Maßnahmen zum Klimaschutz: Bundesregierung beschließt Klimapäckchen
Die Regierung kämpft beim Umweltschutz um ihre Glaubwürdigkeit. Nun sollen neue Maßnahmen den CO2-Ausstoß senken. Doch ob die ausreichen, ist ungewiss.
Umweltministerin Barbara Hendricks strahlt eine Stunde lang, als sie gemeinsam mit Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (beide SPD) die Kabinettsbeschlüsse zur Energie- und Klimapolitik präsentiert. „Auf Deutschland ist Verlass“, sagte sie mit Blick auf den 20. Weltklimagipfel in Lima, der am Montag begonnen hat, und zu dem sie am Wochenende ebenfalls reisen wird. Das deutsche Klimaziel, den Treibhausgasausstoß bis 2020 um 40 Prozent im Vergleich zu 1990 zu senken, „werden wir erreichen“, ist Hendricks überzeugt. Mit dem am Mittwoch vom Kabinett beschlossenen Klimaaktionsprogramm, dem Nationalen Energieeffzienzplan (Nape) und dem ersten Fortschrittsbericht zur Energiewende seit 2011 meint die Regierung ihre klimapolitische Glaubwürdigkeit verteidigen zu können. Die Opposition ist davon weniger überzeugt.
Was hat die Regierung in Sachen Klimaschutz beschlossen?
Insgesamt will die Bundesregierung mit ihrem nun verabschiedeten Programm zwischen 62 und 78 Millionen Tonnen Kohlendioxid (CO2) einsparen. Im Verkehr, der 13 Prozent der deutschen Treibhausgasemissionen verursacht, sollen zwischen sieben und zehn Millionen Tonnen CO2 mehr eingespart werden, als bisher geplant. Den größten Anteil daran hat die Ausweitung der Lkw-Maut auf alle Bundesstraßen. Andere Vorschläge aus dem Verkehrspaket haben dagegen noch große Unsicherheiten. So wiederholt die Regierung ihr Ziel, bis 2020 eine Million Elektroautos auf die Straßen zu bringen. Das Kraftfahrtbundesamt hat im März 2014 gerade mal 12 156 Elektrofahrzeuge gezählt. Dazu kamen noch 85 575Fahrzeuge mit Hybridantrieb. Die Regierung will nun eine „öffentliche Beschaffungsoffensive“ mit Bund, Ländern und Kommunen in Gang setzen, kündigte Gabriel am Mittwoch an. Das werde den Markt in Gang bringen, sagt er. Zudem will die Regierung mit den Ländern über eine steuerliche Abschreibungsmöglichkeit für Elektrofahrzeuge für gewerblich genutzte Fahrzeuge verhandeln. Im Verkehrskapitel finden sich auch altbekannte Forderungen wie Ausbau des Schienenverkehrs, des Personennahverkehrs, eine Förderung des Fahrrad- und Fußgängerverkehrs. Dafür wurde jedoch weder ein Konzept vorgelegt, noch Geld eingeplant.
Gewerbe und Abfallwirtschaft könnten ihren Treibhausgasausstoß um weitere drei bis 7,7 Millionen Tonnen senken, erwartet Hendricks. Die Landwirtschaft soll ihre Emissionen um 3,6 Millionen Tonnen senken. Das wird mit der in der Regierung gerade heiß diskutierten Düngeverordnung erreicht. Wird weniger gedüngt, entsteht auf dem Acker weniger Lachgas, ein sehr wirksames Treibhausgas. Zudem wird weniger Energie für die Produktion von Kunstdünger verbraucht.
Was ist mit den Kohlekraftwerken?
