Newsblog Flüchtlinge: Daimler-Chef Zetsche hält neues Wirtschaftswunder für möglich
EU-Innenminister vereinbaren Verteilung von 160.000 Flüchtlingen, aber keine feste Quote. Einigung erfolgte laut Thomas de Maizière nicht einstimmig. Die Entwicklungen des Montags im Newsblog.
EU-Kommission unzufrieden mit Ergebnis des Ministertreffens: Die EU-Kommission hat die Krisenberatungen der EU-Innenminister zur Flüchtlingskrise deutlich kritisiert. „Wir haben nicht die Vereinbarung erzielt, die wir haben wollten“, sagte EU-Innenkommissar Dimitris Avramopoulos nach knapp siebenstündigen Debatten am Montagabend in Brüssel. Mit Blick auf den jüngsten Vorschlag seiner Behörde zur Verteilung von weiteren 120.000 Flüchtlingen fügte der aus Griechenland stammende Kommissar hinzu: „Eine Mehrheit der Mitgliedstaaten ist bereit voranzugehen, aber nicht alle.“ Über die bereits im Mai von der Kommission vorgeschlagene Umsiedlung von 40.000 Flüchtlingen gibt es hingegen eine verbindliche Absprache der EU-Staaten.
EU schafft keinen Konsens zur Flüchtlingsverteilung: Angesichts des Widerstands osteuropäischer Staaten ist es den EU-Innenministern nicht gelungen, einen Konsens über die Verteilung von 120.000 Flüchtlingen in Europa zu erreichen. Es sei nicht möglich gewesen, "ein einstimmiges Ergebnis zu erzielen", sagte Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) am Montagabend nach einem Sondertreffen mit seinen Kollegen zur Flüchtlingsfrage in Brüssel. Deutschland, Frankreich und andere Staaten hätten deshalb die EU-Ratspräsidentschaft bitten müssen, "hierüber eine Mehrheitsentscheidung herbeizuführen", an die sich dann auch die Gegner einer Verteilung halten müssten.
Flüchtlingswelle könnte neues Wirtschaftswunder auslösen: Daimler-Chef Dieter Zetsche sieht im Flüchtlingsstrom eine Chance für die wirtschaftliche Entwicklung in Deutschland. Mehr als 800.000 Menschen aufzunehmen, sei eine Herkulesaufgabe, sagte Zetsche am Montagabend im Vorfeld der IAA in Frankfurt. „Aber im besten Fall kann es auch eine Grundlage für das nächste deutsche Wirtschaftswunder werden - so wie die Millionen von Gastarbeitern in den 50er und 60er Jahren ganz wesentlich zum Aufschwung der Bundesrepublik beigetragen haben.“ Natürlich sei nicht jeder Flüchtling ein brillanter Ingenieur, Mechaniker oder Unternehmer, sagte Zetsche. Aber wer sein komplettes Leben zurücklasse, sei hoch motiviert. „Genau solche Menschen suchen wir bei Mercedes und überall in unserem Land.“ Studien zufolge drohten fast 40.000 Lehrstellen unbesetzt zu bleiben. Auch andere Industriebosse hatten sich zuletzt für mehr Hilfe für Flüchtlinge ausgesprochen, darunter Evonik-Chef Klaus Engel.
