Gemeinschaftsbüros: Am Potsdamer Platz entsteht der größte Coworking-Space in Deutschland
Das US-amerikanische Startup „WeWork“ will im Sommer 2018 eine 13 000 Quadratmeter große Fläche beziehen. Auch in Spandau und Adlershof sprießen neue Büros aus dem Boden.
Wie auf den Wohnimmobilienmärkten, so wird in der deutschen Hauptstadt derzeit auch ein großes Rad gedreht, wenn es um Büro- oder Gewerbeflächen geht. Einer der weltweit führenden Anbieter von Coworking-Flächen – Büros, die zeitweise gemietet werden können – hat in dieser Woche gleich 14 Etagen am Potsdamer Platz gemietet. Dies zeigt nicht nur die weiter zunehmende Attraktivität Berlins als Unternehmensstandort. Eine der größten Einzelvermietungen des Jahres auf dem Berliner Büroimmobilienmarkt lenkt den Blick auch auf ein wachsendes Nischenprodukt im Immobilienmarkt und auf einen Umbruch in der Bürolandschaft.
„WeWork“, so der Name des US-amerikanischen Unternehmens, will die Flächen am Potsdamer Platz – 13 000 Quadratmeter – im Sommer 2018 nach Abschluss einer Umbauphase im unternehmenseigenen Design beziehen. Damit entsteht am Potsdamer Platz die umfangreichste Coworking-Fläche in Deutschland.
Der Bedarf an flexiblen und kreativen Arbeitsplätzen nimmt nach Einschätzung WeWorks weiter deutlich zu. Etablierte Unternehmen suchen den engen Kontakt zu innovativen Thinktanks und werden deshalb bewusst Mitglieder in Communities für kollaborative Arbeitsumgebung, um den Austausch mit jungen Unternehmen zu forcieren. „Corporate Coworking ist ein Zukunftsmodell für viele Unternehmen, insbesondere auch dann, wenn diese ihre Innovationskraft stärken wollen“, sagt Klaus-Peter Stiefel, einer der Autoren der gegen Ende November vom Fraunhofer IAO veröffentlichten Studie „Coworking – Innovationstreiber für Unternehmen“.
Diese Orte sind „besser als Home Offices“
Doch das ist nur ein Aspekt. „Zu fünfzig Prozent werden Coworking Spaces von Corporates, Firmenkunden also, angemietet“, sagt Markus Diekow, Sprecher des Unternehmens CA Immo, ein Immobilienunternehmen, das seine Erträge aus der Vermietung, der Entwicklung und dem Verkauf von Gewerbeimmobilien erwirtschaftet. CA Immo entwickelt gleich mehrere neue Projekte in der Europacity, darunter ein Hochhaus (der Tagesspiegel berichtete) und das 120 Meter lange Bürogebäude „MY.B“ (= My Base und My Berlin). CA Immo, in Berlin der größte Entwickler von Flächen, hat für dieses spekulativ erst noch zu errichtende Gebäude bereits mehrere Offerten von Coworkingunternehmen zum Verkauf erhalten. „Coworking-Flächen sind gefragt, weil sie Flexibilität in der Mietfläche bringen“, sagt Diekow. „Gefragt sind Strukturen, die atmen können.“ Außerdem seien diese „alternativen Arbeitsorte“ gut für die Mitarbeiterbindung: „Extrem gut“, sagt Diekow, „besser als Home Offices.“ Natürlich sind diese Orte auch gut für das Anwerben neuer Talente, Stichwort Recruiting.
„Mittelfristig wird das Segment Coworking ein fester Bestandteil des Bürovermietungsmarktes in Deutschland sein und hier als dritte Säule zwischen Bestandshaltern und Projektentwicklern fungieren“, sagt Marcus Mornhart, Managing Director/Head of Agency Germany von Savills, einem international aufgestellten Immobiliendienstleister. „Die Schallgrenze ist noch nicht erreicht, da die Märkte gerade erst die Möglichkeiten und potenziellen Erweiterungen entdecken.“ Das gilt selbstverständlich auch für Mornharts Unternehmen. Savills will in Kürze eine Plattform launchen. Mit nur wenigen Klicks sollen Freiberufler, Start-ups und Konzerne hier den passenden Anbieter mit der Fläche finden, die sie benötigen.
Klassische Unternehmen suchen neue Inspirationen
Auf Coworkingangebote hat sich zum Beispiel das Unternehmen „Design offices“ spezialisiert. Es wurde 2008 von Michael O. Schmutzer gegründet. Er bezeichnet sich inzwischen als einer der wichtigsten Pioniere des New Work. Der Anbieter von Working Spaces“ betreibt bereits 21 Standorte, mehrere natürlich auch in Berlin. Unter den Linden und Am Zirkus, direkt neben dem Berliner Ensemble, werden Flächen angeboten. Ein Coworking-Desk ist in mehreren Kategorien zu haben, von small bis large. Die Kosten (warm): von 290 Euro pro Monat bis 490 Euro. „Als Nummer eins beim Thema Coworking in Deutschland verschaffen wir Unternehmen und Coworkern die Flexibilität, die sie brauchen, um heute Außergewöhnliches zu leisten“, so die PR-Texter von Design Offices. 2018 soll es den ersten Standort in Leipzig geben, mit 6000 Quadratmetern.
