zum Hauptinhalt
Manuela Schwesig (SPD) zeigt sich enttäuscht und mahnend, dass viele Unternehmen die Frauenquote nicht erreicht haben.
© Mike Wolff

Frust für Manuela Schwesig: Die Wirtschaft schafft die Frauenquote nicht

Seit dem 1. Januar müssen börsennotierte Unternehmen 30 Prozent ihrer Aufsichtsratsmandate mit Frauen besetzen. Doch viele schaffen das nicht. Die Familienministerin mahnt.

Sie sprach von einem historischen Schritt, als die Frauenquote im Mai Gesetz wurde. Nur hat sich seitdem nicht so viel getan wie erhofft. Wenn Manuela Schwesig (SPD) jetzt darüber spricht, ist ihr Ton ein anderer. „Ich erwarte von den Unternehmen, dass sie es ernst meinen mit der von ihnen selbst so häufig gepriesenen Vielfalt in den Führungsetagen“, sagt sie. Acht Monate später klingt die Familienministerin mahnend. Und enttäuscht. Am ersten Januar ist die Frauenquote für Aufsichtsräte in Kraft getreten. Doch viele der rund 100 betroffenen Unternehmen haben die Quote von 30 Prozent nicht erreicht. Im Schnitt liegt der weibliche Anteil in den Kontrollgremien bei 22 Prozent, bei fast einem Fünftel beträgt er nicht einmal zehn Prozent. „Ein genaues Bild über die gesetzten Zielgrößen und Fristen zu deren Erreichung werden wir im Frühjahr 2016 haben“, sagt Familienministerin Schwesig.

Künftig sollen fast ein Drittel der Aufsichtsratsposten mit Frauen besetzt sein

Zur Erinnerung: Das Gesetz für die gleichberechtigte Teilhabe in Führungspositionen verpflichtet 101 börsennotierte, voll mitbestimmungspflichtige Unternehmen zu mehr Frauen in den Kontrollgremien. Ab 2016. Wenn die Wahl eines neuen Aufsichtsrates ansteht, sollen die Firmen künftig Bewerberinnen bevorzugen. Frauen sollen fast ein Drittel der Posten besetzen. Findet sich keine geeignete Bewerberin, muss das Mandat unbesetzt bleiben. Bis alle Unternehmen auf die geforderten 30 Prozent kommen, wird es allerdings noch dauern. Aufsichtsräte werden in der Regel alle vier Jahre gewählt.

Daimler will den Frauenanteil in der Belegschaft erhöhen

Der Konsumgüterhersteller Henkel steht mit einem Frauenanteil von 44 Prozent im Aufsichtsrat an der Spitze. Das Medizintechnik- und Gesundheitsunternehmen Fresenius und die Beteiligungsgesellschaft Porsche Automobil Holding haben hingegen keine einzige Frau im Aufsichtsrat. Der Autohersteller Daimler kündigte noch am Mittwoch an, den Frauenanteil in der Belegschaft zu erhöhen. „Wir haben den Korridor für die Gesamtbelegschaft auf 15 bis 18 Prozent hochgesetzt - bislang lag er bei 12,5 bis 15 Prozent“, sagte Daimler-Personalvorstand Wilfried Porth zwei Tage vor dem Stichtag. Der Anteil weiblicher Führungskräfte liege im Unternehmen bei rund 14 Prozent. Bis 2020 sollen es 20 Prozent sein.

Viele Firmen wollen keine Mitarbeiterinnen in den Vorstand berufen

Noch schlechter sieht es in den Vorständen aus, in denen rund fünf Prozent Frauen sitzen. Die Dax-Unternehmen müssen – wie auch 3500 kleinere Firmen – freiwillige Zielvorgaben für den weiblichen Anteil im Vorstand und den zwei darunter liegenden Führungsetagen veröffentlichen. Doch auch im nächsten Jahr wollen etliche Firmen keine Frauen in den Vorstand berufen – dort, wo die operativen Entscheidungen getroffen werden. Zu den Verweigerern gehören Porsche, Fresenius, Eon, die Commerzbank und ThyssenKrupp. Sie haben sich die „Zielgröße Null“ gesetzt. Ohne Konsequenzen zu erwarten.

