Daniel Kretinsky: Nur er traut sich zu, die Metro zu retten
Daniel Kretinsky übernahm das Lausitzer Braunkohlerevier, nun greift er nach Metro. Wer ist der Mann, der Milliarden mit Firmen macht, die sonst niemand will?
Es war im Jahr 2014 auf einer Investoren-Konferenz in der slowakischen Hauptstadt Bratislava, als Daniel Kretinsky seine Strategie in denkbar einfache Worte fasste. Zunächst sprach er über Investitionen in Tech-Firmen. Da gebe es Projekte, die in Finanzierungsrunden drei- oder viermal so viel Geld bekämen, wie sie eigentlich wert sind, sagte der Tscheche in Englisch mit starkem Akzent. „Und dann“, fügte Kretinsky an, „dann sehen wir Bereiche, in die absolut niemand investieren will.“ Es sind genau diese Bereiche, mit denen Kretinsky Geld verdient. Viel Geld.
Rund vier Jahre später hat der tschechische Milliardär wieder ein Unternehmen gefunden, das in sein Beuteschema passt: die Metro. Bereits im August kaufte der Tscheche 7,3 Prozent der Stammaktien des deutschen Handelskonzerns aus dem Besitz der Unternehmerdynastie Haniel. Zudem erhielt er eine Option auf die restlichen 15,2 Prozent, die Haniel noch gehören.
In der vergangenen Woche teilte der Elektronikkonzern Ceconomy mit, ebenfalls 3,6 Prozent der Metro-Anteile an Kretinsky verkauft zu haben. Auch hier erwarb er zusätzlich eine Option auf weitere 5,4 Prozent. Das Bundeskartellamt genehmigte am Freitag ohne Auflagen einen Erwerb von 21 bis 22,5 Prozent der Metro-Aktien durch eine von Kretinsky kontrollierte Investmentgesellschaft. Auch gegen einen „wettbewerblich erheblichen Einfluss“ Kretinskys auf den Düsseldorfer Konzern erheben die Kartellwächter keine Einwände.
Bald könnte er ein Übernahmeangebot für die Metro machen
Löst Kretinsky all seine Optionen ein, würden ihm mehr als 30 Prozent des Metro-Konzerns gehören – und er müsste den restlichen Aktionären ein Übernahmeangebot für das gesamte Unternehmen unterbreiten. Ein Unternehmen, dessen Aktien allein im vergangenen Jahr 25 Prozent an Wert verloren. Ein Unternehmen, das mit Real eine Supermarktkette führt, die in der Branche als nicht mehr zeitgemäß gilt.
Wer ist der Mann, der auf vermeintliche Auslaufmodelle setzt?
Kretinsky wird 1975 in Brno, der zweitgrößten Stadt Tschechiens, geboren. Sein Vater ist Informatikprofessor, seine Mutter Verfassungsrichterin, Kretinsky selbst studiert Jura und Politikwissenschaften in seiner Heimatstadt. Mit 25 Jahren wird er Anwalt bei der J & T-Finanzgruppe in Prag.
Sein Einstiegsgehalt liegt damals bei umgerechnet 800 Euro im Monat. Doch schon nach einem Jahr bekommt er eine Prämie von einer Million Euro für einen gewonnenen Fall. So jedenfalls erzählte er es vor einigen Jahren bei einem Vortrag an der Wirtschaftsuniversität VSE in Prag.
Forbes schätzt sein Vermögen auf 2,6 Milliarden Euro
Von da an geht es finanziell steil bergauf. Als Partner bei J & T baut Kretinsky ein Portfolio von Unternehmen der Energiebranche auf. 2009 lagert er diese aus in die Energetický a Prumyslový Holding, kurz EPH. 40 Prozent von EPH gehören anderen Investoren von J & T, 40 Prozent Petr Kellner, dem reichsten Mann Tschechiens.
Kretinsky hat zunächst nur 20 Prozent, doch er hält die Zügel in der Hand, ist maßgeblich für Zukäufe von Gas- und Kohleunternehmen in halb Europa verantwortlich. 2014 steigt Kellner aus und Kretinsky übernimmt seine Anteile. Heute gehören ihm gut 94 Prozent von EPH. Forbes schätzt sein Vermögen auf rund 2,6 Milliarden Euro, er gilt als einer der zehn reichsten Menschen seines Landes.
