zum Hauptinhalt
Vor wenigen Tagen sind zum zehnten Mal die Beleuchtungen berühmter Gebäude während der sogenannten "Earth Hour" für eine Stunde abgeschaltet worden. Die Umweltstiftung WWF koordiniert dieses weltweiten Aktionstag wie hier am Brandenburger Tor in Berlin seit Jahren - es ist die wohl größte Klimademonstration des Jahres.
© Gregor Fischer/dpa

Klimapolitik nach dem Pariser Abkommen: Klimapolitische Funkstille in Berlin

Trotz Problemen bei der Einhaltung des Klimaziels will Berlin beim Emissionshandel nicht eingreifen. Dabei hat Umweltministerin Barbara Hendricks in Paris für ein ehrgeiziges Klimaabkommen gekämpft.

Die Bundesregierung nimmt es weiterhin hin, dass der europäische Emissionshandel keinen wesentlichen Beitrag zum Klimaschutz leistet. Das geht aus der Antwort auf eine Kleine Anfrage der Grünen-Klimaexpertin Annalena Baerbock hervor, die dem Tagesspiegel vorliegt. Der aktuelle Preis für die Tonne Kohlendioxid (CO2) liegt bei 4,76 Euro. Seit drei Jahren hat er die Zehn-Euro- Marke nicht mehr überschritten. Dennoch will die Regierung national nicht in das System eingreifen. „Die grundlegenden Vorbehalte der Bundesregierung gegenüber einem nationalen Mindestpreis für CO2 bestehen weiterhin“, heißt es in der Antwort. Dabei sei davon auszugehen, „dass solche Preise im gegenwärtigen Energiepreisumfeld nur einen geringen Einfluss auf die Emissionsentwicklung der Kohleverstromung haben“.
Die Hälfte der deutschen Emissionen wird über den Emissionshandel reguliert. Die gesamte Stromerzeugung aus Kohle und Gas sowie die Industrieemissionen unterliegen dem Handelssystem. Bis 2030 ist allerdings nicht damit zu rechnen, dass vom Emissionshandel nennenswerte Preissignale ausgehen werden. Das hat Sylvain Cail von Enerdata in einer aktuellen Studie über die mögliche Wirkung der sogenannten Marktstabilitätsreserve nachgewiesen. Diese Reserve, in die überschüssige CO2-Zertifikate verschoben werden können, soll erst 2019 eingeführt werden. Die Bundesregierung kündigt in der Antwort lediglich an, sich dafür einsetzen zu wollen, dass die Überarbeitung des europäischen Emissionshandelssystems für die vierte Handelsperiode nach 2020 „die bereits beschlossene Reform nicht schwächt“.

Am 22. April gibt es eine Zeichnungszeremonie für das Pariser Klimaabkommen

Am 22. April will Umweltministerin Barbara Hendricks (SPD) in New York publikumswirksam das Pariser Klimaabkommen für Deutschland unterzeichnen. Der Generalsekretär der Vereinten Nationen, Ban Ki Moon, hatte direkt nach dem Pariser Verhandlungserfolg zu einer Zeichnungszeremonie am UN-Sitz in New York eingeladen. Und das Kabinett hat noch kurz vor Ostern entschieden, dass Barbara Hendricks die deutsche Fahne dort hoch halten soll. Aller Voraussicht nach wird sie dort mit 80 weiteren Regierungsvertretern aus aller Welt zusammentreffen, von denen einige das Abkommen sogar bereits ratifiziert haben: Die Parlamente dreier pazifischer Inselstaaten – Fiji, Palau und die Marschallinseln – haben den Vertrag bereits verabschiedet. Die EU-Kommission ist bisher der Auffassung, dass die europäischen Klimaziele bis 2030 zunächst nicht verändert werden müssten, um das Pariser Abkommen umzusetzen. Allerdings hat diese Einschätzung in einigen Mitgliedsstaaten, bei Klimainitiativen von Unternehmen und in Umweltverbänden Empörung ausgelöst – und wird gerade noch einmal überarbeitet.

Deutschland droht an allen drei Klimazielen für 2020 zu scheitern

Konkret hat aber auch Hendricks in New York wenig vorzuweisen, denn alle drei deutschen Klimaziele bis 2020 sind in Gefahr verfehlt zu werden. Dass der Treibhausgasausstoß bis dahin um 40 Prozent im Vergleich zu 1990 sinkt, ist unwahrscheinlich. 2015 ist der Klimagasausstoß wieder leicht gestiegen, derzeit liegt Deutschland um etwa 27 Prozent unter dem Niveau von 1990. Es sind aber nur noch vier Jahre, um die noch fehlenden 13 Prozentpunkte zu erreichen. In Sachen Energieeffizienz hinkt Deutschland seit Jahren hinter den europäischen Vorgaben her. Derzeit ist ein Vertragsverletzungsverfahren wegen der mangelhaften Umsetzung der Energieeffizienzrichtlinie vor dem Europäischen Gerichtshof anhängig. Und selbst das Ausbauziel für erneuerbare Energien dürfte Deutschland reißen, hat das Öko-Institut jüngst in einem Gutachten für die baden-württembergische Landesregierung herausgefunden, bei dem es um eine Bewertung der Regierungsvorschläge für die neueste Reform des Erneuerbaren-Energien-Gesetzes (EEG) ging.

Klimaschutzplan 2050

Aktuell arbeitet das Umweltministerium an einem Klimaschutzplan 2050, mit dem der Weg zu einer Emissionsminderung um 80 bis 95 Prozent im Vergleich zu 1990 beschrieben werden soll. In der Koalition zeichnet sich ab, dass Hendricks für das ehrgeizigere Ziel eintritt, während sich in der Unions-Fraktion die Stimmen mehren, die das weniger ehrgeizige Mindestziel für ausreichend halten. Allerdings hat das Pariser Klimaabkommen mit seiner Zielvorgabe, die globale Erwärmung deutlich unter zwei Grad, möglichst sogar unter 1,5 Grad im Vergleich zum Beginn der Industrialisierung zu halten, den Druck deutlich erhöht. Aktuell liegt die durchschnittliche Temperatur bereits um ein Grad über dem Wert aus dem Jahr 1750. Seit Monaten liegt der CO2-Gehalt mit mehr als 400 Teilchen pro einer Million Luftteilchen (parts per million) in einem Bereich, den viele Klimaforscher bereits als Höchstmarke für das Zwei- Grad-Ziel sehen.

Dagmar Dehmer

Zur Startseite