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Sand im Meer. Millionen Tonnen Sand sind vor Dubai aufgeschüttet worden, um künstliche Inseln zu schaffen.
© Anwar Mirza/Reuters

Schwindender Rohstoff: Sand  auf Abwegen

Weltweit wird so viel gebaut, dass an vielen Orten Sand und Kies knapp werden. Wird der Sand aus dem Meer geholt, verändert das die Ökologie. Nun sollen Wüstensand und Baustoffrecycling helfen.

Sand gibt es fast überall. Natürlich am Strand, in der Sandwüste sowieso, aber auch in ganz Norddeutschland und vielen anderen Flachländern. Selbst in Metropolen, denn der augenfällige Beton in Häusern, Brücken und Straßen besteht zu großen Teilen ebenfalls aus Sand. Und das wird zunehmend zum Problem: Für Bauvorhaben, aber auch für andere Anwendungen werden jährlich schätzungsweise rund 15 Milliarden Tonnen Sand und etwa doppelt so viel Kies abgebaut. Das führt zu teils erheblichen Schäden, in einigen Gegenden wird der Rohstoff bereits knapp.

Für die künstlichen Inseln, die in Dubai in den vergangenen Jahren geschaffen wurden, war so viel Sand nötig, dass die lokalen Vorkommen im Meer aufgebraucht sind. Der nahe Wüstensand wiederum ist zum Bauen nicht geeignet: Die Körner sind vom Wind so glatt geschliffen, dass sie keine ausreichende Bindung im Beton erlangen. Also wurde massenhaft Sand aus Lagerstätten vor der Ostküste Australiens herangeschafft. Er war gut genug, um auch ausgefallene Architekturideen wie den 828 Meter hohen Burj Kalifa in den Himmel wachsen zu lassen.

Sandschmuggel in Südostasien

Den größten Sandverbrauch pro Kopf gibt es jedoch in Singapur: 5,4 Tonnen pro Jahr. Das geht aus einer Veröffentlichung des UN-Umweltprogramms Unep („Sand, rarer than one thinks“, hier geht es zum PDF) hervor, die sich dem knapper werdenden Rohstoff widmet. In dem kleinen Land hat sich die Bevölkerung binnen Jahrzehnten vervielfacht, um Platz zu schaffen, wurden 130 Quadratkilometer Land aufgeschüttet und so der Stadtstaat um ein Fünftel vergrößert. Der Stoff wird aus Malaysia, Thailand und Kambodscha herbeigeschafft, vor allem aber aus Indonesien. Dort sollen durch den Abbau zwei Dutzend Inseln verschwunden sein, was wiederum Streit über die Abgrenzung von Hoheitsgewässern zur Folge hatte. Immer wieder ist auch von Schmuggel und mafiösen Strukturen die Rede.

Insel in Palmenform. So sahen die künstlichen Inseln vor Dubai im Jahr 2009 aus.
Insel in Palmenform. So sahen die künstlichen Inseln vor Dubai im Jahr 2009 aus.
© Matthias Seifert/Reuters

Sand wird in der Natur ständig neu produziert. Durch das Wechselspiel der Jahreszeiten, chemische Einflüsse und mechanische Zerkleinerung in Bächen und Flüssen werden aus großen Felsmassiven über Jahrtausende kleine Fragmente, die je nach Größe der Körner als Kies (63 bis zwei Millimeter), Sand (zwei bis 0,063 Millimeter), Schluff und Ton bezeichnet werden. Je nach Größe (und damit Gewicht) der Körner werden diese vom Wasser besser oder schlechter transportiert. Ein großer Vorteil: Statt einem wilden Durcheinander verschiedenster Körner entstehen so in Flüssen und Meeren Lagerstätten mit jeweils ähnlichen Partikeln, die als Bausand oder Zuschlagstoff für Beton verwendet werden. Die natürliche Sandproduktion dauert jedoch Jahrtausende, der aktuelle Verbrauch ist weitaus größer als das, was nachkommt.

Sand bremst die Erosion durch Wellen

So geht der Sand an vielen Orten verloren, was einige Probleme schafft. Wird er in großen Mengen aus Flüssen gewonnen, ändern sie ihr Erosionsverhalten, was auch Bauwerke wie Brückenpfeiler bedroht. Seit einigen Jahren werden zunehmend Vorkommen im Meer abgebaut. Das beeinträchtigt zum einen die lokalen Ökosysteme, wenn das Wasser trüb und der Untergrund zerfurcht wird. Zum anderen fehlt der Sand als Energieabsorber für auflaufende Wellen, die umso mehr Schaden am Ufer verursachen, nämlich dort den Strand fortspülen. Das schadet dem Küstenschutz wie dem Tourismus, der in manchen Gegenden eine tragende Säule der Wirtschaft ist.

In Deutschland ist die Lage etwas anders. Zwar wird auch hier viel Sand an den Küsten fortgespült, doch das hat mit der geologischen Entwicklung insbesondere der nur wenige tausend Jahre alten Ostsee zu tun. Ihre Küste ist noch nicht „zur Ruhe gekommen“: Was an der einen Stelle fortgewaschen wird, landet anderswo wieder an. Nicht zuletzt ist die ständige Veränderung der Natur keine Ausnahme, sondern ihr Markenzeichen. Wenn hierzulande bestimmte Strände oder Abschnitte, die für den Küstenschutz wichtig sind, Sand verlieren, wird neues Material aus den reichen Meeresvorkommen entnommen und wieder aufgespült.