Bodo Ramelow verteidigt Grenzkontrollen gegen Linken-Kritik: Anders als die Spitzen seiner Partei hat Thüringens linker Ministerpräsident Bodo Ramelow die Wiedereinführung der Grenzkontrollen in der Flüchtlingskrise verteidigt. Das sei „eine Notmaßnahme“, die er als solche akzeptiere, sagte er der „Thüringer Allgemeinen“. „Weil kein geordnetes Verfahren mehr möglich war, musste der Bund handeln.“ Die letzten großen Flüchtlingskontingente seien nicht einmal mehr registriert worden. „Das kann auf Dauer nicht gut gehen.“ Ramelows Parteichef Bernd Riexinger hatte am Montag erklärt: „Die Abschottung von Flüchtlingen ist zutiefst anti-europäisch und vor allem menschenverachtend.“
Am Abend kaum noch Flüchtlinge an ungarisch-serbischer Grenze: Nach Schließung des letzten freien Durchgangs bei Röszke an der ungarisch-serbischen Grenze sind dort am Montagabend kaum noch Flüchtlinge angekommen. Helfer begannen, ihre Zelte abzubauen, auch die Polizei verringerte die Zahl ihrer Einsatzkräfte, beobachteten dpa-Reporter vor Ort. Auf der serbischen Seite waren nur noch mehrere Dutzend Flüchtlinge zu sehen, die sich ruhig verhielten. Um Mitternacht sollten die verschärften Bestimmungen für Flüchtlinge in Kraft treten.
EU-Innenminister verständigen sich auf Verteilung von 160.000 Flüchtlingen: Die europäischen Innenminister haben sich bei ihrem Krisentreffen am Montagabend nur grundsätzlich auf die Verteilung von 160 000 Flüchtlingen verständigt. Das sagte Bundesinnenminister Thomas de Maizière am Montag in Brüssel. Eine endgültige Entscheidung sei für den 8. Oktober geplant. Die vereinbarte Verteilung erfolgt allerdings wie beim letzten Mal nur auf freiwilliger Basis und ohne Pflichtquote, von einem dauerhaften Mechanismus ganz zu schweigen. Das ist mehr als befürchtet, aber auch deutlich weniger als erhofft.
Regierung Orban ruft wohl Krisenzustand aus: Die ungarische Regierung wird nach den Worten von Ministerpräsident Viktor Orban am Dienstag wegen des Andrangs von Flüchtlingen wahrscheinlich den Krisenzustand über das Land verhängen. Er rechne zudem damit, dass mit dem Inkrafttreten der verschärften Gesetze sehr viele Asylanträge abgelehnt würden, sagt Orban in einem TV-Interview. Unterdessen lässt die ungarische Polizei doch noch Flüchtlinge in kleinen Gruppen am Grenzübergang Horgos 2 aus Serbien ins Land, berichtet ein Reuters-Reporter. Kurz zuvor hatte Ungarn den Hauptgrenzübergang für Flüchtlinge aus Serbien bei Röszke abgeriegelt.
Flüchtlinge drängen vor Torschluss nach Ungarn: So viele Flüchtlinge wie nie zuvor haben am Montag über Serbien Ungarn erreicht. Die Polizei setzte nach eigenen Angaben bis 16 Uhr über 7400 Asylsuchende bei dem Versuch fest, von Serbien aus ins Land zu kommen. Das sei bislang mit Abstand die größte Zahl an Flüchtlingen an einem Tag, teilt die Polizei weiter mit. Am gesamten Vortag kamen 5809 Menschen. Mittlerweile hat Ungarns Polizei bei Röszke den letzten freien Durchgang an der serbischen Grenze verschlossen. Eine Stelle, an der Eisenbahnschienen aus Serbien nach Ungarn führen, war bisher frei passierbar und wurde von Zehntausenden Flüchtlingen genutzt. Unter starkem Polizeischutz begannen Armeeangehörige diese etwa 15 Meter breite Lücke mit Stahldrähten zu verschließen. Ab Dienstag gilt illegaler Grenzübertritt in Ungarn als Straftat, die mit Haft oder Abschiebung geahndet werden kann. Bislang ist es nur eine Ordnungswidrigkeit.
WHO sagt Unterstützung bei Versorgung von Flüchtlingen zu: Die Weltgesundheitsorganisation WHO hat den europäischen Staaten Hilfe bei der Bewältigung der Flüchtlingskrise zugesagt. Die WHO werde den Staaten mit medizinischen Hilfsgütern sowie Beratung bei der Notfallplanung und Schulungen von Grenzpersonal zur Seite stehen, teilte das WHO-Regionalkomitee für Europa am Montag mit. Nach WHO-Angaben gibt es „keinen systematischen Zusammenhang zwischen Migration und der Einschleppung von Infektionskrankheiten“. So sei kein Fall einer Ebola-Infektion mit Flüchtlingen oder Migranten nach Europa gekommen.
