Zunächst nur 10.000 Euro statt 75 Prozent: Firmen beklagen unzureichende Zahlungen bei Novemberhilfen
Statt der Umsatzerstattung bekommen Firmen zunächst nur einen Abschlag vom Staat, der Rest könnte erst im Januar kommen. Das schafft akute Probleme.
Firmen, die auf eine baldige Auszahlung des sogenannten Novemberhilfen gehofft haben, dürften enttäuscht sein. Zwar sind die ersten Zahlungen, wie von der Bundesregierung versprochen, am vergangenen Freitag geflossen. 75 Prozent des Umsatzes des Vorjahresmonats landeten allerdings nicht auf den Konten; mit dieser Zahl werden die Novemberhilfen in der Öffentlichkeit untrennbar verbunden.
Stattdessen erhielten die vom Teil-Lockdown betroffenen Unternehmen zunächst nur eine Abschlagszahlung in Höhe von maximal 10.000 Euro, Soloselbstständige 5000 Euro. Bei einigen Firmen deckt diese Summe nicht mal die Miete für November ab.
„Die Leute haben Angst“, sagte ein Steuerberater, der namentlich nicht genannt werden will, dem Tagesspiegel. Viele Firmen könnten damit ihre Mitarbeiter im November nicht bezahlen, denn auch wenn sie Kurzarbeitergeld beantragt haben, müssen die Gehälter zunächst vorgestreckt werden.
„Wenn man sechsstellige Summen beantragt hat und dann 10.000 Euro vorfindet, können Sie sich ja vorstellen, wie die Stimmung ist“, so der Steuerberater. Zwar sei von Anfang an kommuniziert worden, dass es nur mit Abschlagszahlungen losgehe. Dass das restliche Geld aber erst im nächsten Jahr kommt, sei nicht klar gewesen und habe für reichlich Unmut bei den Firmen gesorgt.
Novemberhilfe im Januar
Doch genau so könnte es kommen. Immer mehr wird deutlich, dass die Bundesregierung bei den Coronahilfen mit Problemen kämpft. Ob die Unterstützung noch in diesem Jahr fließen kann, ist unsicher, wie Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) bei einer Konferenz mit seinen Länderkollegen einräumen musste.
In der Bundesregierung schließt man nicht aus, dass es 2020 bei den Abschlagszahlungen bleiben wird. In Regierungskreisen hält man es durchaus für möglich, dass die Novemberhilfe doch eher im Januar ausgezahlt wird. Und die für den Dezember dürfte sich in den Februar ziehen. Wirtschaftsverbände beklagen sich lautstark über die Verzögerungen und verweisen auf den dringenden Liquiditätsbedarf vieler Betriebe.
Im Wirtschaftsministerium (BMWi) verweist man darauf, dass von Anfang an auf die Abschlagszahlungen zu Beginn der Auszahlungsphase hingewiesen wurde. „Alle Ankündigungen wurden exakt so umgesetzt. Wir haben hart daran gearbeitet und Wort gehalten“, heißt es aus dem Hause Altmaiers.
[Wenn Sie alle aktuellen Entwicklungen zur Coronavirus-Pandemie live auf Ihr Handy haben wollen, empfehlen wir Ihnen unsere App, die Sie hier für Apple- und Android-Geräte herunterladen können.]
Mit Stand von des 2. Dezembers seien insgesamt 85.343 Anträge auf Novemberhilfe eingegangen. Davon entfallen laut dem Ministerium 26.583 auf Direktanträge von Soloselbständigen und 58.760 auf Anträge über prüfende Dritte, wie zum Beispiel Steuerberater. Bei knapp 90 Prozent der Direktanträge von Soloselbständigen wurden bereits die Abschlagszahlungen veranlasst, teilt das BMWi mit. Bei den über Steuerberater gestellten Anträgen seien bei knapp 75 Prozent die Abschlagszahlung veranlasst worden. Diese Zahlen wertet man dort als Beleg dafür, dass „die Gelder schnell und unbürokratisch ausgezahlt werden“.
Es hängt laut BMF nur an der Technik
Laut dem Bundesfinanzministerium (BMF) hängt der Zeitpunkt der Auszahlung der gesamten Gelder lediglich an der Technik. „Der beauftragte IT-Dienstleister führt hierzu derzeit unter hohem Zeitdruck die entsprechenden Programmierarbeiten für das Fachverfahren zur Bewilligung von Anträgen in den Bewilligungsstellen der Länder durch“, sagte ei Sprecher dem Tagesspiegel.
Aber nicht nur die Technik macht Probleme, es gibt auch noch juristische Hürden. Die Bundesregierung verhandelt mit der EU-Kommission über beihilferechtliche Genehmigungen. Vor allem bei höheren Summen für Firmen gibt es nach wie vor Konfliktpotenzial. Völlig unproblematisch sind nur Hilfen bis zu einer Million Euro – wobei bereits im Frühjahr und Sommer geleistete staatliche Unterstützung mitgerechnet wird. Damit können mittlere und größere Unternehmen schnell an diese Grenze stoßen. Für Zahlungen von mehr als vier Millionen gibt es hingegen noch keine Genehmigung. Für alles dazwischen arbeitet die Regierung an einem Hilfskonstrukt.
"Das funktioniert nicht immer gut"
Rund 15 Milliarden Euro plant Scholz für die Hilfe im November ein. Im Dezember dürften pro Woche Lockdown rund 4,5 Milliarden Euro hinzukommen. Unterstützung in diesen Dimensionen ruft auch Brüssel auf den Plan. Die EU-Kommission wacht darüber, dass Staatshilfen nicht den Wettbewerb im europäischen Binnenmarkt verzerren. In der Pandemie zeigt sich die Brüsseler Behörde bisher großzügig mit Genehmigungen – und sieht sich deshalb nicht als Verursacher von Verzögerungen. So soll Finanzminister Scholz laut dem „Handelsblatt“ in internen Beratungen zunächst Hinweise auf mögliche beihilferechtliche Probleme beiseitegeschoben haben.
Auch Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller gab Schwächen bei den Coronahilfen zu. „Wir bemühen uns händeringend, das zu organisieren und ich gebe zu, das funktioniert nicht immer gut“, sagte er im rbb. Von einem „Desaster“ sprach Schleswig-Holsteins Wirtschaftsminister Bernd Buchholz (FDP) mit Blick auf die Unsicherheit bezüglich der Genehmigung der EU.
In der Bundesregierung spielt man den Vorwurf direkt zurück und verweist darauf, dass man für die Abwicklung der Abschlagszahlungen zuständig sei, alles Weitere aber über die Länder laufe. In der Großen Koalition steigt deshalb die Ungeduld. „Die EU bringt stur ein Beihilfesystem zur Anwendung, das für Schönwetter-Zeiten gemacht ist“, sagte CSU-Generalsekretär Markus Blume dem „Handelsblatt“. „Jetzt haben wir absolute Ausnahmezeiten und brauchen deshalb praxisnahe Ausnahmen.“ Altmaier und Scholz gehen weiterhin davon aus, dass die Hilfen unproblematisch gezahlt werden können. Nur wann – das ist die Frage.
Thorsten Mumme