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Wem die Stunde schlägt: Am Freitag tritt Großbritannien aus der EU aus.
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Der Brexit im Alltag: Was Touristen, Verbraucher und Arbeitnehmer jetzt wissen müssen

Reicht der Personalausweis noch für die Einreise, können Beschäftigte bleiben, werden Auslandstelefonate teurer? Die wichtigsten Antworten auf Alltagsfragen.

An diesem Freitag ist es soweit: Großbritannien verlässt die Europäische Union. Doch was heißt das praktisch? Müssen sich Deutsche, die in London arbeiten, einen neuen Job suchen? Kann man noch unbesorgt seinen Sommerurlaub in Cornwall buchen? Und was ist, wenn man krank wird? Die gute Nachricht: Bis Ende des Jahres ändert sich für Arbeitnehmer, Verbraucher und Touristen praktisch nichts. So lange dauert die Übergangszeit, in der das EU-Recht in Großbritannien praktisch weiter gilt.

Rosemunde-Pilcher-Land. Viele Bundesbürger machen gern Urlaub in Cornwall.
Rosemunde-Pilcher-Land. Viele Bundesbürger machen gern Urlaub in Cornwall.
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Kann ich weiter britische Waren kaufen?

Für Verbraucher, die britische Waren lieben, heißt das: Wer Tee, Bücher oder Marmite bei einem britischen Anbieter kauft, kann bei Lieferärger weiterhin in Deutschland klagen und muss nicht nach Großbritannien reisen. Vorausgesetzt, das Unternehmen unterhält eine Webseite in Deutschland oder verkauft seine Produkte über eine deutsche Seite wie Amazon.de, versichert Linn Selle vom Bundesverband der Verbraucherzentralen.

Urlaub in UK - geht das noch?

Die 3,3 Millionen Reisenden, die jedes Jahr von Deutschland nach Großbritannien reisen, kommen weiterhin mit einem Personalausweis ins Land. Den hat man immer gebraucht, weil die Briten keine Mitglieder des Schengener Abkommens sind. Grenzkontrollen sind daher nie abgeschafft worden.

Im Laufe des Jahres 2021 wird der Perso aber wohl nicht mehr reichen, dann wird ein gültiger Reisepass nötig sein, warnt das Europäische Verbraucherzentrum. Eine Visumspflicht sei für Kurzaufenthalte bis zu drei Monaten bislang aber nicht vorgesehen.

Der "Eurostar" verbindet UK mit dem Kontinent. Reisende behalten ihre Fahrgastrechte.
Der "Eurostar" verbindet UK mit dem Kontinent. Reisende behalten ihre Fahrgastrechte.
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EU-Führerscheine werden zunächst weiter anerkannt, ob das 2021 so bleiben wird, ist unklar. Auch ob dann wieder Roaming-Gebühren eingeführt werden, bleibt abzuwarten. Bis Ende dieses Jahres sind Auslandsgespräche per Handy von UK in die EU aber weiterhin kostenlos.

Wer mit dem „Eurostar“ auf die Insel fährt oder dort mit der Bahn unterwegs ist, kann – wie in Deutschland – Geld verlangen, wenn sich der Zug verspätet. Das wird auch in Zukunft Bestand haben, weil die europäischen Fahrgastrechte in britisches Recht überführt worden sind.

Ansprüche gegen Airlines bei Verspätungen oder Annullierung sollen nicht nur in der Übergangsphase weiter möglich sein. Die Fluggastrechte sollen auch danach gelten, hat die britische Regierung erklärt. Das betrifft Flüge, die in Großbritannien starten, sowie Maschinen, die in der EU abheben und auf der Insel landen, wenn die Airline ihren Sitz in der EU hat.

An den Flugverbindungen von und nach UK ändert sich zunächst nichts, heißt es beim Deutschen Reiseverband. Allerdings dürften die Flugverbindungen, Start- und Landerechte für die Zeit danach Thema der Verhandlungen zwischen der EU und Großbritannien sein.

