den Verbraucherinnen und Verbrauchern zukommen. Der Agrar- soll eine Ernährungswende vorausgehen. Die Menschen sollen weniger Fleisch und stattdessen mehr Pflanzen essen. Weniger Fleischkonsum bedeutet, dass die Tierbestände sinken könnten.

Verbraucher müssen mehr zahlen

„Manche Lebensmittel werden teurer“, räumte Klaus Müller, Vorstand des Bundesverbands der Verbraucherzentralen, ein. Das betrifft vor allem Fleisch, Wurst und Milcherzeugnisse. Ausdrücklich macht sich die Zukunftskommission die Vorschläge eines anderen Gremiums zu eigen: Die von Bundesagrarministerin Julia Klöckner eingesetzte Nutztier-Kommission unter Leitung von Ex-Agrarminister Jochen Borchert hatte eine Tierwohlabgabe von 40 Cent pro Kilo Fleisch, zwei Cent pro Liter Milch und 15 Cent pro Kilo Käse und Butter vorgeschlagen, um mit diesem Geld den tiergerechten Umbau der Ställe zu finanzieren. Alternativ könnte man auch die Mehrwertsteuer auf tierische Produkte erhöhen.

Kita- und Schulessen sollen gratis sein

Parallel zum Preisaufschlag für Fleisch und Milch macht sich die Zukunftskommission aber auch dafür stark, Obst und Gemüse billiger zu machen. Um die Akzeptanz der Verbraucher zu erhöhen, sollen die Bürger an anderer Stelle entlastet werden: Kita- und Schulessen sollen kostenlos sein, die Hartz-Sätze sollen steigen, die Einkommensteuertarife sinken, sagte Müller. Nachdrücklich fordert die Zukunftskommission verbindliche Kennzeichnungen für Tierwohl, regionale Herkunft und nachhaltige Produktion.

Künftig gratis? Essen in der Kita und in der Schule soll nichts mehr kosten, schlägt die Zukunftskommission vor.
Künftig gratis? Essen in der Kita und in der Schule soll nichts mehr kosten, schlägt die Zukunftskommission vor.
© picture alliance / Ralf Hirschbe

Landwirtschaft verursacht Umweltschäden von 90 Milliarden Euro im Jahr

Die Landwirtschaft trägt in Deutschland neun Prozent zu den Treibhausgasemissionen bei. Doch die Umweltschäden für Luft, Wasser und Boden sind nach Einschätzung von DNR-Chef Kai Niebert viel höher. Niebert beziffert sie auf 90 Milliarden Euro im Jahr.

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Das Gutachten wird Merkel am nächsten Dienstag offiziell übergeben. Im politischen Berlin löste der Bericht aber bereits am Mittwoch Diskussionen an. Agrarministerin Klöckner sieht in der Studie "Rückenwind" für ihre Arbeit. Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) sprach dagegen von einem "neuen Aufbruch in der Agrarpolitik". Grünen-Agrarpolitikerin Renate Künast betonte, der Bericht liege "auffällig konträr" zur Politik Klöckners.

Greenpeace-Vorstand Martin Kaiser, der aus der Kommission vorzeitig ausgestiegen war, warnte vor einer Finanzierungslücke. Der ökologische Umbau koste sieben bis elf Milliarden Euro. Doch wegen der von Klöckner ausgehandelten verfehlten Reform der Agrarpolitik sei das Geld nicht da.

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