Zumindest die Umverteilung der ersten 40 000 Flüchtlinge innerhalb Europas ist nun sicher. Die EU-Innenminister trafen am Montag dafür den formellen Beschluss. Eine Grundsatzeinigung hatte es bereits im Sommer gegeben. Damals hatten die Minister entschieden, dass die Länder auf freiwilliger Basis entscheiden sollten, wer wie viele Migranten aufnimmt.
Diese Zusagen blieben aber deutlich unter dem Ziel, weil nur für 32 256 Menschen die Aufnahme zugesagt wurde. Eine Einigung über die verbleibende Zahl solle bis zum Jahresende erzielt werden, teilte der Ministerrat mit. Für jeden aufgenommenen Flüchtling erhält der betreffende Staat 6000 Euro.
Die Umverteilung betrifft nur Asylsuchende in Italien und Griechenland und solche, die gute Chancen auf Asyl haben wie Menschen aus Syrien und Eritrea. Die Regelung gilt für zwei Jahre und umfasst Flüchtlinge, die vom 15. August 2015 bis 16. September 2017 in diesen beiden EU-Ländern registriert werden bzw. wurden.
Dänemark und Großbritannien nehmen an dieser Entscheidung nicht teil. Luxemburgs Außenminister Jean Asselborn sprach von einer „wichtigen politischen Botschaft“. Darüber hinaus beraten die Minister über die umstrittene Verteilung von weiteren 120 000 Flüchtlingen.
Die EU-Innenminister könnten sich am Montag einem Entwurf zufolge grundsätzlich auf die Verteilung von weiteren 120.000 Flüchtlingen einigen. Nach einem Reuters vorliegenden Entwurf für die Abschlusserklärung des Ministertreffens wollen die EU-Staaten eine solche Maßnahme zusagen, einen formalen Beschluss aber erst bei ihrem nächsten Treffen am 8. und 9. Oktober treffen.
Bis dahin solle an der möglichen Flexibilität gearbeitet werden, die für einige EU-Länder notwendig sein könnte, heißt es in dem Papier. Die Verteilung von 40.000 Flüchtlingen soll dem Entwurf zufolge bereits an diesem Montag besiegelt werden. Welche Teile des Dokuments die Zustimmung aller EU-Länder finden, war aber noch unklar.
Bundesinnenminister Thomas de Maiziere nannte das Papier vor Beginn der Beratungen "ordentlich, aber noch nicht präzise genug". Er forderte genaue Zeitpläne beim Aufbau von Auffanglagern (Hot-Spots) in Italien und Griechenland und zu den Plänen für die Umverteilung der Flüchtlinge.
In dem Dokument wird dafür plädiert, die Staaten des Westbalkan EU-weit zu sicheren Herkunftsländern zu erklären. Die von der EU-Kommission vorgeschlagene Aufnahme der Türkei auf die Liste fehlt in dem Papier. Auch der von der Brüsseler Behörde geplante permanente Mechanismus zur Verteilung von Flüchtlingen findet keine Erwähnung. Eine Reihe von EU-Staaten sind gegen derartige Auflagen. Der Entwurf hebt zudem die Sicherung der EU-Außengrenzen als bedeutende Maßnahme hervor.
Ungarn schließt Hauptgrenzübergang zu Serbien: Die ungarische Polizei hat am Montagnachmittag an der Grenze zu Serbien den Hauptübergang für Flüchtlinge geschlossen. Wie mehrere AFP-Reporter beobachteten, schlossen Beamte eine Lücke in dem zuvor errichteten Grenzzaun. Weitere Polizisten bewachten demnach die angrenzenden Gleise, über die in den vergangenen Tagen zahlreiche Flüchtlinge die Grenze übertreten hatten.
