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Auslaufmodell: Aldi will sich bis 2025 von Fleisch der niedrigsten Haltungsstufe verabschieden.
© imago images/Cord
Update

„Haltungswechsel" für mehr Tierwohl: Aldi will Billigfleisch aus Sortiment verbannen

Beim Discounter soll es bald kein Fleisch mehr aus einfacher Stallhaltung geben. Nach 2030 sollen alle Tiere Auslauf bekommen. Rewe zieht nach.

Aldi will von 2025 an Billigfleisch von Rind, Schwein, Hähnchen und Pute aus seinem Sortiment verbannen. Das kündigte der Discounter am Freitag an. Es gehe um „ein Versprechen für mehr Tierwohl“.

Demnach will Aldi bis 2025 vollständig auf Frischfleisch aus der Stallhaltung der Haltungskategorie 1 verzichten. Bis 2030 soll das gesamte Frischfleischsortiment nur noch aus den Haltungsformen 3 und 4 kommen.

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In der Haltungsform 3 haben die Tiere Zugang zu frischer Luft, etwa durch einen offenen Stall. Sie haben zudem mehr Platz und bekommen kein gentechnisch verändertes Futter. Die Haltungsform 4 steht für die höchste Stufe. Hier können sich die Tiere draußen aufhalten und haben noch mehr Platz als in Haltungsform 3. Auch Bio fällt unter diese Stufe.

Mehr Platz, besseres Futter, Auslauf: Das versprechen die höheren Haltungsstufen.
Mehr Platz, besseres Futter, Auslauf: Das versprechen die höheren Haltungsstufen.
© obs

"Wir leiten mit unserem Tierwohlversprechen einen Haltungswechsel ein", sagte Lars Klein, Marketingchef von Aldi Süd. "Tierwohl soll im Handel selbstverständlich und für jeden leistbar sein", betonte der Manager.

Der Discounter setzt mit seiner Ankündigung die Wettbewerber unter Druck. Die Rewe-Gruppe (Rewe, Penny) erklärte am Freitag ebenfalls, man strebe an, bis Ende 2030 kein Frischfleisch von Schwein, Rind und Geflügel der Haltungsstufen 1 und 2 mehr anbieten zu wollen. Ab Juli sollen auch verarbeitete Fleischprodukte - Wurstwaren, Konserven, Convenience - schrittweise umgestellt werden, bis Ende 2025 sollen 50 Prozent des verarbeiteten Segments mindestens der Haltungsstufe 2 entsprechen. Kaufland bietet ab Juli nur noch Schweinefleisch der Haltungsstufe 2 an, ausgenommen sind Filets und Innereien, bis 2026 soll jedes fünfte Geflügelprodukt aus Haltungsform 3 oder 4 sein.

Die Haltungsstufe 1 entspricht ausschließlich den gesetzlichen Vorgaben. Die Tiere haben oft wenig Platz und keinen Kontakt nach außen. Derzeit stammen jedoch rund 90 Prozent der Frischfleisch-Eigenmarken der Lebensmittelhändler aus dieser Stufe. Haltungsstufe 2 bringt den Tieren etwas mehr Platz sowie Beschäftigungsmaterial, und Kühe dürfen im Stall nicht angebunden sein.

Aldi: Wir gehen ein erhebliches Risiko ein

Mit seinem Vorstoß geht Aldi ein "erhebliches wirtschaftliches Risiko" ein, betont Klein. Denn man weiß nicht, ob die Kundschaft bereit ist, mehr Geld für bessere Qualität auszugeben. Wie teuer Fleisch künftig sein wird, lasse sich derzeit noch nicht sagen, betonte der Kommunikationsdirektor von Aldi Nord, Florian Scholbeck. Man strebe aber an, weiterhin Preisführer zu bleiben.

Aldi Nord und Süd haben zusammen genommen einen Marktanteil von 24 Prozent beim Fleischverkauf im Handel. Klein appellierte an die Wettbewerber, Aldi zu folgen. "Wir schaffen das nicht alleine", sagte der Manager. Auch die Industrie, die Politik und die Verbraucher seien gefragt, um mehr Tierwohl durchzusetzen.

Marktführer Edeka (Edeka, Netto) erklärte auf Anfrage, der Anteil der höheren Haltungsformen sei in den vergangen Jahren deutlich gestiegen. "Auch der EDEKA-Verbund plant bereits kurzfristig auf die Haltungsstufe 1 und längerfristig auf die Haltungsstufe 2 bei Frischfleisch zu verzichten", sagte ein Sprecher auf Anfrage. Die konkreten Ziele wolle man aus Wettbewerbsgründen aber aktuell noch nicht nennen.

Warum der Übergang so lange dauert

Die langen Übergangsfristen bei Aldi sollen Schlachtbetrieben und Erzeugern Planungssicherheit geben, betonte Kommunikationschef Scholbeck. Weil Aldi große Mengen abnimmt, ist ein ausreichender Vorlauf nötig. "Wir würden das gern schneller machen", sagte er, aber der Zeitplan sei "auf Kante genäht".

Schon heute stammen 15 Prozent des von Aldi verkauften Frischfleischs aus den Haltungsstufen drei und vier, bis 2026 soll der Anteil auf ein Drittel steigen. 85 Prozent seines Frischfleischs bezieht der Discounter derzeit aus Deutschland, auch das soll noch ausgeweitet werden.

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Bauernverband hat Bedenken

Der Vorstoß Aldis stößt auf viel Lob. "Aldi zeigt der Politik, wohin die Reise gehen sollte", sagte der Präsident des Deutschen Tierschutzbunds, Thomas Schäfer. Nun müssten andere diesem Schritt folgen. Rolf Sommer, Agrarexperte des WWF, sagte dem Tagesspiegel: "Wir begrüßen das sehr". Die Gesellschaft fordere einen Wechsel in der Landwirtschaft, viele Landwirte seien bereit, die Produktion umzustellen.

Aldi prescht vor. Schon heute ist der Discounter Marktführer beim Verkauf von Bio-Lebensmitteln.
Aldi prescht vor. Schon heute ist der Discounter Marktführer beim Verkauf von Bio-Lebensmitteln.
© imago images/Jürgen Held

Der Präsident des Deutschen Bauernverbands, Joachim Rukwied, mahnt jedoch, dass die Haltungsstufen 3 und 4 derzeit noch eine "absolute Marktnische" seien. Um das Angebot weiterzuentwickeln, seien massive Investitionen und langfristige, verlässliche Lieferbeziehungen nötig.

Grünen-Agrarexpertin Renate Künast übte Kritik an Bundesagrarministerin Julia Klöckner: "Schon wieder überholt der Handel mit dem „Haltungswechsel“ Ministerin Klöckner und die Agrarpolitik der Union", sagte die Ex-Agrarministerin. Klöckner sieht das anders: "Es ist notwendig, dass der Handel sich bewegt und meiner Forderung nach mehr Tierwohl nachkommt", sagte die CDU-Politikerin.

"In vielen Gesprächen habe ich immer wieder klar gemacht: Fleisch darf keine Ramschware sein und Lockangebote können kein höheres Tierwohl finanzieren. Entscheidend ist, dass die jetzige Zusage kein PR-Gag ist, sondern am Ende die besseren Preise auch bei den Landwirten ankommen, die mehr fürs Tierwohl tun. Zudem müssen auch die verarbeiteten Produkte in den Blick genommen werden."

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