Frauen in Führungspositionen: Warum viele Firmen die Quote nicht schaffen
Kampf um die Spitze: Ab dem 1. Januar gilt die gesetzliche Quote für Frauen in Aufsichtsräten. Doch viele Konzerne sind von den geforderten 30 Prozent weit entfernt.
Sie soll der „größte Beitrag zur Gleichberechtigung seit Einführung des Frauenwahlrechts“ sein. So pathetisch würdigt Justizminister Heiko Maas (SPD) die Frauenquote. Ab dem 1. Januar 2016 gilt sie gesetzlich. Ab dann müssen 30 Prozent aller Aufsichtsratsposten in den börsennotierten Unternehmen von Frauen besetzt werden. Sie sollen keine Ausnahme mehr sein, in den von Männern dominierten Kontrollgremien großer Konzerne.
Nur wie viele Unternehmen erfüllen die Quote – jetzt, zwei Monate vor der Deadline? Die Initiative „Frauen in die Aufsichtsräte“ (Fidar) hat die deutschen Aufsichtsräte und Vorstände danach untersucht: Von den 100 börsennotierten und voll mitbestimmten Unternehmen in Deutschland halten 26 Unternehmen die Vorgabe ein, 74 Unternehmen nicht. Bei den Dax-Unternehmen liegt die durchschnittliche Frauenquote in den Aufsichtsräten bei 21,4 Prozent.
In vielen Vorständen gibt es bislang keine einzige Frau
Bis alle Unternehmen auf die geforderten 30 Prozent kommen, wird es noch dauern. Aufsichtsräte werden in der Regel alle vier Jahre gewählt. Wenn die Wahl eines neuen Aufsichtsrates ansteht, müssen die Unternehmen ab dem kommenden Jahr Bewerberinnen bevorzugen. Findet sich keine geeignete Frau für den Job, muss das Mandat unbesetzt bleiben. Ein Viertel der Unternehmen führt noch in diesem Jahr eine Aufsichtsratswahl durch und könnte den Frauenanteil bis Januar noch steigern.
Und die Vorstände? Sie arbeiten nach wie vor fast ohne Frauen. Der Anteil beträgt nach den Recherchen von Fidar durchschnittlich 4,9 Prozent. Gar keinen weiblichen Vorstand gibt es zum Beispiel beim Salz- und Düngemittelhersteller K+S. Drei der fünf Führungsposten an der Spitze des Kasseler Dax-Unternehmens waren zwar während der vergangenen drei Jahre vorübergehend vakant, wurden am Ende aber mit Männern besetzt. Gab es in der Branche womöglich keine weiblichen Bewerber? K+S hält sich auf Nachfrage bedeckt. „Bei den externen Suchprozessen, die unter professioneller Begleitung von Personalberatern erfolgten, haben wir ein Suchprofil definiert, das keine Vorgabe zu dem einen oder anderen Geschlecht vorsah“, heißt es in einer schriftlichen Stellungnahme des Hauses. „Wir brauchen in diesen wichtigen Positionen die bestmöglichen Kandidaten, und bei diesen Besetzungen waren keine geeigneten weiblichen Kandidaten darunter.“ Ein Argument, dessen Wahrheitsgehalt sich nur schwer nachprüfen lässt, auf das sich aber nicht nur K+S beruft.
Firmen, die die Quote erfüllen, unterstützen Frauen gezielt
Auch Fresenius Medical Care (FMC), ein hessischer Medizintechnikhersteller mit siebenköpfigem, frauenfreiem Vorstand, argumentiert in diese Richtung. „Bei FMC ist für jede Personalauswahl die Qualifikation entscheidend – seien es Einstellungen oder Beförderungen. Frauen und Männer haben bei vergleichbarer Eignung die gleichen Karrierechancen, ganz gleich auf welcher Ebene“, heißt es aus dem Unternehmen.
Grundsätzlich gilt: Bei Vakanzen an der Spitze von Aktiengesellschaften wie K+S oder FMC entscheidet laut Gesetz am Ende immer der Aufsichtsrat darüber, mit wem die Stelle besetzt wird. Im Aufsichtsrat von Fresenius Medical Care gibt es derzeit keine Frauen, bei K+S sind zwei der insgesamt 16 Posten mit weiblichen Kräften besetzt.
Unternehmen, die die Quote schon jetzt erfüllen, unterstützen Frauen gezielt. Dazu zählen Henkel und die Deutsche Telekom: Der Vorstand von Henkel besteht aus sechs Personen. Fünf Männer, eine Frau. Damit beträgt der Frauenanteil rund 17 Prozent. Im Aufsichtsrat, dem 16 Mitglieder angehören, beträgt er rund 44 Prozent. In der Gesamtbelegschaft sind 33,2 Prozent weiblich.
Job-Sharing und Home-Office sind noch die Ausnahme
Zum einen unterstützt Henkel gezielt Frauen. Bei Neueinstellungen und Beförderungen wird laut einer Sprecherin darauf geachtet, dass der Anteil von Männern und Frauen ausgewogen ist. Es gebe ein Talentmanagement-System, mit dem das Unternehmen begabte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter suche und mit Karriereentwicklungsplänen fördere. Zum Beispiel mit der Möglichkeit, an einem Standort im Ausland zu arbeiten. Der Frauenanteil beträgt bei diesem Programm 40 Prozent. 2007 hat Henkel den Extra-Bereich „Diversity & Inclusion“ geschaffen.
Die zweite Maßnahme für mehr Frauen in Führungssituationen ist eine gute Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben. Führungskräfte verpflichten sich, flexibles Arbeiten möglich zu machen. Mit Job-Sharing-Modellen, Teilzeit oder Home-Office. „Wir wollen weg von einer veralteten Präsenzkultur“, sagt die Henkel-Sprecherin. Soziale Dienste würden Beschäftigte unterstützen, wenn sie nach einer Einrichtung für pflegebedürftige Angehörige suchen oder nach einer Betreuung für ihr Kind. Am Hauptsitz in Düsseldorf hat Henkel drei Betriebskitas mit 240 Plätzen.
Bei der Deutschen Telekom beträgt der Anteil von Frauen in der gesamten Belegschaft rund 30 Prozent. Im Aufsichtsrat liegt die Quote bei 35 und im Vorstand bei fast 15 Prozent.
Die Work-Life-Balance ist der Schlüssel
Was die Telekom getan hat? Im vergangenen Jahr wurde zum Beispiel ein spezielles Pilotprojekt mit dem Ziel gestartet, Frauen fit für Aufsichtsratspositionen zu machen: Das „Supervisory Board Readiness Programm“. Ähnlich wie Henkel versucht die Telekom, eine bessere Work-Life-Balance zu schaffen. Für Eltern, Alleinerziehende und Menschen ab dem 55. Lebensjahr gibt es Teilzeitmodelle. Mit Führungskräftetandems können sich selbst leitende Angestellte einen Job teilen. An den großen Standorten des Unternehmens gibt es mehr als 550 Kitaplätze im Betrieb. Die Arbeitszeit wird durch Gleitzeit und feste „Home-Office“-Tage gelockert. Außerdem gibt es Möglichkeiten, sich mit einem Lebensarbeitszeitkonto eine Auszeit zu nehmen.