Kilometerlange Staus in Österreich: Durch die rigideren Kontrollen an der deutsch-österreichischen Grenze kam es auf österreichischer Seite zu kilometerlangen Rückstaus. Am längsten war der auf der Autobahn Richtung Passau/Regensburg, er reichte am Mittag 30 Kilometer zurück, Autofahrer Richtung Deutschland brauchten drei Stunden und mehr für die Strecke. Am wichtigsten Autobahnübergang von Ostösterreich nach Deutschland, am Walserberg bei Salzburg, betrug die Wartezeit sowohl auf der Strecke aus Wien wie auf der aus dem Süden jeweils ein bis eineinhalb Stunden.
Die CDU öffnet sich grundsätzlich für ein Einwanderungsgesetz. Der Parteivorstand mit Kanzlerin Angela Merkel verabschiedete nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur am Montag in Berlin ein Papier, wonach die bestehenden gesetzlichen Regelungen zur Einwanderung „widerspruchsfrei und besser miteinander verknüpft, in einem Gesetz zusammengeführt und im Ausland besser kommuniziert werden“ sollen.
Der Passus steht in einem Bericht, der von einer Kommission des stellvertretenden Parteivorsitzenden Armin Laschet erarbeitet wurde. Wie die Abschlussberichte der Kommissionen von Laschets Amtskollegen Julia Klöckner und Thomas Strobl soll das Papier als Leitantrag für den Karlsruher Bundesparteitag im Dezember eingebracht werden.
Es wurde nach Teilnehmerangaben einstimmig angenommen. Die SPD will in der großen Koalition noch in dieser Legislaturperiode ein Einwanderungsgesetz durchsetzen. In der CDU hatte Generalsekretär Peter Tauber im Januar einen entsprechenden Vorstoß gemacht. Merkel hält das aber für „nicht vordringlich“. Unionsfraktionschef Volker Kauder (CDU) hat bereits erklärt: „In dieser Legislaturperiode sehe ich ein Einwanderungsgesetz nicht.“
Wirtschaft befürwortet Grenzkontrollen: Die Spitzenverbände der deutschen Wirtschaft stellen sich hinter die neuen Grenzkontrollen. Sie seien nötig, "um eine Überforderung selbst für ein gut organisiertes Land wie Deutschland zu verhindern und die Dringlichkeit einer europäischen Lösung deutlich zu machen", heißt es in einer Erklärung von dem Bundesverband der deutschen Industrie (BDI), der Bundesvereinigung der deutschen Arbeitgeberverbände (BDA), der deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK) und dem Zentralverband des deutschen Handwerks (ZDH).
Pro Asyl kritisiert Grenzkontrollen: Die Menschenrechtsorganisation Pro Asyl wirft der Bundesregierung vor, die Flüchtlinge dafür zu missbrauchen, um Druck auf die EU-Innenminister ausüben zu können. „Die Flüchtlinge werden von Deutschland behandelt wie die Bauern auf dem Schachfeld der Mächtigen“, sagt Günter Burkhardt, Geschäftsführer von Pro Asyl. Durch Grenzkontrollen würde nicht die Flucht verhindert, sondern nur das Leid der Flüchtlinge vergrößert, die sich nun andere Wege suchen müssten.
Ungarn registriert nicht mehr: Ungarn räumt offenbar das Flüchtlingslager in Röszke an der Grenze zu Serbien. Nach Angaben des UNHCR wird ganz offensichtlich damit begonnen, die von Serbien kommenden Flüchtlinge nicht mehr zu registrieren, sondern direkt in Zügen zur österreichischen Grenze zu bringen. "Nach unseren Informationen bringen Spezialzüge die Flüchtlinge vom Grenzort Röszke direkt und ohne Halt zur österreichischen Grenze", sagte Erno Simon, der Repräsentant des UN-Hochkommissariats für Flüchtlinge (UNHCR) für Zentraleuropa, der Nachrichtenagentur AFP.
