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Was will die Jugend lernen? In Berlin gibt es in zahlreichen Ausbildungsberufen in der Industrie und im Dienstleistungsgewerbe zu wenig Nachwuchs.
© dpa

Fachkräftemangel: Personalnot in Berlin

In der Hauptstadt fehlen immer mehr Fachkräfte – besonders im Dienstleistungssektor und im öffentlichen Dienst.

Berlins Unternehmen sind in der Bredouille. 2030 könnten in der Hauptstadt nach einer aktuellen Studie mehr als 150 000 Fachkräfte fehlen. Schon heute finden viele Firmen keine geeigneten Mitarbeiter, obwohl sie dringenden Bedarf haben. Rund 34 000 Stellen in der Hauptstadt werden allein im laufenden Jahr unbesetzt bleiben, rechnet die Berliner Industrie- und Handelskammer (IHK) in ihrem aktuellen Fachkräftemonitor vor, der seit Montag online ist (www.fachkraeftemonitor-berlin.de). „Die Untersuchung zeigt, dass der prognostizierte Fachkräftemangel schon ein bis zwei Jahre früher in der Hauptstadt angekommen ist als bisher angenommen“, sagte Constantin Terton,  Bereichsleiter Wirtschaftspolitik bei der Berliner IHK, bei der Vorstellung des Fachkräftemonitors. Der Trend am Arbeitsmarkt habe sich durch die derzeit gute Konjunktur weiter verschärft.

Für den Fachkräftemonitor hat die IHK auch Unternehmen befragt

In der einmal pro Jahr erscheinenden Studie sagen Wissenschaftler voraus, wie sich das Angebot und die Nachfrage von Fachkräften in der Hauptstadt über einen längeren Zeitraum entwickeln könnten. Der Zeithorizont des aktuellen Fachkräftemonitors reicht von 2016 bis ins Jahr 2030 und berücksichtigt die aktuelle Zahl sozialversicherungspflichtig Beschäftigter im Land sowie die vermutete künftige wirtschaftliche Entwicklung der Unternehmen und den demografischen Wandel. Grundlage für die Vorhersage sind unter anderem Umfragen in den Berliner Unternehmen.

Die Prognose fungiert als Frühwarnsystem

Die Prognose ist dabei laut IHK vor allem als Frühwarnsystem zu verstehen: Unternehmen und Institutionen in der Hauptstadt sollen durch die Zahlen in die Lage versetzt werden, negativen Entwicklungen am Arbeitsmarkt rechtzeitig entgegenzuwirken. Mit wachsendem Personalnotstand müssten dabei vor allem die Unternehmen rechnen, die auf beruflich qualifizierte Mitarbeiter, also Menschen mit absolvierter Berufsausbildung, angewiesen sind. Ein großer Teil von ihnen gehört der geburtenstarken Generation der „Babyboomer“ an und geht in den kommenden Jahren regulär in den Ruhestand. Der ohnehin vorhandene Engpass werde außerdem durch die Möglichkeit verstärkt, im Alter von 63 Jahren frühzeitig in Rente zu gehen.

Bei den Akademikern werden vor allem Ökonomen gefragt sein

Die Nachfrage nach Akademikern werde im Gegensatz dazu generell zurückgehen, heißt es bei der IHK. Einige wenige Studienabschlüsse dürften in den kommenden Jahren dennoch bei einigen Unternehmen gefragt sein. Dazu gehören Wirtschaftswissenschaftler, Beschäftigte in Gesundheitsberufen sowie Theologen und Erzieher.

Die Studie sagt besonders gravierende Engpässe für den Dienstleistungssektor und die Verwaltung voraus

Gravierende personelle Engpässe wird es den Zahlen zufolge künftig vor allem im personenbezogenen Dienstleistungssektor und im öffentlichen Dienst geben. Zur ersten Sparte zählt die Berliner Industrie- und Handelskammer beispielsweise Unternehmen der Kunst- und Unterhaltungsbranche, den Immobiliensektor, Wach- und Sicherheitsdienste sowie Friseure oder Bestatter. In diesen Bereichen wird sich der Fachkräftemangel in den kommenden 14 Jahren mehr als verdoppeln, wenn Politik und Unternehmen nicht gegensteuern.

Flüchtlinge können den Fachkräftebedarf allenfalls abfedern

Dass sich die Krux womöglich schon in absehbarer Zeit mithilfe von Flüchtlingen lösen könnte, hält der stellvertretende Hauptgeschäftsführer der IHK Christian Wiesenhütter für ausgeschlossen. „Flüchtlinge können die Engpässe allenfalls abfedern, aber keinesfalls schließen“, sagte er. Nach Schätzungen des Berliner Senats werden in diesem Jahr zwischen 20 000 und 25 000 Flüchtlinge im erwerbsfähigen Alter mit abgeschlossenem Asylverfahren in Berlin einen Job suchen. Die Regionaldirektion Berlin-Brandenburg der Bundesagentur für Arbeit geht davon aus, dass etwa zehn Prozent von ihnen im ersten Jahr in den Arbeitsmarkt integriert werden können – in Berlin also bis zu 2500. Viel zu wenige für 34 000 offene Stellen. Um den Fachkräftemangel auf lange Sicht zu beheben, müsse die Politik wieder verstärkt über qualifizierte Zuwanderung nachdenken. Bei der qualifizierten Zuwanderung können deutsche Unternehmen offene Stellen mit Bewerbern aus dem Ausland besetzen – ohne Asylantrag, aber mit Arbeitsvisum.

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