Daimler-Hauptversammlung in Berlin: Dieter Zetsche und der Ärger mit dem Diesel
Bei der Aktionärsversammlung an diesem Mittwoch wird Daimler-Chef Dieter Zetsche nicht zur Dieselaffäre schweigen können. Ein Porträt.
Sich als „Erfinder des Automobils“ zu bezeichnen, dürfte zu den angenehmsten Übungen des Daimler-Chefs gehören. Dieter Zetsche (63) hat immer wieder an die mehr als 130-jährige Geschichte des Stuttgarter Autobauers erinnert. Er wird es wahrscheinlich auch an diesem Mittwoch wieder tun, wenn er vor rund 6000 Aktionären spricht, die zur Daimler-Hauptversammlung in den Berliner City-Cube anreisen. Tradition verpflichtet. Das gilt auch für ein anderes Jubiläum: Vor 125 Jahren erfand Rudolf Diesel einen Motor, den Zetsche wohl am liebsten unerwähnt ließe. Denn Daimler muss sich gegen immer konkretere Vorwürfe wehren, ähnlich wie VW bei der Diesel-Abgasreinigung die Grenzen des gesetzlich Erlaubten überschritten zu haben.
Etliche Daimler-Fahrzeuge, auch die modernsten, stoßen auf der Straße ein Vielfaches der vorgeschriebenen Stickoxid-Grenzwerte aus. Das haben Tests der Deutschen Umwelthilfe und des ADAC gezeigt. Umweltverbände sehen den Hersteller schon neben VW auf der Anklagebank. Zetsche, seit 1976 im Unternehmen, wehrt sich nach Kräften, verbal, juristisch und mit allen Finessen, die einem promovierten Ingenieur zur Verfügung stehen. Es steht Aussage gegen Aussage – doch Daimler gerät in ein Zwielicht, das die sehr guten Geschäftszahlen nicht mehr so glänzen lässt, wie es die Stuttgarter PR-Strategen gerne hätten.
In Jeans und Sneakers und auch mal bei den Grünen
Zetsche, 1953 in Istanbul geboren, der Mann mit dem markanten Schnauzbart und – auch bei offiziellen Terminen – in Jeans und Sneakers, geht Konflikten nicht aus dem Weg. 2016 trat er auf dem Bundesparteitag der Grünen auf, regelmäßig diskutiert er mit Kritikern. Dabei ist oft die Rede von der neuen Start-up-Kultur, den flachen Hierarchien und der Schwarmintelligenz im Unternehmen. Die Botschaft: Daimler ist anders, Daimler ist auf Augenhöhe, Daimler ist kein Blechbieger mehr, sondern ein Anbieter von Mobilität.
Wie fremd das in den Ohren vieler der weltweit fast 300 000 Daimler-Beschäftigten klingt, weiß Zetsche. Er kennt die Behäbigkeit des Traditionsunternehmens und ist ein erprobter Krisenmanager: Elchtest, Daimler-Chrysler, Finanzkrise, Korruption sind Begriffe, die Zetsches Tiefpunkte markieren. Den Stress lässt sich der schlaksige Autoboss, der mit der Kanzlerin ebenso so gut kann wie mit dem Bandarbeiter, prächtig bezahlen: Mit 7,6 Millionen Euro (2015: 9,7 Millionen) gehört Zetsche zu den am besten bezahlten Managern des Landes.