Österreich wird an seiner Grenze zu Ungarn wieder Kontrollen einführen. Die Kontrollen würden "in einigen wenigen Stunden" nach den derzeit laufenden Vorbereitungen direkt an der Grenze beginnen, sagte die österreichische Innenministerin Johanna Mikl-Leitner am Montag in Brüssel.
Die Regierung in Wien reagiere damit auf tausende Flüchtlinge, die weiter aus Ungarn kämen, und die Wiedereinführung der Grenzkontrollen durch Deutschland an seiner Grenze zu Österreich.
Es bleibt bei 800.000: Das Bundesinnenministerium stellt sich nicht hinter Angaben von Vizekanzler Sigmar Gabriel, wonach Deutschland dieses Jahr womöglich eine Million Flüchtlinge aufnehmen wird. "Es ist ganz klar so, dass die Prognose, die Sie kennen, gilt: 800.000", sagte ein Sprecher des Ministeriums. "Aber es liegt in der Natur einer Prognose, dass es eben nur eine Prognose ist."
Aktivisten aus Leipzig wollen Flüchtlingen in Ungarn bei der Einreise nach Österreich helfen. Am Montagmorgen startete ein Konvoi aus 15 Fahrzeugen in Richtung der ungarischen Stadt Gyor, wie der Sprecher der Initiative „Convoy of Hope“, Jan Liebig, mitteilte.
Weitere Fahrzeuge wollten sich in Dresden, Prag und Wien anschließen. Die Flüchtlinge sollten zunächst in die österreichische Hauptstadt gebracht werden. „In Ungarn herrschen Zustände, die wir nicht hinnehmen können“, sagte Liebig und nannte die Fluchthilfe eine „humanitäre Pflicht“.
Die Behörden rief er dazu auf, die Aktion nicht zu behindern. Nach Angaben der Initiative hatten bereits am Sonntag ein Wiener Konvoi aus mehr als 170 Autos Geflüchtete über die Grenze gebracht.
Sollen dann nur noch genügend qualifizierte Schutz vor Krieg bekommen oder wie ist die Überschneidung zu deuten?
schreibt NutzerIn Broeckelhaus
Sigmar Gabriel rechnet mit mehr Flüchtlingen: Vizekanzler Sigmar Gabriel geht von bis zu einer Million Flüchtlinge in Deutschland aus. „Vieles deutet daraufhin, dass wir in diesem Jahr nicht 800.000 Flüchtende aufnehmen, wie es das Bundesinnenministerium prognostiziert hat, sondern eine Million“, heißt es offenen Brief des SPD-Chefs an die Parteimitglieder.
Österreich greift nun doch durch: Österreich kontrolliert nun - ebenso wie Deutschland - verstärkt seine Grenzen. Die Polizei habe den Auftrag zu Kontrollen erhalten, sagt Bundeskanzler Werner Faymann. Es handle es sich dabei aber nicht um eine Aussetzung des Schengen-Abkommens. Außerdem beschloss die Regierung in Wien, dass das österreichische Bundesheer die Polizei nun unterstützen soll.
EU-Staaten wollen Einsatz gegen Schleuser ausweiten: Vor dem Sondertreffen der EU-Innenminister zur Flüchtlingskrise haben die Mitgliedstaaten die Ausweitung des Militäreinsatzes gegen Schlepper im Mittelmeer beschlossen. Die Europaminister billigten Diplomaten zufolge am Montag in Brüssel den Übergang in die zweite Phase der Mission. In ihr sollen Schiffe von Menschenhändlern auf hoher See aufgebracht, gegebenenfalls zerstört und Schleuser festgenommen werden. Vor dem Beginn des erweiterten Einsatzes im Oktober muss wegen der Beteiligung der Bundeswehr noch der Bundestag zustimmen.
