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Die Sonde eines Geräts zur Abgasuntersuchung für Dieselmotoren steckt im Auspuffrohr eines Autos.
© Patrick Pleul/dpa-Zentralbild/dp

Abgasskandal: Minister streiten über Diesel

Umweltministerin Barbara Hendricks (SPD) verlangt von den Herstellern die Nachrüstung von neun Millionen Autos. Die Blaue Plakette gibt sie dagegen auf. Denn auch der Euro-6-Diesel dürfte nicht in die Innenstädte fahren.

Umweltministerin Barbara Hendricks (SPD) hat am Dienstag eine doppelte Kampfansage an Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) gemacht: Der Verkehrsminister müsse dringend mehr Druck auf die Autoindustrie ausüben, „damit diese den Diesel endlich in Ordnung bringt“, verlangte sie. Und sie kündigte an, dass sie nicht bereit ist, Dobrindts Linie bei den Verhandlungen in Brüssel über neue Abgasgrenzwerte, ihre Überwachung und Sanktionierung mitzutragen, wenn die Luftschadstoff-Grenzwerte in deutschen Städten damit nicht einzuhalten sind.

Dobrindt will die Typenzulassung weiter in nationaler Hand belassen und lehnt eine Behördenkontrolle durch die EU ab, wie aus einem Schreiben an die EU-Ratspräsidentschaft hervorgeht. Das Verkehrsministerium reagierte auf Anfragen der Nachrichtenagentur Reuters nicht.

Hendricks gibt die Forderung nach Einführung einer Blauen Plakette auf. Sie hätte dazu dienen sollen, an Tagen, an denen Luftschadstoffgrenzwerte in Städten überschritten werden, Fahrzeuge ohne die Plakette nicht in Innenstädte einfahren zu lassen. Nicht, weil sie nicht damit rechnet, dass im kommenden Winter in einer Reihe von Städten Fahrverbote erlassen werden müssen, um die Stickstoffoxid-Grenzwerke einhalten zu können. Sondern "weil sich zeigt, dass eine Abgrenzung schwierig ist".
Das sagte Hendricks am Dienstag bei der Vorstellung einer Studie des Umweltbundesamtes (UBA) in Berlin. Was sie damit meint? Dass sowohl Diesel-Fahrzeuge der Schadstoffklasse Euro 5 wie Euro 6 so weit von der Einhaltung der vorgeschriebenen Grenzwerte entfernt sind, dass auch Euro-6-Diesel bei Inversionswetterlagen im Winter aus Luftreinhaltegründen nicht in Städte einfahren sollten. Messungen von Umweltverbänden haben schon seit Jahren auf die großen Unterschiede zwischen den Abgasmessungen auf dem Rollenprüfstand und im realen Straßenverkehr hingewiesen.

"Realistische Stickstoffmessungen"

Hendricks stellte am Dienstag eine von ihr in Auftrag gegebenen Studie des Umweltbundesamtes (UBA) vor, das nach dem VW-Dieselskandal für das sogenannte Handbuch für Emissionsfaktoren des Straßenverkehrs (HBEFA) „realistische Stickstoffemissionen von Diesel- Fahrzeugen der Schadstoffklassen Euro 4, 5 und 6“ ermitteln sollte. Dafür testete das UBA 27 Euro-5-Diesel, und je 25 Euro-4- und Euro-6-Fahrzeuge in verschiedenen Verkehrssituationen, Straßenverhältnissen und unterschiedlichen Umgebungstemperaturen. Das Ergebnis sei deprimierend, findet UBA-Chefin Maria Krautzberger: Der Stickoxid-Ausstoß von Dieselautos mit Euro-6-Norm liegt im Schnitt um 92 Prozent höher, als das UBA es in der Vorgängerversion des Handbuches noch angenommen hatte. Der Grenzwert für Euro-6-Diesel liegt bei 80 Milligramm NOx pro Kilometer, der tatsächliche ermittelte Ausstoß aber bei 507 Milligramm pro Kilometer – und damit sechs Mal höher als erlaubt. Beim Euro-5-Diesel liegen die realen Emissionen bei 906 Milligramm Stickoxid pro Kilometer, der Grenzwert aber bei 180 Milligramm. Der Euro-4-Diesel liegt um 2,5 Mal höher als der Grenzwert. Besonders dramatisch sind die Unterschiede zu den bei der Zulassung ermittelten NOx-Emissionen bei Außentemperaturen von null Grad: Euro-5- Diesel stoßen bei diesen Temperaturen 80 Prozent mehr NOx aus als bei 20 Grad, Euro-6-Diesel sogar 90 Prozent mehr.

Der Verband der Deutschen Automobilindustrie (VDA) schreibt in einer ersten Reaktion auf die UBA-Studie: „Die Aussage des VDA, dass Euro-6-Fahrzeuge deutlich bessere NOx-Werte aufweisen als Euro-5-Diesel, wird bestätigt.“ Mit keinem Wort geht der VDA auf die massiv überhöhten NOx-Werte der Euro-6-Diesel ein, obwohl diese Abgase gesundheitsschädlich sind. Auf die über den Kurznachrichtendienst Twitter gestellte Frage, wie die Autoindustrie das Problem der nicht normgerechten Dieselfahrzeuge, lösen will, antwortete der VDA: „Die Autos auf den Straßen sind nach geltenden Abgasvorgaben gebaut, geprüft und zugelassen und damit gesetzeskonform unterwegs.“ Mit anderen Worten: Die Industrie hat vorläufig nicht vor, die rund neun Millionen betroffenen Diesel-Fahrzeuge technisch an die geltenden Grenzwerte anzupassen, wie Hendricks das fordert, die dafür kein Steuergeld ausgeben will: „Das liegt in der Verantwortung der Hersteller. Da bin ich mit meinem Kollegen Dobrindt völlig einig“, sagte sie mit einem feinen Lächeln um den Mund.

Von September an soll es nach EU-Standards Abgastests unter realistischen Fahrbedingungen geben (RDE). Gerungen wird aber auch innerhalb der Bundesregierung darum, wie die Tests umgesetzt, bezahlt und kontrolliert werden. Zurzeit bezahlen die Hersteller beispielsweise den TÜV dafür, was die Frage der Unabhängigkeit der Tester aufwarf. Das Verkehrsministerium lehnt allerdings reguläre, direkte Tests durch das Kraftfahrtbundesamt als auch eine Finanzierung über Gebühren ab. Stattdessen solle ein zweiter technischer Dienst stichprobenhaft die Ergebnisse überprüfen.

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