Fehlende Azubis in Berlin: Junge Menschen wollen lieber Uni statt Lehre
Berlins Unternehmen suchen händeringend nach Azubis. Doch viele junge Leute wollen lieber studieren - und sind geografisch festgelegt.
In Berlin wächst die Kluft zwischen offenen Ausbildungsplätzen und Bewerbern. Zwar ist die Zahl der freien Lehrstellen in der Hauptstadt in den vergangenen zwölf Monaten im Vergleich zum Vorjahr um fast 22 Prozent auf rund 11900 gestiegen – doch das sind zu wenige für mehr als 14400 Bewerber.
Das Interesse an der dualen Ausbildung ist gewachsen
Es ist ein diffuses Bild, das die Geschäftsführer der Industrie- und Handelskammer (IHK), Handwerkskammer und der Unternehmensverbände Berlin-Brandenburg (UVB) und der Regionaldirektion der Arbeitsagentur am Donnerstag von den aktuellen Entwicklungen am hauptstädtischen Ausbildungsmarkt zeichnen. Auf der einen Seite interessieren sich offenbar mehr junge Leute als bisher für eine Ausbildung im Betrieb und der Berufsschule. Laut Regionaldirektionschefin Jutta Cordt ist die wachsende Zahl an Lehrstellenbewerbern in der Hauptstadt unter anderem der intensiven Werbung von Unternehmen in Schulklassen und der Arbeit der Jugendberufsagenturen in der Stadt zu verdanken. Hier können sich Jugendliche an vier Standorten über verschiedene Ausbildungsberufe und die Inhalte der sogenannten dualen Ausbildung in Unternehmen und an der Berufsschule informieren.
Immer mehr Schulabgänger entscheiden sich für ein Studium
Allerdings sei das noch lange kein Garant dafür, dass die jungen Leute am Ende tatsächlich eine Ausbildung beginnen, sagt Cordt: Immer mehr Schulabgänger in Deutschland entscheiden sich prinzipiell gegen die Lehre und für ein Studium an der Fachhochschule oder Universität. Mittlerweile gibt es in der Republik ein Ungleichgewicht zwischen Studierenden und Azubis: Derzeit nehmen etwa doppelt so viele junge Menschen ein Studium auf wie sich für eine Lehre entscheiden. „Das ist dramatisch und macht uns große Sorgen“, sagte IHK-Hauptgeschäftsführer Jan Eder. Der bundesweite Trend zur Akademisierung hat sich in den vergangenen Jahren auch in Berlin immer weiter verstärkt: Zwischen 2009 und 2015 ist die Zahl der abgeschlossenen Ausbildungsverträge von rund 19500 auf 16500 pro Jahr gesunken.
Viele junge Leute sind geografisch unflexibel
Neben der generellen Ablehnung einer Ausbildung nennt Cordt überdies „regionale Disparitäten“ als Grund für die rückläufige Entwicklung: Bewerbungen scheiterten nicht selten an der mangelnden geografischen Flexibilität potenzieller Lehrlinge. „Viele von ihnen wollen nicht einmal in einem vom Wohnort abweichenden Bezirk geschweige in einem angrenzenden Bundesland arbeiten“, sagt Cordt.
Kaufmann und Mechatroniker sind beliebte Ausbildungsberufe
Für Patricia Goergen war nicht der Ort, sondern der Praxisbezug ausschlaggebend dafür, sich für eine Ausbildung zu entscheiden. Sie lässt sich beim Berliner Chocolatier Rausch am Gendarmenmarkt zur Konditorin ausbilden. Es ist ein Beruf, der Fingerfertigkeit mit gutem Geschmack und Ästhetik verbindet. In ihrer Ausbildung lernt Goergen nicht nur, wie man exquisite Schokoladen, Pralinen und Torten herstellt, sondern auch, was man tun muss, um diese Produkte erfolgreich zu vermarkten. „Ich wollte schon immer etwas Handwerkliches machen“, sagt Goergen. „Außerdem macht Schokolade glücklich.“ Mit der Ausbildung zur Konditorin hat sich Goergen für ein vergleichsweise „exotisches“ Fach entschieden, das zumindest bei den Berlinern nicht ganz oben auf der Wunschliste steht. Die meisten Lehrstellenbewerber in der Hauptstadt wollen Einzelhandelskaufmann, Büromanager, Verkäufer, Mechatroniker oder Friseur werden – das Ranking der beliebtesten Ausbildungsberufe hat sich in den vergangenen Jahren kaum geändert.
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