Nach dem Tod von rund 700 Flüchtlingen bei einem Schiffsunglück vor der libyschen Küste hatte die EU im Mai einen Drei-Stufen-Plan zur Bekämpfung krimineller Schleuser beschlossen. Derzeit läuft die erste Phase, in der zunächst Informationen über die Schleppernetzwerke gesammelt wurden - dabei beteiligt sich Deutschland mit zwei Schiffen.
Sachsen bereitet Grenzkontrollen vor: In Sachsen laufen Vorbereitungen für die Wiedereinführung von Grenzkontrollen. „Die Vorgaben sind, dass der illegale Grenzübertritt vermieden werden soll“, sagte Innenminister Markus Ulbig (CDU) am Montag dem Radiosender MDR-Info. Die sächsischen Bürger müssten damit rechnen, dass Überprüfungen im Schengen-Raum nun „jederzeit wieder anstehen können“.
Laut Ulbig gibt es derzeit keine Erkenntnisse darüber, dass Flüchtlinge eine Ausweichroute über Tschechien nach Sachsen wählen. Aber man habe Informationskanäle geschaltet. „Wir stehen im engen Kontakt mit der Bundespolizei und wir haben zusätzlich noch eine Hotline zum tschechischen Innenministerium geschaltet, so dass es sofort Informationen gibt, falls sich Reiserouten verändern würden“, so Ulbig.
Ziel der Kontrollen sei es, dass „diejenigen, die illegal die Grenze übertreten und Asyl begehren, in ein geordnetes Verfahren gebracht werden“. Sie würden registriert, damit innerhalb Deutschlands klar sei, „wer eigentlich Asyl beantragt“. Die Bewerber „werden dann in eine Erstaufnahmeeinrichtung gebracht und dort wird das Verfahren ordnungsgemäß durchgeführt“, sagte der Christdemokrat.
Chaos in Österreich: An der ungarisch-österreichischen Grenze kommen seit vier Uhr Morgen etwa 1000 Flüchtlinge stündlich an und es werden noch viel mehr erwartet. Nach Einschätzung der Hilfsorganisationen und der Medien aus Ungarn ist das Nachbarland gerade dabei, alle noch im Land befindlichen Flüchtlinge mit Zügen und Bussen umgehend an die Grenze zu bringen. Wie viele Flüchtlinge damit noch am Montag und in der Nacht zu Dienstag nach Österreich gelangen, darüber gehen die Schätzungen krass auseinander: Die vorsichtigeren rechnen mit 15.000, das ORF-Radio sprach sogar von “bis zu 60.000”. Den ausführlichen Bericht über die Situation in Österreich finden Sie hier.
Albig für Ruhepause: Der schleswig-holsteinische Ministerpräsident Torsten Albig (SPD) hält die Aufnahme von 400.000 Flüchtlingen jährlich auch über einen langen Zeitraum für möglich. Im Deutschlandradio Kultur sagte Albig am Montag, die Wiedereinführung von Grenzkontrollen sei ein „klarer Warnruf an Europa“. Länder und Kommunen bräuchten jetzt eine Ruhephase. Man müsse in der Lage sein, mit den Flüchtlingen vernünftig umzugehen. Besonders die Kommunen bräuchten Strukturen, „in denen ein Ankommen überhaupt möglich ist“, sagte Albig. Dies seien derzeit nicht gewährleistet - die Zustände seien „kurz vor chaotischen Bedingungen“.
Albig warnte zugleich vor einem Kippen der Stimmung in Deutschland. Die vielen professionellen und ehrenamtlichen Helfer dürften nicht „in die Knie gehen“, sagte er. „Wenn das passiert, dann verändert sich was im Land, und das können wir nicht wollen.“ Schleswig-Holstein wird in diesem Jahr nach Albigs Angaben 24.000 bis 30.000 Flüchtlinge aufnehmen.