Außerdem ist Kretinsky Miteigentümer von Tschechiens größter Boulevard-Zeitung Blesk sowie des Fußballklubs Sparta Prag. Für Fußball interessiert er sich zwar nicht, sagt er selbst, aber ein bekannter Name wie Sparta Prag vermittle „den Eindruck großer finanzieller Stärke seines Eigentümers“. In der Öffentlichkeit macht sich der Milliardär rar, gibt nur selten Interviews. Geschäftspartner beschreiben ihn als scharf kalkulierend, umtriebig und in Verhandlungen knochenhart. Haniel-Chef Stephan Gemkow lobt Kretinsky als „hochprofessionellen und seriösen Gesprächspartner, der sich als absolut verlässlich erwiesen hat“.
Auch in Deutschland ist Kretinsky schon lange kein Unbekannter mehr. 2009 erwarb er über die EPH Anteile der Mitteldeutschen Braunkohlegesellschaft (Mibrag). Sieben Jahre später übernahm EPH auch die Braunkohle-Gebiete in der Lausitz von Vattenfall. Dass der Kohleausstieg in Deutschland nur noch eine Frage der Zeit ist, hat ihn dabei nicht gestört – er hofft auf satte Gewinne in der Restlebenszeit der Firmen.
Niemand wollte die Metro kaufen
Doch gilt das auch für die Metro? Auch die wollte niemand haben. Haniel hatte monatelang versucht, seine Anteile loszuwerden. Ohne Erfolg. Seit den späten 1990er Jahren, der Hochzeit des Unternehmens, geht es für die Metro kontinuierlich bergab. Damals hatte der Konzern ein Handelsvolumen von 100 Milliarden Euro, knapp halb so viel wie der US-Einzelhandelsriese Walmart. Heute ist es weniger als ein Zehntel.
In den vergangenen Jahren hat Metro-Chef Olaf Koch fast alle Beteiligungen und Töchter abgestoßen. Galeria Kaufhof ist verkauft, Saturn und Media Markt sind jetzt unter dem Dach von Ceconomy versammelt. Nur für Real findet Koch keinen Abnehmer. Kein Wunder, dass Kretinsky hellhörig wurde. Was er mit Metro vorhat, sagt er nicht. „Leider sind wir nicht in der Position, mehr Informationen über die künftige Geschäftsentwicklung von Metro und unsere Pläne für dieses Unternehmen mitzuteilen“, heißt es auf Nachfrage bei EPH.
Womöglich ergibt die Beteiligung Kretinskys für die Metro sogar Sinn. Denn anders als im Energiesektor setzt Kretinsky im Handel nicht auf totgesagte Geschäftsmodelle. Gemeinsam mit Petr Kellner finanziert er in Tschechien die mit 33 Millionen Kunden größte E-Commerce-Plattform des Landes, mall.cz.
In einem ersten Statement zur Metro-Beteiligung ließ Kretinsky lediglich wissen, er sei sich der Herausforderungen für Metro bewusst, „einschließlich der Digitalisierung und der damit verbundenen Kundenlösungen“. Es darf angenommen werden, dass Metro unter Kretinsky noch stärker am Online-Angebot arbeiten wird.
Was bedeutet eine Kretinsky-Übernahme für die Mitarbeiter?
Doch immer waren Kretinskys Übernahmen auch von Skepsis begleitet. Im Zuge von Kartell-Ermittlungen der EU-Kommission musste EPH 2009 2,5 Millionen Euro Strafe zahlen. Auch in den Panama Papers tauchte sein Name auf, weil ihm eine Briefkastenfirma auf den britischen Jungferninseln gehörte. Greenpeace führt ein Schwarzbuch über die Machenschaften von EPH in der Lausitz und hat Kretinsky vorgeworfen, Gelder aus der Firma abzuziehen.
Rund um die Lausitz Energie Bergbau AG (Leag) ist von solchen Vorgängen allerdings nichts bekannt. Im Gegenteil. „Die EPH-Geschäftsführung um Daniel Kretinsky mischt sich nicht allzu viel ins operative Geschäft ein“, sagt Oliver Heinrich, Landesbezirksleiter Nordost der Gewerkschaft IGBCE. Für die Belegschaft hat sich aus Sicht der Gewerkschaft nicht viel verändert.
„Tatsächlich hat der Leag-Vorstand sogar mehr Freiheiten als unter Vattenfall“, meint Heinrich. „Damals war die Lausitzer Braunkohle eher das Schmuddelkind des Konzerns, das besser nicht in Erscheinung trat. Heute kann sich der Vorstand auch öffentlich positionieren und viel aktiver das Energiegeschäft aus Sicht der Leag gestalten.“
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