Anonymen Kundenkarten: Einkaufen ohne Namen
Berlin ist Testmarkt für die anonyme Kundenkarte – als Alternative zu Payback und Co
Wer in Geschäften nicht ausschließlich mit Bargeld zahlt, hinterlässt eine Datenspur. Damit können Fremde – theoretisch – ein Profil der Persönlichkeit und individuellen Bedürfnisse rekonstruieren. In Berlin laufen derzeit mindestens zwei Feldversuche, um diese Spur zu verschleiern – etwa mit einer anonymen Kundenkarte. Sowohl die Lebensmittelkette Kaiser’s wie auch das Start-up-Unternehmen Gerabo experimentieren jeweils mit einer Rabattkarte, die dem Handel hilft, Kundenbedürfnisse zu erkennen – ohne Rückschlüsse auf die Identität des Benutzers ziehen zu können.
Jeder Deutsche besitzt vier bis fünf Kundenkarten
Rund vier bis fünf Kundenkarten stecken in den Geldbörsen der Deutschen, drei Millionen Mal pro Tag wird allein die sogenannte Payback-Karte gezückt. Laut einer Emnid-Studie besitzt rund die Hälfte aller Haushalte diese Punktesammelkarte, die mit 25 Millionen aktiven Nutzern in Deutschland Marktführer ist. Einsetzen kann man die Karte bei mehr als dreißig Payback-Partnern, darunter Aral, dm, Galeria Kaufhof und Real sowie rund 600 Online-Shops.
Kunden können mit Plastikkarten Bonuspunkte sammeln
Der Münchener Unternehmer Alexander Rittweger brachte die Karte vor 15 Jahren auf den Markt und revolutionierte damit das Einkaufsverhalten der Deutschen. Inzwischen bieten auch viele andere Handelsketten, aber auch Tankstellen, Fluglinien, Bekleidungsgeschäfte oder Möbelhäuser ihre eigenen Kundenkarten an. Das oft kopierte Payback-Prinzip: Mit der Plastikkarte sammeln die Kunden beim Einkauf digitale Punkte, die sie später in Rabattaktionen oder Prämien eintauschen können. Viele Verbrauche machen sich nicht bewusst, dass diese Karten nicht nur ihnen Vorteile bringt. Sie geben dafür ihre Daten.
Verbraucherschützer kritisieren die Firmen fürs Datensammeln
Das Prinzip des Datensammelns vom Kaufverhalten steht bei Verbraucherschützern in der Kritik. Schließlich werden nicht nur persönliche Daten wie Name und Geburtsdatum erfasst, sondern auch Informationen zur Einkaufsuhrzeit, zum Ort und Details über das eingekaufte Produkt werden gesammelt. So kritisiert die Verbraucherzentrale Berlin, den Verbrauchern brächten die Rabatt- oder Bonuskarten oft nur magere Preisnachlässe. Den eigentlichen Nutzen aber zögen die Unternehmen vor allem durch die Kundendaten, die bares Geld wert seien.
Das Unternehmen Gerabo vertreibt eine anonyme Kundenkarte
„Mit der Payback-Kundenkarte werden Verbrauchsgewohnheiten analysiert, damit wird der Mensch zum gläsernen Kunden“, sagt Daniel Sonnet, Gründer des Start-ups Gerabo. Seine Firma preist ihre neu entwickelte Karte als „anonyme Kundenkarte für Datenschützer“ an. Man könne diese unerkannt aus einem der teilnehmenden Geschäfte mitnehmen und somit ohne Angaben der persönlichen Daten Treuepunkte beim Händler sammeln. Aktuell wird die Kundenkarte in zwei Berliner Nahkauf-Filialen getestet. Seit Juni 2014 ist die Gerabo-Karte erhältlich, bis jetzt verzeichnet das Start-up nach eigenen Angaben ein monatliches Wachstum von rund 30 Prozent, 18 000 Karten sind deutschlandweit bereits im Umlauf. Das Projekt wird durch die Start-up-Förderung „SpeedUP Europe“ der Europäischen Union unterstützt.
Auch die Gerabo-Karte will den Kunden an die Händler binden
Ziel der Gerabo-Kundenkarte sei es, Loyalität vom Kunden gegenüber dem Geschäft zu erlangen, also den Kunden an den jeweiligen Händler zu binden. Dabei spiele vor allem Vertrauen eine wichtige Rolle. „Rund 70 Prozent der Kartenbesitzer nutzen ihre Karte regelmäßig. Das beweist, wie sehr sie der anonymen Rabattkarte vertrauen“, meint Sonnet und räumt ein, dass auch die Nutzer der Gerabo-Karte unter Beobachtung stehen, auch wenn die Handelspartner nicht wissen, welche Person sich hinter dem kontrollierten Kaufverhalten verbirgt. In Zukunft will Gerabo zudem weitere Daten erfassen. „Das Kassengerät könnte mithilfe der Karte beispielsweise erkennen, welches Produkt der Kunde häufig kauft.“ Die Kassiererin könnte dann einen Coupon mit Sparangeboten ausdrucken, die auf die betreffende Person zugeschnitten sind.
Die Kaiser`s-Kundenkarte erfasst keine persönlichen Daten
So wirbt die Supermarktkette Kaiser’s für ihre neue Kundenkarte mit dem Slogan „Unsere neue ExtraKarte speichert nur, was Sie einkaufen – und nicht, wer Sie sind“. Persönliche Daten würden nicht erfasst. „Die ExtraKarte kommt ohne jede Information zur Einzelperson aus und macht den Kunden somit die Benutzung der Karte sehr bequem“, erläutert Henrik Haenecke, Geschäftsführer von Kaiser’s Tengelmann. Die „ExtraKarte“ speichere lediglich, welche Artikel die Kartennutzer, die ihre Einkäufe bei Kaiser’s scannen lassen, gekauft haben. Das trage dazu bei, dass der Kunde individuelle Rabatte erhalte.
An einem Terminal gibt es tagesaktuelle Rabattaktionen
Vor jedem Einkauf soll der Kunde seine Karte an der „Sparstation“ scannen und erhält daraufhin einen Ausdruck mit tagesaktuellen Rabattaktionen. Zusätzlich werden bei jedem Einkauf sogenannte „ExtraPunkte“ gesammelt. Bei einer Ausgabe in Höhe eines Euros erhält der Kunde fünf Sammelpunkte. Ab 150 zusammengetragenen Punkten gebe es beispielsweise einen Schokoriegel, mit einer höheren Anzahl gesammelter Punkte andere Produkte, die dem Kunden jeweils benannt werden. Mit der Einführung der Rabattkarte will Kaiser’s Tengelmann die Nutzung der Geschäfte analysieren und natürlich die Kundenbindung steigern. Laut Stiftung Warentest kann man diese Karte ohne Sorge um den Datenschutz nutzen. Sollte sich die Karte bewähren, dürften Kaiser’s und Kaufland nicht die einzigen Ketten bleiben, die sich um besonders datenschutzbewusste Kunden bemühen.
Lisa Splanemann
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