Auch Flugpassagiere sollen weiterhin bei Verspätungen oder Flugstreichungen Geld bekommen.
Auch Flugpassagiere sollen weiterhin bei Verspätungen oder Flugstreichungen Geld bekommen.
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Muss ich für den Arzt bezahlen?

Wer im Urlaub krank wird, kann bis Ende dieses Jahres seine Krankenkassenkarte – die Europäische Krankenversicherungskarte – beim Arzt oder Krankenhaus in London, Edinburgh oder Belfast vorlegen. Was danach kommt, ist unklar. Urlauber werden dann möglicherweise eine Auslandsreisekrankenversicherung abschließen müssen, warnt Verbraucherschützerin Selle.

Halten sich Bundesbürger dauerhaft in Großbritannien auf, etwa weil sie dort arbeiten, behalten sie ihren Kranken- und Pflegeversicherungsschutz in der gesetzlichen Krankenversicherung auch beim Austritt. Das ist gesetzlich im „Gesetz zu Übergangsregelungen im Bereich Arbeit, Bildung, Gesundheit, Soziales und Staatsangehörigkeit“ geregelt.

Zudem soll vermieden werden, dass sich Kassenmitglieder doppelt absichern müssen. Britische Staatsangehörige, die sich in Deutschland aufhalten, können bei einem Brexit der gesetzlichen Krankenversicherung beitreten.

Kisten packen müssen Bundesbürger, die in Großbritannien arbeiten, nicht. Sie können bleiben.
Kisten packen müssen Bundesbürger, die in Großbritannien arbeiten, nicht. Sie können bleiben.
© dpa

Dürfen Arbeitnehmer bleiben?

Für Arbeitnehmer – und zwar sowohl Briten, die in Deutschland arbeiten als auch Deutsche, die einen Job in Großbritannien haben – gilt bis Jahresende das Recht der Freizügigkeit. Wer zum Ende der Übergangsphase in Großbritannien arbeitet, ist auch danach geschützt, heißt es bei den Arbeitgeberverbänden. Man darf weiter dort arbeiten und leben. Das betrifft nicht nur das eigene Aufenthaltsrecht, sondern auch das von Familienmitgliedern. Gleiches gilt für Briten, die in einem EU-Land arbeiten und leben.

Was Menschen beachten müssen, die erst nach der Übergangszeit eine Erwerbstätigkeit in Großbritannien aufnehmen, ist dagegen noch unklar.

Lieferengpässe bei Medikamenten: Verschärft der Brexit das Problem?
Lieferengpässe bei Medikamenten: Verschärft der Brexit das Problem?
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Werden Medikamente knapp?

Auf der britischen Insel haben große Pharmahersteller ihren Sitz. Schon jetzt gibt es Lieferengpässe bei Medikamenten, wird sich das noch verschärfen?

„Die derzeitigen Lieferengpässe haben nichts mit dem Brexit zu tun“, versichert Ann Marini vom GKV-Spitzenverband. Das sei ein internationales Problem und habe mit der Konzentration der Arzneimittelproduktion auf wenige Standorte und der Gefahr von Produktionsausfällen zu tun.

In der Übergangsphase bis zum Jahresende werde die Europäische Arzneimittelagentur, die inzwischen ihren Sitz von London nach Amsterdam verlegt hat, weiterhin für die Zulassung britischer Arzneimittel zuständig sein.

Auch für günstige Re- und Parallelimporte von Medikamenten bleibt in den nächsten elf Monaten alles beim alten. Sollte es zum harten Brexit kommen, würden allerdings Parallel- oder Reimporte aus Großbritannien verloren gehen, wenn sie nicht aus anderen EU-Ländern kompensiert werden können, warnt Jörg Geller, Vorstand des Verbands der Arzneimittel-Importeure Deutschlands. Dann müssten möglicherweise die Präparate durch die Originalhersteller kompensiert werden.

Heike Jahberg

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