Diesel-Abgasmanipulation: Razzia bei Daimler wegen Dieselgate
Gegen Mitarbeiter von Daimler wird im Zuge möglicher Abgasmanipulationen ermittelt. 23 Staatsanwälte und 230 Polizisten suchen Beweise - auch in Berlin.
Es ist bislang nur ein Verdacht, der den Daimler-Konzern ins Visier der Staatsanwaltschaft rückt. Doch er wiegt schwer, weil die Begriffe „Diesel“ und „Betrug“ im Zentrum der laufenden Ermittlungen der Justiz stehen. Wegen des Verdachts des Abgas-Betrugs und der strafbaren Werbung hat die Stuttgarter Staatsanwaltschaft am Dienstag mehrere Standorte des Autoherstellers durchsucht – auch in Berlin. Gesucht worden seien „beweiserhebliche“ Unterlagen und Datenträger. In einer knappen Mitteilung teilte das Unternehmen dies am Nachmittag mit. Weitere Angaben wollte Daimler mit Blick auf das laufende Ermittlungsverfahren nicht machen. Das Unternehmen kooperiere „vollumfänglich“ mit der Behörde, hieß es. An der Börse sackte die Daimler-Aktie derweil ins Minus ab.
Bereits im März waren die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft bekanntgeworden. Sie richten sich gegen „bekannte und unbekannte Mitarbeiter der Daimler AG“, die in mögliche Manipulationen von Diesel-Abgaswerten involviert sein sollen. Es geht um Vorwürfe, die beim Wettbewerber Volkswagen „Dieselgate“ genannt werden: Der Wolfsburger Autobauer hatte Ende 2015 zugegeben, bei weltweit mehr als elf Millionen Diesel-Fahrzeugen die Motorsteuerungssoftware illegal verändert zu haben, um seine Dieselwagen im Testlabor sauberer erscheinen zu lassen, als sie auf der Straße tatsächlich sind. Bislang kostet der Skandal den VW-Konzern mehr als 20 Milliarden Euro, die im Rahmen von komplizierten juristischen Vergleichen in den USA vereinbart wurden. Weitere Schadenersatzzahlungen an Anleger und Kunden, die gegen das Unternehmen klagen, sind nicht ausgeschlossen.
In den USA wurde Daimler bereits verklagt
Daimler wurde inzwischen ebenfalls verklagt, in den USA wehrt sich der Konzern gegen Sammelklagen von Anlegern, auch gegen Konzernchef Dieter Zetsche persönlich läuft in den USA ein Verfahren. Umweltverbände wie die Deutsche Umwelthilfe (DUH) beschuldigen den Stuttgarter Konzern, bei einigen Diesel- Modellen getrickst zu haben und berufen sich auf eigene Messungen.
Es steht Aussage gegen Aussage: Daimler-Chef Dieter Zetsche hatte auf der Hauptversammlung in Berlin Ende März betont, weder das Kraftfahrtbundesamt (KBA) noch das Verkehrsministerium hätten bei ihren Messungen Verstöße bei Daimler-Fahrzeugen festgestellt. Die DUH prozessiert gegen Daimler unter anderem vor dem Landgericht Stuttgart und hatte dort Ende April einen Erfolg errungen. So bestätigten die Richter laut DUH zunächst, dass Daimler eine beanstandete Werbeaussage für einen Mercedes-Benz C 220 BlueTec belegen und seine Abgastechnik erklären muss. Das Gericht forderte Daimler auf, zu erläutern, warum etwa das Emissionsminderungssystem in dem Diesel-Mercedes bei niedrigen Temperaturen nur noch eingeschränkt arbeitet. Daimler hält die Klage für unbegründet. Nach Auffassung der DUH stößt das Modell im Straßenbetrieb zigfach mehr Stickoxid aus als erlaubt.
Der Konzern hat freiwillig 247.000 Fahrzeuge zurückgerufen
Streitpunkt ist ein sogenanntes Thermofenster, das in bestimmten Temperaturbereichen die Abgasnachbereitung herunterregelt. Nach der Argumentation der Hersteller wird das genutzt, um Bauteile im Motor zu schützen. Daimler hatte sich wie andere Hersteller auch mit dem KBA darauf geeinigt, 247.000 Fahrzeuge „freiwillig“ zurückzurufen, um die Technik anzupassen.
Im April forderte das US-Justizministerium Daimler zu einer internen Untersuchung im Zusammenhang mit den Mercedes-Abgaswerten auf. Seitdem ermittelt Daimlers interne Revision mithilfe einer Anwaltskanzlei im Konzern.
23 Staatsanwälte und 230 Polizisten aus Baden-Württemberg und anderen Bundesländern waren am Dienstag im Einsatz. „Das war keine Routine-Untersuchung“, sagte der Duisburger Autoexperte Ferdinand Dudenhöffer. „Das hat bei Daimler eine neue Dimension erreicht.“