Rekordwochenende: Die Zahl der nach Ungarn kommenden Flüchtlinge hat einen neuen Rekord erreicht. Am Sonntag seien 5809 Menschen ins Land gekommen, teilte die ungarische Polizei am Montag mit. Das war dreimal mehr als der Tagesdurchschnitt in den vergangenen Wochen. Der vorherige Rekord war erst am Samstag mit 4330 Neuankömmlingen aufgestellt worden. München verzeichnete über das gesamte Wochenende die Ankunft von 19.100 Flüchtlinge. Zwischen Mitternacht und heute morgen 6 Uhr sind durch den eingestellten Zugverkehr gar keine Flüchtlinge mehr in München angekommen.
Kanzlerin trifft Länderchefs: Bundeskanzlerin Angela Merkel hat nach Angaben aus Regierungskreisen angesichts der Flüchtlingskrise die für Dienstag geplante Kabinettsklausur abgesagt. Stattdessen werde es ab 18 Uhr ein Treffen mit den Ministerpräsidenten der Bundesländer geben, berichtet die Nachrichtenagentur Reuters am Montag.
Viele Schleuser gefasst: Seit Wiedereinführung der Grenzkontrollen am späten Sonntagnachmittag sind nach Polizeiangaben rund 30 Schleuser und etwa 90 Migranten festgenommen worden. Bayerns Innenminister Joachim Herrmann rechnet damit, dass die wieder eingeführten Grenzkontrollen mindestens einige Wochen dauern. Es müsse stärker kontrolliert werden, weil "viele unterwegs sind, die keine wirklichen Flüchtlinge sind", sagt der CSU-Politiker dem Bayerischen Rundfunk.
CSU verteidigt Grenzkontrollen: Die Grenzkontrollen zwischen Deutschland und Österreich werden nach Worten von CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer aufrecht erhalten, "so lange nicht ganz konkrete Beschlüsse in Europa gefasst werden". Die erhofft er sich von den EU-Innenministern, die sich am heutigen Montag in Brüssel treffen. Die Einführung von Grenzkontrollen von deutscher Seite halte er für vernünftig, sagte Scheuer im ZDF-"Morgenmagazin". Es habe sich um eine "Notentscheidung" gehandelt.
Zugverkehr wieder aufgenommen: Die Deutsche Bahn hat den Zugverkehr zwischen Deutschland und Österreich am Montag um 7.00 Uhr teilweise wieder aufgenommen. Ausgenommen ist zunächst die Strecke zwischen Salzburg und München, sagte ein Bahn-Sprecher in Berlin. Dort befänden sich Menschen auf den Bahngleisen, weshalb hier noch nicht gefahren werden könne. Am Sonntagnachmittag war der Zugverkehr zwischen den beiden Ländern auf Weisung der Bundesbehörden unterbrochen worden.
Treffen der EU-Innenminister: Die Solidarität innerhalb der EU in der Flüchtlingspolitik hat ihre Grenzen. Brüssel fordert eine gerechte Verteilung von Asylbewerbern auf die Mitgliedsstaaten. Doch es gibt Widerstand. Albrecht Meier beschreibt die Ausgangslage für das heutige Treffen der EU-Innenminister.
Wartezeiten an Grenzübergängen: Nach der Einführung von Kontrollen an der deutsch-österreichischen Grenze ist es in der Nacht zu Staus an den Grenzübergängen gekommen. Rund drei Kilometer staute sich der Verkehr am frühen Montagmorgen auf der Autobahn 8 am Grenzübergang bei Bad Reichenhall, wie das Verkehrslagezentrum in Rosenheim berichtete. Auf der Autobahn 3 bei Passau standen Autofahrer dem Bayerischen Rundfunk zufolge sogar auf sechs Kilometer.
