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Einmal volladen, bitte. Wegen steigender Bodenpreise und langwieriger Genehmigungsverfahren für Abbauflächen droht in Deutschland ein Lieferengpass für Sand. Das könnte die Preise in der Bauwirtschaft weiter in die Höhe treiben.
© imago/Westend61

Bauwirtschaft: Der Sand wird knapp

Berlin und Brandenburg gehören zu den sandreichsten Regionen – doch nun droht ein Lieferengpass. Der könnte fatale Folgen für die Baubranche haben.

Wie wenig man auf den Berliner Sand bauen kann, ahnte schon Adolf Hitlers Architekt Albert Speer. Von Zwangsarbeitern ließ er in Schöneberg einen riesigen Betonzylinder errichten. Er wollte testen, ob der Boden das Gewicht eines Triumphbogens halten würde, der die „Welthauptstadt Germania“ zieren sollte – tatsächlich sank der Naziklotz genannte Schwerbelastungskörper ein.

Doch obwohl Berlin zu den sandigsten Regionen Deutschlands gehört, dank der angrenzenden „märkischen Sandbüchse“ Brandenburg, droht nun ein Lieferengpass des wichtigen Massenrohstoffs – mit womöglich fatalen Folgen für die Baubranche: Denn ohne Sand kein Beton. Und ohne Beton keine Straßen, Häuser, Brücken.

Grund für die Knappheit seien zunehmende Schwierigkeiten bei der Gewinnung von Sand, teilte die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) am Freitag mit. Zwar gebe es in Deutschland mit Ausnahme von Regionen wie München oder Stuttgart „eine fast unendlich große Menge an Sand“, erklärte die BGR. Dennoch drohten „erhebliche Versorgungsengpässe“, weil ein Großteil der Sand-, Kies- und Natursteinvorkommen in Deutschland nicht abbaubar sei. Etwa weil die Flächen überbaut seien oder dort Schutzgebiete eingerichtet wurden.

Weniger Bauern verkaufen ihr Ackerland

Ein weiterer Faktor sei außerdem die Entwicklung auf dem Grundstücksmarkt: Laut BGR stellen immer mehr Landwirte ihre Flächen nicht für einen Rohstoffabbau zur Verfügung, weil es sich für sie nicht lohnt, in Zeiten niedriger Zinsen und gleichzeitig steigender Preise für Ackerland, ihre Flächen zu verkaufen oder zu verpachten. In einigen Gebieten hätten bereits Kieswerke aufgrund fehlender Erweiterungsflächen geschlossen werden müssen, erklärte Studienautor Harald Elsner. Zurzeit werden in Deutschland nach Angaben der BGR pro Jahr rund hundert Millionen Tonnen Bausand gewonnen. Die Menge ist demnach seit 2012 wegen der privaten Bauinvestitionen um rund fünf Prozent gestiegen.

Neun Euro kostet die Tonne Sand in Berlin, 15 Euro in München

Davon profitiert auch Mario Wersig, der im brandenburgischen Horstfelde etwa eine Million Tonnen Sand pro Jahr abbaut. Kurzfristig drohe sicher kein Engpass, sagt er: „Aber sicher mittel- bis langfristig, denn es gibt nicht genügend Lager und Abbauflächen.“ Etwa neun Euro kostet eine Tonne Sand in Berlin derzeit nach seinen Angaben – das ist noch günstig im Vergleich zum sandarmen München, wo der Preis bei rund 15 Euro liegt.

Förderbänder stehen in einer Kiesgrube in Sachsen.
Förderbänder stehen in einer Kiesgrube in Sachsen.
© Candy Welz/dpa

Als schnelle Lösung nun einige Ladungen aus der Wüste einfliegen zu lassen, ist jedoch keine gute Idee – denn Sand ist nicht gleich Sand. Die Körner aus der Wüste etwa sind vom Wind so fein geschliffen, dass sie keine ausreichende Bindung im Beton erlangen würden. Als Dubai beispielsweise seine künstlichen Inseln baute, musste deshalb Sand aus Lagerstätten vor der Ostküste Australiens herangeschafft werden.

4,6 Tonnen Sand verbrauchen Europäer im Schnitt pro Jahr, den höchsten Verbrauch hat nach einer Studie des UN-Umweltprogramms Unep aber Singapur mit 5,4 Tonnen pro Kopf pro Jahr. Weil sich die Bevölkerung des Stadtstaats binnen Jahrzehnten vervielfacht hatte, musste er 130 Quadratkilometer Land aufschütten, um den Staat dadurch um ein Fünftel zu vergrößern.

Auch Megastädte wie Mumbai, Lagos oder Shanghai haben einen großen Bedarf

Auch andere Megastädte wie Mumbai, Lagos, Shanghai oder Sao Paulo brauchen Sand, um weiter wachsen zu können. Eine regelrechte Sand-Mafia hat sich deshalb inzwischen etabliert, die den Sand schmuggelt wie kostbare Diamanten. Schließlich wird er nicht nur zum Bau genutzt. Sondern ohne Sand gibt es auch kein Glas, kein Asphalt, kein Plastik, auch für Farben, Klebstoff und Mikroprozessoren wird er verarbeitet.

Um den nun auch in Deutschland drohenden Engpass zu lösen, fordert Olaf Enger, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes Mineralische Rohstoffe (Miro), schnellere Genehmigungszeiten und mehr Abbauflächen. Derzeit würde es fünf bis zehn Jahre dauern, bis alle Gutachten fertig und eine Fläche freigegeben sei. Im Straßenbau in Nordrhein-Westfalen gebe es bereits Probleme. Er wisse auch von Bauunternehmen im Berliner Raum, die drei Wochen auf Beton hätten warten müssen. „Wir brauchen mehr Flächen und schnellere Freigaben, wenn sich die Krise nicht weiter zuspitzen soll“, betont er.

Speers Naziklotz ist übrigens heute noch zu begutachten. Er steht im Berliner Ortsteil Tempelhof an der Ecke General-Pape-Straße und Loewenhardtdamm.

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