Nicht nur Manuela Schwesig ermahnt die Wirtschaft. Auch ihr Parteikollege und Justizminister Heiko Maas übt Kritik: „Wer die Frauenquote ignoriert, schneidet sich ins eigene Fleisch“, sagt er. Er bezeichnet Frauen als einen Gewinn für jedes Unternehmen. „Eine so gut ausgebildete Generation von Frauen wie heute gab es noch nie“, sagt Maas. „Das muss sich endlich auch in den Chefetagen widerspiegeln.“

Gegner der Quote sagen, es gäbe nicht genügend weibliche Talente

Dass viele Unternehmen die Quote nicht einhalten, liegt kaum daran, dass sie keinen Vorlauf hatten. Das Gesetz wurde vor einem dreiviertel Jahr im Bundestag verabschiedet. Es dürfte auch nicht an einem Mangel an gut qualifizierten Frauen liegen. Inzwischen sind mehr als die Hälfte aller Universitäts-Absolventen Frauen. Dennoch führen die Gegner der Quote ins Feld, es gäbe nicht genug weibliche Talente. Außerdem sei eine starre Quote ein erheblicher Eingriff in die unternehmerische Freiheit. „Viele fühlen sich durch das Gesetz gestört“, meint Monika Schulz-Strelow, Präsidentin der Initiative „Frauen in die Aufsichtsräte“ (Fidar). Die gängige Einstellung sei: „Was mischt sich der Staat bei der Privatwirtschaft ein?“

Frauen in Führungspositionen stehen auf der Agenda aller Entscheider

Die Unternehmensberaterin Ana-Cristina Grohnert, Managing Partner bei Ernst & Young, bewertet die Quote positiv. „Sie hat die Diskussion beschleunigt. Und einige Unternehmen haben den Weckruf gebraucht“, sagt sie. Frauen in Führungspositionen stünden mittlerweile auf der Agenda aller Entscheider. Außerdem habe sich das Klima in den Betrieben geändert: „Die Stimmung ist nicht mehr so ängstlich wie vor der Quotendiskussion, sondern sehr viel pragmatischer und positiver als die Abwehrreaktion, die vorher da war.“

Im Berliner Landesgleichstellungsgesetz sind Quoten enthalten

In Berlin gibt es seit 25 Jahren das Landesgleichstellungsgesetz, in dem auch Quoten enthalten sind. „Für mich ist das ein Nachweis, dass eine gesetzliche Regelung etwas bringen kann“, sagt Arbeitssenatorin Dilek Kolat (SPD). Es habe bewirkt, dass in den Beteiligungsunternehmen und Anstalten öffentlichen Rechts die Quote für Aufsichtsräte aktuell bei 47 Prozent und für Vorstände sowie Geschäftsführungen bei 35 Prozent liege. Wie der Anteil bei Unternehmen aussieht, die von der bundesweiten Frauenquote betroffen sind, kann sie nicht sagen. Das untersuche zur Zeit noch die Industrie- und Handelskammer Berlin (IHK).

Neben einer Quote müsse es allerdings Frauenförderprogramme und Möglichkeiten zur Vereinbarung von Familie und Beruf geben. In Berlin habe die Senatsverwaltung deswegen ein Netzwerk von Unternehmen mit der IHK initiiert. „Ein Gesetz alleine wirkt nicht“, sagt Kolat.

Berater fordern einen Kulturwandel in den Unternehmen

Nach Ansicht der Beratungsfirma Boston Consulting Group (BCG) braucht es einen Kulturwandel in den Unternehmen. Die Berater schlagen zum einen flexiblere Arbeitszeiten vor, damit Frauen sich um Kinder und Karriere kümmern können. Das größte Hemmnis für den beruflichen Aufstieg von Frauen sei nämlich nach wie vor die Familienplanung. Frauen ohne Kinder schafften es dreimal häufiger in Topmanagementpositionen.

Nur die Hälfte derer, die auf Teilzeit-Modelle umsteigen, nehme die volle Stelle später wieder auf. Außerdem sollten Männer mehr in Teilzeit arbeiten. Obwohl gerade jüngere Väter einen aktiveren Part in der Familie übernehmen wollen, tun sie es nicht immer. Zu groß ist die Angst vor dem Karriere-Aus. So können sich letztlich Männer wie Frauen nur schwer den Wunsch erfüllen, zu Hause und im Büro alles zu haben.

Zur Startseite