Coworking-Riese WeWork: Ein Schreibtisch in den Metropolen der Welt
Die Coworking-Kette WeWork ist zu einem der wertvollsten Start-ups der Welt aufgestiegen. Nun verdoppelt das Unternehmen seine Berliner Ableger und plant mehr.
Miguel McKelvey hat den Überblick verloren. Ist der Co- Gründer von WeWork nun das zweite oder schon das dritte Mal zu Besuch in Berlin? Egal. „Der Blick ist immer wieder großartig“, sagt McKelvey, als der gläserne Fahrstuhl in die zehnte Etage des Sony Centers fährt und sich das Panorama über Tiergarten und Reichstag eröffnet.
WeWork betreibt weltweit mehr als 170 Standorte
Es ist auch gar nicht so einfach für McKelvey, noch den Überblick über sein Reich zu behalten, schließlich ist der Amerikaner Herr über das größte Coworking-Imperium der Welt. Mehr als 170 dieser hippen Großraumbüros für Gründer und Kreative betreibt das Unternehmen aus New York. Und im Monatstakt kommen neue hinzu. So öffnet am heutigen Mittwoch das nächste WeWork- Center in Berlin am Ku’damm, der vierte Standort am Potsdamer Platz folgt im Dezember. Und damit soll noch lange nicht Schluss sein. „Wir werden weiter schnell expandieren in Berlin, aber auch vielen anderen Orten“, sagt McKelvey.
Der Konzern setzt dabei auf das Starbucks-Prinzip: So wie die Fans der Kaffeekette fast überall auf der Welt ihren vertrauten Lieblingslatte ordern können, sollen die mobilen Arbeiter von heute auch im Ausland überall einen Schreibtisch zur Verfügung haben. Denn die Mieter bei WeWork heißen Mitglieder.
Damit verändert sich allerdings auch das Prinzip des Coworking. Vor zehn Jahren, als Sascha Lobo sein Buch über die „Digitale Boheme“ verfasste, saß diese noch mit ihren Laptops bei Starbucks oder in anderen Cafés. Das bekannteste ist das „St. Oberholz“ am Rosenthaler Platz, wo Start-ups wie Soundcloud entstanden sind. Ursprünglich wurde den Nutzern zum Latte Macchiato noch kostenloses W-Lan geboten und der Tisch im Café so zur Büroalternative. Dann erweiterten die Macher das Konzept und die Räumlichkeiten und boten richtige Coworkingplätze an Tischen im Großraum an, die gegen Monatsgebühr gemietet werden können. Das solidarische Ursprungsmodell funktioniert dagegen nicht mehr gut: Da die verbliebenen Freiberufler über Stunden an einem Kaffee nippten und manche gar eigene Speisen mitbrachten, schaffte das Oberholz das Selbstbedienungskonzept ab. Nun fragen Kellner nach, ob die Kreativen nicht noch einen Koffeinschub bräuchten.
Starbucks des Coworking
Doch so wie Starbucks inzwischen weltweit alteingesessenen Caféhäusern Konkurrenz macht, breiten sich auch Coworking-Ketten wie Mindspace und WeWork aus. Als die Amerikaner im vergangenen Jahr nach Deutschland kamen, schimpfte Ansgar Oberholz über die „Kommerzialisierung des Coworking“. Die großen Ketten würden Coworking nur als Marketingetikett benutzen, um teure Büroeinheiten zu verkaufen und den Mietern einen „Distinktionsgewinn“ zu vermitteln. Zudem würde die eigentliche Idee aufs Spiel gesetzt, denn statt geteilten Tischen würden dort abgetrennte Büros dominieren. Tatsächlich teilen sich die Nutzer der modernen Coworking-Flächen eher Büroetagen als Tische. So individuell WeWork & Co. ihre Räume auch mit Flohmarktflair, Blümchentapeten, Street-Art-Kunst und Sofas ausstaffieren, es dominieren doch die kleinen Glaskästen, in denen sich außer ein paar Tischen und Stühlen nicht viel befindet.
Und an den Scheiben kleben neben den Namen von Start-ups und Unternehmen in Gründung immer öfter die Logos von VW, Lufthansa, Bacardi oder Axa. Denn längst haben die Konzerne den Reiz der hippen Arbeitsstätten erkannt und quartieren ganze Digitalisierungseinheiten ein. „Banken müssen heute um die gleichen Talente werben wie Airbnb und Facebook“, sagt McKelvey. „Doch wer die gewinnen will, braucht eine coole Arbeitsumgebung.“ Bei mehr als 20 Prozent liegt der Anteil der Unternehmenskunden bei WeWork inzwischen und es ist das am schnellsten wachsende Segment.