In Deutschland ist das größere Problem, eine Abbaugenehmigung zu erhalten

Auch an Land ist hierzulande genug da. „Hier ist reichlich Sand vorhanden, aber die Gewinnung wird langfristig trotzdem schwieriger“, sagt Harald Elsner von der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) in Hannover. Mehr als 90 Prozent der möglichen Abbauflächen seien genutzt für Siedlungen oder Landwirtschaft, teils befinden sie sich in Schutzgebieten. „Es wird immer komplizierter, eine Genehmigung für einen Abbau – egal für welchen Rohstoff – zu bekommen.“

Die bestehenden Sand- und Kiesgruben liefern aber noch in ausreichender Menge. Sand gibt es im Norden satt, dort werde er teilweise für unter zwei Euro die Tonne verkauft, berichtet Elsner. „Mitunter wurde er sogar verschenkt, weil die Betreiber mehr an dem enthaltenen Kies interessiert waren, denn der bringt mehr Geld.“ Im Süden gibt es etwas weniger Sand, da müsse man mit mindestens fünf bis sechs Euro pro Tonne rechnen. Dafür gibt es dort mehr Kies, den man notfalls durch eine Brecheranlage schickt, um Sand daraus zu machen. „Kleiner geht immer“, sagt der Geologe.

Baustoff-Recycling als Ausweg

Auch die Qualität spielt eine Rolle. Der Anteil kleiner Körnchen sollte nicht zu hoch und keine Bestandteile wie Pyrit und Huminstoffe darin enthalten sein, die die Qualität des Betons verringern. „Erfüllt der Sand die Kriterien nicht, kann er immer noch im Straßenbau als Unterlage verwendet werden“, sagt Elsner. Die Qualitätsanforderungen könnten langfristig zum Problem werden. Neben dem Umstand, dass eine Abbaugenehmigung immer schwieriger zu bekommen ist , sagt auch Dietmar Stephan vom Fachgebiet Baustoffe an der TU Berlin. „Natürlich werden zuerst die Lagerstätten abgebaut, wo die Qualität stimmt, später kommen weniger gute Vorkommen an die Reihe, die beispielsweise eine bessere Aufbereitung erfordern.“ Er und andere Experten sehen im Baustoff-Recycling einen Ausweg, um die natürlichen Ressourcen zu schonen. „Was die internationale Bauwirtschaft betrifft, ist es nicht allein der Sand, der knapp wird“, sagt Stephan. „Auch beim gröberen Kies gibt es Engpässe, die mindestens genauso groß sind.“

Eine Wiederverwertung von Bauschutt ist jedoch aufwendig. Er ist nicht so einheitlich zusammengesetzt wie das Material in einer Sandgrube und muss aufbereitet werden. Holz muss raus, ebenso Dämmstoffe. Dann muss alles durch einen Brecher und gesiebt werden. „Die größeren Stücke ab vier Millimeter können wie Kies zu neuem Beton hinzugefügt werden, feinere Bestandteile sind aber nicht verwendbar“, sagt Stephan. In der Regel wisse man nicht, welche Inhaltsstoffe drin sind und ob sie unerwünschte chemische Reaktionen auslösen, die die Qualität des Betons mindern.

Glatter Wüstensand soll besser haften

Obwohl es erlaubt ist, einen gewissen Anteil Alt- Baustoffe in den Beton zu geben, werde es kaum gemacht, berichtet der Forscher. „Die Aufbereitung ist noch teurer als der natürliche Rohstoff.“ Das liege auch daran, dass heute beim Bauen kaum einer das Recycling mitdenke. „Jetzt haben wir einen Mix aus Stein, Mörtel, Kleber und Wärmedämmung – da wird sich hinterher keiner hinstellen und das auseinander friemeln.“ Stephan plädiert dafür, von vornherein die Wiederverwertung mit zu bedenken. Das bedeutet, dass sich Stoffe leichter voneinander trennen lassen, oder den Maueraufbau ausschließlich aus anorganischen Stoffen zu bewerkstelligen. Dazu müsste die Wärmedämmfähigkeit von Beton verbessert werden. „Das könnte gelingen, in dem sehr poröse Gesteine verwendet werden oder indem der Beton regelrecht aufgeschäumt wird.“ An solchen Anforderungen werde geforscht, denn noch ist die Festigkeit von solch einem Leichtbeton zu gering. Ein Recycling-Anteil von 20 bis 30 Prozent in neuem Beton hält der TU-Forscher für durchaus machbar. Das würde die natürlichen Ressourcen spürbar entlasten.

Ein weiterer Weg, um die Sandkrise zu überwinden besteht darin, Wüstensand fürs Bauen nutzbar zu machen. „Es gibt verschiedene Forschungen, um die glatte Oberfläche mit chemischen und physikalischen Verfahren aufzurauen, damit sie sich besser im Beton verbinden“, erläutert Stephan. Dazu gehört etwa, die äußerste Schicht etwas anzuschmelzen, um ihre Struktur zu verändern. „Das ist sehr energieintensiv“, nennt der Forscher ein Handicap. „Aber in Regionen, in denen der Sand knapp ist, scheint in der Regel viel Sonne – diese Energiequelle muss nur erschlossen werden.“

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