Beratungsbus für Hartz-IV-Empfänger: Hilfe für den Ärger mit dem Amt
Berliner Jobcenter genießen einen fragwürdigen Ruf, bei vielen Anträgen und Bescheiden bleiben Fragen offen. Nun tourt ein Beratungsbus durch Berlin.
Wer jemals Unterstützung von einem Amt gesucht hat, wird die Antrags- und Bescheidverwirrungen kennen. Gerade Berliner Jobcenter haben einen schlechten Ruf, wenn es um Effizienz, Transparenz und Verständlichkeit geht. Laut Sozialgesetzgesetzbuch sind Jobcenter zur Beratung verpflichtet, das geschieht jedoch in den Augen vieler Leistungsempfänger unzureichend. Und der Senat stellt keine Haushaltsmittel für andere Beratungsstellen zur Verfügung; entsprechend selten sind diese.
Eine Ausnahme macht der Beratungsbus des Berliner Arbeitslosenzentrums (BALZ). Dank Unterstützung von den Wohlfahrtsverbänden, vom Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB), der Landesarmutskonferenz und mehreren evangelischen Kirchenkreisen tourt der Beratungsbus bis zum 11. September von einem Jobcenter zum nächsten, um Ratsuchende direkt vor dem Amt zu unterstützen; bis Ende dieser Woche steht er vor dem Jobcenter Treptow-Köpenick. Sozialarbeiter und Anwälte beantworten kostenlos Fragen, prüfen Bescheide und geben juristische Unterstützung. In den ersten drei Wochen wurde das Angebot über 500 Mal wahrgenommen. Frank Steger, Vorsitzender des BALZ und Koordinator der Aktion, erläutert die häufigsten Sorgen und Beschwerden der Ratsuchenden:
Die neue Vorschrift für Mietkostenübernahmen ist unzureichend
„Rund 65 000 Berliner Familien, die Hartz IV beziehen, können ihre Miete und Heizung nicht mit dem dafür vom Amt überwiesenen Geld bezahlen – vor allem Familien mit Kindern“, sagt Steger mit Blick auf eine Studie des Stadtforschungsinstituts Topos. Den Betroffenen bleiben in dem Fall zwei Optionen: entweder den fehlenden Rest der Mietkosten irgendwie anders aufbringen oder umziehen. Da aber in Berlin die Bestandsmieten deutlich unter den Neumieten liegen, wird die zweite Möglichkeit zunehmend unrealistisch.
Seit dem 1. Juli gilt eine neue Ausführungsvorschrift für die Mietkostenübernahme, weil alle seit 2005 eingeführten Verordnungen nach und nach von Sozialgerichten gekippt worden waren und somit keine Rechtssicherheit für die Mieter mehr herrschte. Die neue Vorschrift soll das beheben. Doch erstens ist sie laut Stegner unzureichend. Und zweitens wird sie bei den Jobcentern nicht einmal eingehalten: Kein einziger der von der Beratungsstelle gesichteten Bescheide wies die neuen Werte aus. Das ist jedoch nicht der einzige Punkt, bei denen die Jobcenter ihre eigenen Regeln nicht einhalten.
Hilfesuchende beklagen überlange Bearbeitungszeiten
Hilfesuchende beschwerten sich bei den Beratern vor fast jedem Jobcenter über die Bearbeitungszeiten. Steger zählt Beispiele auf von Anträgen, die über fünf Monate unbeantwortet blieben. Anträge müssen jedoch nach drei, Widersprüche nach sechs Monaten bearbeitet sein. Die Beratung des BALZ rät dazu, dem Amt bei überlangen Bearbeitungszeiten eine neue, kürzere Frist zu setzen, bei Nichteinhaltung eine Untätigkeitsklage einzureichen. In den letzten Jahren sind diese Klagen zurückgegangen, doch „wir wären nicht überrascht, wenn die Zahl der Untätigkeitsklagen demnächst wieder zunehmen würde“, sagte Steger.
In den Jobcentern herrscht Personalmangel
Bei der Kommunikation mit dem Amt müsse darauf geachtet werden, sich für eingereichte Dokumente eine Eingangsbestätigung zu holen. Viele Ratsuchende berichteten von spurlos verschwundenen Anträgen. „Wir raten dazu, Unterlagen nicht einfach in den Hausbriefkasten zu werfen, sondern in der Eingangszone gegen eine schriftliche Bestätigung abzugeben.“ Die Probleme entstünden vor allem durch die Umstellung des Bearbeitungssystems innerhalb der Behörde, sagt Steger, „außerdem herrscht in den Jobcentern immer noch akuter Personalmangel und heftiger Druck auf den Mitarbeitern“. In einem Fall erhebt das BALZ, das mittlerweile eng mit den Leitungen der Jobcenter zusammenarbeitet, jedoch schwere Vorwürfe:
"Wir vermuten System dahinter"
Der Regelsatz für Hartz-IV-Empfänger beträgt 399 Euro, er markiert das Existenzminimum. Doch gerade wer arbeitet und sein Gehalt gelegentlich mit Leistungen vom Amt aufstockt, gerät regelmäßig unter diesen Wert. Steger berichtet von einer ratsuchenden Frau, die im Catering arbeitet und je nach Auftragslage bezahlt wird. Dadurch verdiene sie manchmal 600 Euro, manchmal jedoch gar nichts. Das Jobcenter errechnet einen Durchschnittswert aus den schwankende Einkommen der vergangenen Monate. Im konkreten Fall hatte die Frau zuletzt keine Arbeitseinsätze, verdiente nichts und bekam vom Jobcenter dann den Durchschnittswert 250 Euro überwiesen – 149 Euro unter dem Existenzminimum.
Das geschehe so häufig, dass er nicht an Zufall glaube, sagt Steger. „Wir vermuten System dahinter.“ Für Jobcenter sei es weniger aufwendig, Geld nachzuzahlen, als zu viel gezahltes Geld einzutreiben. „Dieses kaufmännische Denken widerspricht der sozialen Aufgabe, die die Jobcenter einnehmen“, meinte Steger.
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