Denn während mancher Freiberufler zweimal rechnen muss, ob er sich den Arbeitsplatz dort leisten kann, sind die Angebote für global operierende Konzerne besonders attraktiv. Schließlich können WeWork-Mitglieder in allen 18 Ländern arbeiten und haben so auf Dienstreisen gleich ein Büro vor Ort. Das hat jedoch seinen Preis: Bei 300 Euro im Monat geht es los, dafür gibt es einen sogenannten „hot desk“, also das Recht sich einen Platz in der Gemeinschaftslounge zu suchen. Konferenzräume kosten 20 Euro pro Stunde, ein Arbeitsplatz an anderen Standorten noch mal 50 Dollar pro Tag. Auch bei den global steigenden Immobilienpreisen lohnt sich das Geschäft für WeWork. Nach Schätzungen liegt die Marge bei der Weitervermietung zwischen 30 und 60 Prozent.
20 Milliarden Dollar: WeWork gehört zu den wertvollsten Start-ups der Welt
Das haben auch Investoren erkannt. Mit einem Firmenwert von mehr als 20 Milliarden Dollar gehört WeWork inzwischen zu den wertvollsten Start-ups der Welt und spielt in einer Liga mit Elon Musks Raketenfirma SpaceX. Im August hat der japanische Telekommunikationsriese Softbank die enorme Summe von 4,4 Milliarden Dollar in das Unternehmen investiert. In einem neuen Joint-Venture soll das Unternehmen massiv in Asien expandieren.
Das Potenzial haben auch andere Unternehmen erkannt, und so werben immer mehr Coworking-Anbieter um die Klientel. Allein in Berlin gibt es schon mehr als hundert Standorte. WeWork lässt sich davon nicht abschrecken. „Der Markt wächst stärker als jeder von uns“, sagt McKelvey. Viele Standorte seien schon kurz nach der Eröffnung ausgebucht. Zudem gebe es oft ein internes Wachstum, da Start-ups, die mit zwei, drei Gründern einziehen, dann oft nach weiteren Plätzen für zusätzliche Mitarbeiter fragen.
So ist die Nachfrage nach größeren Flächen gestiegen. „Als wir gestartet sind, waren Büros für sechs, acht oder zwölf Leute schon groß“, sagt McKelvey. Inzwischen seien aber auch Mieter mit 20, 40 oder gar 100 Plätzen nichts Besonderes.
„Jedes Bürogebäude in einer Stadt ist unser Konkurrent“
Als Wettbewerber sieht er daher statt anderen Coworking-Anbietern auch eher traditionelle Immobilienanbieter. „Jedes Bürogebäude in einer Stadt ist unser Konkurrent“, sagt der Zweimetermann und frühere Basketballer McKelvey. Denn das Unternehmen agiert inzwischen auch als moderner Immobiliendienstleister, der von der Standortsuche bis zum Gebäudemanagement alle Aufgaben übernimmt. So managt der Konzern für IBM ein ganzes Gebäude im New Yorker Stadtteil Greenwich Village oder betreibt die Büros von Amazon in Boston oder Airbnb in Berlin. Zudem arbeitet das Unternehmen sogar als Berater. „Wir helfen auch bei der Umgestaltung von traditionellen Firmenzentralen“, sagt McKelvey.
Es sind beispielsweise Banken, die den Rat des gelernten Architekten und seines Teams suchen. Die kleinen, mit Bildschirmen vollgestopften Würfel, in denen Wallstreet-Banker in Sekundenbruchteilen über Millionenorders entscheiden, bezeichnet er als „brutale, unmenschliche Orte“. Grundsätzlich ändern lassen die sich kaum. „Doch oft reichen Kleinigkeiten, um ein bisschen Menschlichkeit an den Arbeitsplatz zu bringen“, meint McKelvey. Telefonkabinen zum Beispiel. Denn nicht einmal die haben viele Wallstreet-Broker und würden sich bei privaten Gesprächen aber gerne hinter Säulen oder Pflanzen verstecken.
Berlin hat Potenzial für 20 WeWork-Standorte
Doch auch im Kerngeschäft gibt es noch genug Potenzial. Schließlich soll es in Zukunft WeWork in jeder größeren Stadt der Welt geben. Auch in Berlin will WeWork noch deutlich stärker wachsen. Berlin habe ein ähnliches Potenzial wie London, glaubt der Gründer. Dort haben die Amerikaner gerade Standort Nummer 20 eröffnet.
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