Weitere zusätzliche 22 Millionen Tonnen CO2-Einsparung soll die Stromwirtschaft liefern. Dieser Punkt ist besonders umstritten. Und hier hantiert jede Interessengruppe mit anderen Zahlen. Weil der europäische Emissionshandel seit Jahren mit mehreren Milliarden Tonnen CO2 zu viel ausgestattet ist, geht vom zentralen europäischen Klimainstrument keinerlei klimapolitische Wirkung aus. Zusätzlich dazu sind die Kohlepreise auf dem Weltmarkt massiv gesunken. Das Ergebnis: Es wird mehr Kohle in der Stromproduktion verbrannt. In Deutschland hatte das in den Jahren 2012 und 2013 die Folge, dass der CO2-Ausstoß zum ersten Mal seit Jahren wieder gestiegen ist. Dennoch hat Hendricks Vorgänger als Umweltminister, Peter Altmaier (CDU), 2013 an die EU-Kommission gemeldet, dass die CO2-Emissionen aus der Stromwirtschaft bis 2020 von derzeit 377 Millionen Tonnen auf 306 Millionen Tonnen sinken würden. Schon ohne die zusätzlichen 22 Millionen Tonnen CO2 tut sich der Stromsektor schwer, die im Prognosebericht erwartete Minderung von 771 Millionen Tonnen zu erbringen. Zwar haben die deutschen Energiekonzerne knapp 60 Kraftwerke zur Stilllegung angemeldet. Das brächte eine CO2-Einsparung von 30 Millionen Tonnen. Gabriel kündigte für das kommende Jahr trotzdem ein Gesetz an, das die Stromwirtschaft zu einer zusätzlichen Minderung von 22 Millionen Tonnen CO2 verpflichten soll.
Was steht im Nationalen Effizienzplan?
Der wichtigste Beitrag zum Klimaaktionsprogramm ist der ebenfalls am Mittwoch beschlossene Effizienzplan. Allein er soll bis 2020 eine Minderung des Kohlendioxid-Austoßes um 25 bis 30 Millionen Tonnen liefern. Um Energieeinsparungen zu erreichen, sollen eine Reihe neuer Ideen ausprobiert werden. Dazu gehören Ausschreibungen zum Stromsparen, die die Unternehmerinitiative Energieeffizienz Deneff ausdrücklich lobt. Das Kernstück des Plans ist aber eine Aufstockung des Sanierungsprogramms der bundeseigenen KfW-Bank um 200 Millionen Euro auf jährlich zwei Milliarden Euro. Zudem will die Regierung mit den Bundesländern über steuerliche Abschreibungsmöglichkeiten für die energetische Sanierung verhandeln. Für Einzelmaßnahmen wie den Austausch eines Heizkessels sollen zehn Prozent der Gesamtinvestition über einen Zeitraum von zehn Jahren abgeschrieben werden können. Bei einer umfassenden Sanierung, die auch den Austausch der Fenster und die Wärmedämmung umfasst sind es 25 Prozent.
Wie sollen die Steuererleichterungen für die Gebäudesanierung bezahlt werden?
Um die Sanierungsanreize für Hausbesitzer zu finanzieren und die Steuerausfälle für die öffentliche Hand zu begrenzen, sollen nur noch Handwerkerleistungen oberhalb von 300 Euro von der Steuerschuld abziehbar sein. Bisher können Steuerzahler bis zu 6000 Euro im Jahr geltend machen, 20 Prozent davon – also 1200 Euro – können dann direkt von der Steuerschuld abgezogen werden. Davon profitieren nicht nur Hauseigentümer, sondern auch Mieter. Diese werden nun doppelt zur Kasse gebeten: Zum einen, indem ihre Miete steigt, weil der Vermieter die Sanierungskosten auf die Mieter umlegen kann, zum anderen durch die Kürzung beim Handwerkerbonus. „Das könnte die Schwarzarbeit um bis zu eine Milliarde Euro in die Höhe treiben“, sagte der Schwarzarbeitsexperte Friedrich Schneider von der Universität Linz dem Tagesspiegel. Schneider bezifferte die Schwarzarbeit auf dem Bau und in Handwerksbetrieben derzeit auf 131,4 Milliarden Euro. Kritik kommt auch von Steuerexperten. „Das ist eine Steuererhöhung für viele, um die Hauseigentümer zu entlasten“, sagte Uwe Rauhöft, Geschäftsführer des Neuen Verbands der Lohnsteuerhilfevereine. Handwerkspräsident Hans Peter Wollseifer kritisiert das Ausspielen des Steuerbonus gegen die Förderung der Effizienz.
Hört die Regierung auf die Experten, die seit 2011 ihre Berichte vorlegen?
Drei wesentliche Kritikpunkte der sogenannten Monitoringgruppe hat die Regierung aufgegriffen. Sie hat mit dem Klimaprogramm und dem Nape die größten Schwachpunkte angepackt. Die Experten hatten außerdem mehrfach moniert, dass die Ziele der Energiewende sich teilweise widersprechen und es keine Hierarchie gibt. Das hat die Regierung im Fortschrittsbericht nun aufgegriffen. Die Hauptziele der Energiewende sollen sein, das Klimaziel bis 2020 zu erreichen, und den Atomausstieg bis 2022 abzuschließen. Alle anderen Ziele sollen dem untergeordnet werden.