Amnesty warnt vor Chaos: Nach der Wiedereinführung von Grenzkontrollen warnt die Menschenrechtsorganisation Amnesty International vor fatalen Folgen. „Flüchtlinge in Ungarn drohen im lebensgefährlichen Chaos zu versinken“, hieß es in einer gemeinsamen Erklärung der deutschen und der österreichischen Sektion von Amnesty. Es sei das Gebot der Stunde, ein gemeinsames Hilfsangebot an Ungarn zu richten und das Land bei der Erstaufnahme von Schutzsuchenden zu unterstützen.
Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel und ihr österreichischer Amtskollege Werner Faymann dürften ihre „Menschenrechte zuerst“-Haltung nicht durch überfallartige Grenzschließungen oder Bahnsperren infrage stellen, forderten beide Organisationen.
„Gleichzeitig muss durch eine geordnete und zügige Weiterfahrt die humanitäre Notsituation in Ungarn entschärft und eine menschenrechtskonforme Aufnahme von Flüchtlingen in anderen EU-Ländern ermöglicht werden.“ Die EU-Mitgliedsstaaten müssten mit Nachdruck auf Ungarns Ministerpräsident Viktor Orbán einwirken, um in der Flüchtlingsfrage gemeinsam und menschenrechtskonform vorzugehen.
Kontrollpunkte eingerichtet: Deutschland hatte seine Ankündigung, wegen des unkontrollierten Zustroms von Flüchtlingen wieder Grenzkontrollen einzuführen, umgehend umgesetzt.
Die Grenzkontrollen begannen direkt am Sonntagabend. Die Bundespolizei stellte dafür mehrere hundert Beamte ab, wie ein Sprecher in Potsdam sagte. Ein AFP-Reporter beobachtete, wie die Polizei bei Freilassing eine Gruppe von drei aus Syrien stammenden Flüchtlingen, die zu Fuß unterwegs waren, stoppte. Auch ein Schleuser aus Italien wurde dort festgenommen, der acht syrische Flüchtlinge in seinem Fahrzeug hatte. Die Flüchtlinge wurden in eine Erstaufnahmeeinrichtung gebracht. Auf den Straßen im Grenzgebiet bildeten sich Staus.
Beratungen in Brüssel: An diesem Montag treffen sich in Brüssel die EU-Innenminister, um über das Vorgehen in der Flüchtlingskrise zu beraten. Konkret geht es um die Verteilung von 120.000 Flüchtlingen aus Griechenland, Italien und Ungarn auf andere EU-Länder. Dies hatte EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker vorgeschlagen. Bei einer Sondersitzung der ständigen EU-Botschafter der Mitgliedstaaten in Brüssel zeigte sich am Sonntag, dass diese Frage weiter umstritten ist.
Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) zeigte sich allerdings vorsichtig optimistisch hinsichtlich eines Entgegenkommens der anderen EU-Staaten: „Nun, das sieht nicht so schlecht aus, wie es vor der Sommerpause aussah, aber ich halte nichts davon vor Verhandlungen schon Wasserstandsmeldungen abzugeben. Wir werden kämpfen“, sagte der CDU-Politiker am Sonntagabend in einem ARD-„Brennpunkt“. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) stimmte sich am Sonntagabend hierüber mit dem französischen Staatspräsidenten François Hollande ab.
Als Reaktion auf den Andrang Zehntausender Flüchtlinge hatte de Maizière am Sonntagabend angekündigt, dass Deutschland wieder Grenzkontrollen einführt. Schwerpunkt ist zunächst die Grenze zu Österreich. Zudem unterbrach die Deutsche Bahn den aus Österreich kommenden Zugverkehr bis zu diesem Montagmorgen um 7 Uhr.
De Maizière ließ offen, wie lange Deutschland wieder Grenzkontrollen vornehmen wird. Die Rechtslage lasse nur vorübergehende Kontrollen aus Gründen der öffentlichen Sicherheit zu, sagte er in der ARD. „Darum geht es hier. Und das wäre nicht gut, wenn wir vorher sagen würden, wir lange das geht. Das machen wir jetzt mal eine Weile.“
(mit AFP, dpa, EPD, KNA, Reuters)
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