Thomas Pikettys zweites Buch: Der Star-Ökonom, der jedem Franzosen 120.000 Euro schenken will
90 Prozent Vermögenssteuer für Milliardäre, Abkehr vom Besitz - auch in „Capital et Idéologie“ stellt der linke Professor radikale Thesen und Forderungen auf.
Schon mit seinem ersten Buch aus dem Jahr 2013 „Das Kapital im 21. Jahrhundert“ sorgte der französische Wirtschaftsprofessor Thomas Piketty weltweit für Aufsehen. Vor allem in den USA war seine These, dass unregulierter Kapitalismus immer zu Vermögensungleichheit führt, hoch umstritten.
Nun hat er nachgelegt. Sein neues Werk erscheint am heutigen Donnerstag in Frankreich und trägt den Titel „Capital et Idéologie“ (zu deutsch: Kapital und Ideologie). Es ist ein ehrgeiziges Werk von 1232 Seiten. Und wieder spart Piketty nicht an radikalen Forderungen.
„Ich schlage vor, dass wir das Privateigentum hinter uns lassen und zum sozialen und temporären Eigentum übergehen.“ Was für ihn aber keinesfalls Kommunismus bedeutet, sondern ein bessere Verteilung des Reichtums. Der Franzose, Forschungsdirektor an der Schule für Sozialforschung EHESS und Wirtschaftsprofessor am Ecole d´économie in Paris, sieht Ungleichheit als ideologisch und politisch bestimmt und damit gewollt.
Pikettys erstes Werk wurde in 40 Sprachen übersetzt und mehr als 2,5 Millionen Mal verkauft. „Capital et Idéologie“ bezeichnet der Autor selbst im Vorspann als eine Fortsetzung. Er betont: „Es ist Zeit, den Kapitalismus zu überwinden.“
Reichtum solle nicht mehr nur in den Händen weniger sein, das Kapital müsse besser verteilt werden. Er zeigt unter anderem mit Grafiken, dass ab den 1980er Jahren die Reichen immer reicher wurden. Das Buch ist eine Geschichte der Ungleichheit auf wirtschaftlicher, sozialer, intellektueller und politischer Ebene von frühen Sklavengesellschaften bis zu den heutigen modernen kapitalistischen Formen.
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Barack Obama schwört auf Thomas Piketty
Pikettys Tenor dabei: Der Kampf für Gleichheit und Bildung war es, der die wirtschaftliche Entwicklung und den menschlichen Fortschritt gefördert hat, nicht der Besitz. Er plädiert für einen neuen Sozialismus, in dem Mitbestimmung herrscht. Für ihn ist das eine neue Gleichheit, sozialer, in der alle das gleiche Recht auf Bildung haben, die Macht besser verteilt ist und niemand zu viel Eigentum anhäufen kann.
Obwohl es auf trockenen Zahlen beruht, konnte Piketty mit dem ersten Werk eine große Leserschaft erreichen. Er selbst glaubt fest daran, dass Buch Nummer zwei ihm noch besser gelungen ist. Dem Magazin „L’Obs“ sagte er: „Ich habe Fortschritte gemacht.“
Er habe noch mehr Material gesammelt. Deshalb brauche er noch ein paar Seiten mehr. Dass das Thema Wirtschaft die große Leidenschaft des heute 48-Jährigen ist merkt man. Auf Basis vieler Forschungsergebnisse und Zahlen leitet er konkrete Tipps für Änderungen der Wirtschaftsordnung ab. Und er könnte damit durchaus Gehör finden; viele politisch eher links Beheimatete schwören auf ihn, so auch der Ex-US-Präsident Barack Obama.
Besitz ist für Piketty dabei heute so etwas wie eine heilige Kuh. „Die Sakralisierung des Eigentums ist eine Art Antwort auf das Ende der Religion.“ Es fülle die Leere. Da Piketty aber ein pragmatischer Ökonom und kein Idealist ist, will er den Kapitalismus nicht abschaffen, sondern eben nur geschickt „überwinden“. Privateigentum soll nicht abgeschafft werden, sondern umgewandelt werden, sozial werden und nicht mehr auf alle Ewigkeit in den Händen weniger verbleiben.
90 Prozent Vermögenssteuer
Dazu kommen vor allem im letzten Teil des Buches die konkreten Beispiele: Kein Aktionär soll an börsennotierten Firmen mehr als zehn Prozent der Stimmrechte halten dürfen – so wird der Besitz eingeschränkt.
Piketty schlägt außerdem eine progressive Vermögenssteuer ab 100.000 Euro vor, die für Milliardäre dann 90 Prozent betragen soll. Das habe es nach dem ersten Weltkrieg schon in den USA gegeben, rechtfertigt sich Piketty. Damit will er die abgehobene Luxuswelt der Milliardäre zerschlagen.
Das Geld aus der Reichensteuer will er für eine „Universalkapitalausstattung“ verwenden, eine Art Grundeinkommen für alle. Alle Französinnen und Franzosen sollen – sobald sie 25 Jahre alt werden – 120.000 Euro erhalten, damit sie Häuser kaufen und Firmen gründen können.
Das ist in Paris nicht viel: damit kann man gerade mal zehn Quadratmeter erwerben. Privateigentum, das im Rahmen bleibt, sieht Piketty durchaus als vernünftige Motivation. Laut Piketty stört eine Reichensteuer das Wachstum keinesfalls. Im Gegenteil; in den Unternehmen plädiert er für mehr Mitbestimmung der Angestellten und bessere Verteilung der Macht, um auch die Bezahlung von Spitzenmanagern transparenter zu machen.
Im Gegensatz zu Präsident Emmanuel Macron will er das Gesamtvermögen wieder versteuern. Macron war davon abgerückt und veranschlagt die Steuer nur noch auf Immobilien ab 1,3 Millionen Euro, nicht mehr auf Kapital. Das kritisiert Piketty im Interview mit „L’Obs“: „Das wirkliche Ziel war, die Reichen zu schonen.“ In Deutschland soll das Buch am 11. März 2020 im Verlag C.H. Beck erscheinen.