Hier wird es für Innenarchitekten interessant. Ein Berliner Büro, das sich seit Jahren intensiv mit dem Thema Arbeitsumfeld beschäftigt, ist „De Winder Architekten“. Firmengründer Klaus de Winder bestätigt den Befund von CA Immo: „Zunehmend wenden sich klassische Unternehmen dorthin, um neue Inspirationen zu bekommen oder um mit einem überschaubareren Büroraum, ohne lange Mietlaufzeiten, an der Berliner Dynamik teilzuhaben.“ Große Unternehmen im Markt sind neben WeWork auch Mindspace, Rent24, AllOfficecenters, WorkRepublic und Regus mit Sitz in Luxemburg, die dieses Modell schon seit Jahren pflegen. „Damals hieß es noch ,flexible Bürolösungen‘“, sagt de Winder. Als lokale Größen haben sich das Betahaus und die Factory Berlin etabliert.
Eine Cafeteria, ein großzügiger Lounge-Bereich sind Pflicht, da die Mitarbeiter flexibel und teilweise rund um die Uhr arbeiten. Das gleiche gilt für Fitnessangebote, die sich am besten im selben Objekt befinden sollten. Sehr gefragt sind auch Fahrradparkplätze – noch vor dem klassischen Stellplatz fürs Auto. „Wenn ich nicht nur nach Feierabend, sondern auch zwischendurch Fitnessstudios, Grünflächen, zahlreiche Cafés, Restaurants und vielfältige Einkaufsmöglichkeiten fußläufig ansteuern kann, dann ist das ein großes Plus für die Mitglieder von Coworking-Communities“, sagt Karl L. Wambach, Geschäftsführer Brookfield Properties Germany GmbH.
Kreuzberg und Mitte sind Spitzenreiter
Coworking-Flächen in Berlin konzentrieren sich vor allem in Mitte und Kreuzberg, in der City West rund um den Zoo und im Ostteil der Stadt am Alexanderplatz. „Außerhalb dieser Kernlagen entwickeln sich Spandau und Adlershof mit zahlreichen Neubauprojekten zu potenziellen Coworking-Standorten“, beobachtet Aissatou Frisch-Baldé, Teamleitung Büroflächenvermietung bei Engel & Völkers Commercial Berlin. „Der Coworking-Markt in Berlin ist definitiv ein Wachstumsmarkt, eine Sättigung ist in absehbarer Zeit nicht in Sicht“, sagt die Agentin.
Dies wird nicht nur durch die Anmietung von „WeWork“ am Potsdamer Platz bestätigt. In dieser Woche wurde hier eine weitere Anmietung bekannt geben: „Primalbase“, ein internationaler Shared-Workspace-Anbieter, hat sich rund 800 Quadratmeter Büroflächen am Potsdamer Platz 11 gesichert. Primalbase (www.primalbase.com) will die Büroflächenvermietung zu einem Community-Modell weiterentwickeln: Mitglieder können Büroflächen teilen, kaufen oder mieten, indem sie digitale Primalbase-Tokens (PBT) nutzen. Die Tokens werden über Kryptowährungen wie Bitcoin, Ethereum und Waves erworben. Mitglieder erhalten damit Zugang zu den Primalbase-Offices an Tech-Standorten weltweit.
In Europa liegt Berlin auf Rang zwei
Auf globaler Ebene liegt Berlin im Segment Coworking Spaces auf dem dritten Platz, in Europa sogar auf Rang zwei hinter London. Das hat Savills herausgefunden. Die immense Nachfrage spiegele sich auch in den Zahlen der vergangenen Jahre wider, teilt das Unternehmen mit Börsennotierung in London auf Anfrage mit. „Während 2014 noch 38 Anbieter am Markt aktiv waren, sind es in diesem Jahr bereits 110“, sagt der Leiter der deutschen Savills-Niederlassung, Marcus Mornhart.
Detailliertere Analysen für den Berliner Markt liegen noch nicht vor. Immerhin haben Jones Lang LaSalle SE (JLL) im Oktober schon einmal den Hamburger Markt näher betrachtet („Nur ein Hype oder auf dem Weg zum etablierten Bürokonzept?“). Das Fazit dürfte auch für Berlin gültig sein: „Der Boom von Coworking wird aller Voraussicht nach weiter anhalten. Die Mischung aus besonderer Arbeitsweise, hoher Flexibilität und Büroflächenmangel spielt Coworking in die Hände. Kritisch ist aber zu sehen, wie viele anmietbare Arbeitsplätze in kurzer Frist neu geschaffen werden. Hier sind über kurz oder lang Konsolidierungen und Übernahmen zu erwarten, falls sich die Anbieter gegenseitig kannibalisieren.“ Flixbus und Co. lassen grüßen.