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Objekt der Begierde? Vattenfall sucht einen Käufer für die Tagebaue und Kraftwerke in Ostdeutschland.
© picture alliance / dpa

Kohlerevier in der Lausitz: Prags Starinvestor baggert Vattenfall an

Warum der schillernde Multimillionär Daniel Kretinsky für das Braunkohlegeschäft in der Lausitz bietet.

Der Aufgang zu den Büros von Daniel Kretinsky liegt standesgemäß in der nobelsten Straße von Prag, wenige Schritte von den Boutiquen von Dolce & Gabbana oder Gucci. Dort residieren er und seine Leute in einem prachtvollen Jugendstilbau. EPH heißt der milliardenschwere Konzern des 40-Jährigen. In Tschechien sorgt Kretinsky regelmäßig mit spektakulären Investitionen für Aufsehen. Jetzt soll seine Firma zu den größten europäischen Energieversorgern aufschließen. Eine wichtige Marke auf seinem Expansionskurs soll der Kauf der Lausitzer Braunkohle-Sparte von Vattenfall sein.

Dass die Braunkohle wegen der angepeilten Reduktion des CO2-Ausstoßes eine ungewisse Zukunft hat, stört Kretinskys Strategen offenbar nicht: „Wir sind bereit, einen annehmbaren Kompromiss zwischen den von der Bundesregierung definierten Zielen der Energiewende und den Interessen von Region und Beschäftigten zu suchen“, sagte EPH-Sprecher Daniel Castvaj dem Tagesspiegel.

Prager Konzern mit Firmenanteilen in sieben EU-Ländern

Der erst vor gut sechs Jahren gegründete Konzern zählt zu den expansivsten Spielern in der Branche: Erst vor wenigen Tagen wurde bekannt, dass EPH das englische Biomasse-Kraftwerk Lynemouth vom Essener Konkurrenten RWE übernommen hat. Kurz vor Weihnachten kaufte EPH zwei Drittel des slowakischen Energieversorgers Slovenske elektrarny sowie in Ungarn mehr als 95 Prozent der Heizkraftwerks-Gesellschaft Budapesti Erömü. Nach bislang unbestätigten Informationen polnischer Medien soll EPH derzeit auch über den Kauf eines polnischen Kraftwerks verhandeln. Der Prager Konzern steht derzeit hinter mehr als 40 Energiefirmen in sieben EU-Ländern.

Der tschechische Investor Daniel Kretinsky bietet um das Vattenfall-Braunkohlegeschäft.
Der tschechische Investor Daniel Kretinsky bietet um das Vattenfall-Braunkohlegeschäft.
© promo

Die Geschichte der Firma, deren Abkürzung für energeticky a prumyslovy holding (Energie- und Industrieholding) steht, ist die eines spektakulären Aufstiegs. Daniel Kretinsky, der als treibender Kopf hinter den Investitionen steht, gilt als das Wunderkind unter den Investoren von Prag. Als Partner bei der tschechischen Investmentfirma J&T formte er über Jahre ein Portfolio von Schlüsselunternehmen aus der Energiebranche, das 2009 in die neu gegründete EPH ausgelagert wurde. Damals war der studierte Jurist gerade einmal 34 Jahre alt, er hält persönlich knapp 20 Prozent in dem Konzern. Mit den weiteren Partnern – neben J&T gehört auch der reichste Tscheche Petr Kellner zum Kreis der Beteiligten – ging Kretinsky auf einen rasanten Expansionskurs, in dessen Lauf er fast überall zuschlug, wo traditionelle Energieversorger ihre Kraftwerke abstießen. Die meisten der Multimillionen-Geschäfte sind über Kredite finanziert.

Billig einkaufen und viel rausholen

Kretinsky selbst tritt nur selten in Erscheinung, es gibt nur sehr wenige Interviews. Im Rampenlicht steht er in Tschechien trotzdem – vor allem wegen einer seiner privaten Investitionen: Vor einigen Jahren kaufte er den angeschlagenen Traditions-Fußballverein Sparta Praha, dessen Geschäfte er seitdem führt.

Bei EPH setzt Kretinsky auf den Wandel in der westeuropäischen Energiepolitik, die den Kohlestrom nach und nach durch regenerative Energie ersetzen will. „Die klassischen Energiefirmen wie Eon oder RWE haben dadurch immer größere Probleme und müssen ihre Kraftwerke verkaufen“, schreibt die tschechische Wirtschaftszeitung „Hospodarske Noviny“, die den Aufstieg der Prager Holding verfolgt. Kretinsky komme günstig an die Kraftwerke, die wegen ihrer unsicheren Zukunft oft unter ihrem eigentlichen Wert verkauft würden.

Er „wettet darauf, dass diese Verschiebung von der Kohle und Wind und Sonne nicht so schnell vonstatten geht, wie die Regierungen es geplant haben. Und wenn der Preis stimmt, lohnt es sich auch, die Kohlekraftwerke billig zu kaufen und einige Jahre zu betreiben.“ Den Stil der Finanzinvestoren, bei denen Kretinsky groß geworden ist, habe er damit auf die Energiebranche übertragen, sagen Kritiker – billig einkaufen und dann in kurzer Zeit möglichst viel herausholen.

Für die Politik zählt Vertrauen

Bei EPH selbst betont man den langen Horizont der Investitionen. Das gelte auch für die Lausitzer Kohle-Aktivitäten von Vattenfall, die EPH kaufen möchte: „Energie ist ein sehr ernsthaftes und langfristiges Geschäft“, sagt EPH-Sprecher Castvaj und spricht von „Verpflichtung und großer Verantwortung“. „Für jede Investition ist es wichtig, dass die Politik ein vorhersehbares und transparentes Umfeld schafft. Das gilt wegen der Größe und Laufzeit der Investitionen in der Energiebranche mehr als anderswo.“

In der Lausitz gehört EPH zusammen mit dem halbstaatlichen tschechischen Energieriesen CEZ zu den Interessenten, die ihre Teilnahme am Bieterverfahren für die Vattenfall-Tochter bestätigt haben. Über ihre genauen Pläne für die Region schweigen sich beide Unternehmen mit Hinweis auf die Verschwiegenheitserklärung im Rahmen des Verfahrens aus.

Beide sind in Deutschland keine Neulinge: CEZ etwa hat neben dem schon länger bestehenden Büro in Berlin erst unlängst eine Niederlassung in Hamburg eröffnet. Und EPH-Sprecher Castvaj verweist auf die deutschen Beteiligungen seiner Firma: „Wir kommen ja nicht aus dem Ausland, in Deutschland haben wir langfristige Erfahrungen in allen relevanten Bereichen – sowohl mit der Strom- als auch mit der Wärmeerzeugung.“

Die Mitteldeutsche Braunkohlengesellschaft (Mibrag) aus Sachsen-Anhalt zählt zu den größten Investments der Prager Firma. Diese Kenntnis des deutschen Marktes sei auch beim Bieterverfahren um die Vattenfall-Kohle in der Lausitz ein Vorteil, erklärt EPH.

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