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Studenten verfolgen eine Vorlesung. Berlin ist im internationalen Vergleich in Sachen Informatik im Mittelfeld.
© Jan Woitas/dpa

IT-Professuren im globalen Vergleich: Berlin ist im Mittelfeld

Berlin hat mehr als 150 Informatik-Professuren. Im weltweiten Vergleich ist das nicht schlecht – doch bis zur Spitze ist es weit.

Stanford, in den 1990er Jahren. Larry, ein Informatik-Doktorand der US-Uni, ist auf der Suche nach seinem Dissertationsthema. Das junge World Wide Web fasziniert ihn, er will herausfinden, wie die Seiten des Webs verbunden sind. Bald tut er sich mit seinem Kommilitonen Sergey zusammen und sie erkennen, dass sich mit den Algorithmen, an denen sie forschen, das Internet perfekt durchsuchen lässt. Ein Professor sieht die Brillanz hinter ihren Ideen und gibt den Doktoranden 100 000 Dollar für ihr Projekt.

Nach der Zahl der Informatik-Profs auf einem Level mit US-Standorten

Die Dissertation ist zwar bis heute nicht vollendet. Doch aus dem Forschungsprojekt wurde eines der größten Unternehmen der Welt: Google. Die Geschichte der Gründer Larry Page und Sergey Brin steht wie kaum eine andere für die Symbiose von Wissenschaft und Wirtschaft im Silicon Valley. Und so ist der Großraum San Francisco, zu dem das Silicon Valley gehört, der Fixpunkt für die Informationswissenschaften weltweit.

„Natürlich schaut dort jeder hin“, sagt Christoph Meinel, Direktor des Potsdamer Hasso-Plattner-Instituts. Die Universitäten Stanford und Berkeley verfügen über riesige Informatik-Fachbereiche.Meinel spricht von einem „Treibhaus“, das Unis, die vielen Start-Ups und Großfirmen um San Francisco bilden: „Forschung kommt hier auf ganz kurzem Weg zur Anwendung.“ Die Unis würden als „starke Motoren wirken, an denen man neue Ideen austüfteln und vorantreiben kann“. Immer wieder neue Talente bringen die Unis sowieso hervor. und stärken so die Unternehmen; neben Google sitzen Facebook und Apple um die Ecke.

Wo steht Berlin und Deutschland wissenschaftlich in der weltweiten Konkurrenz der IT-Standorte? Geht es nach der Zahl der Professuren in der Informatik, liegt Berlin mit 154 im Mittelfeld, etwa auf einem Level mit bedeutenden US-Standorten. Singapur und Hongkong als Zentren in Asien sind deutlich besser an Professoren ausgestattet, Paris als europäischer Spitzenreiter ebenso. Die Zahlen beruhen für die USA auf einer Studie der Brown University und beziehen sich auf die wichtigsten Unis an den Standorten. Für die anderen Zentren wertete der Tagesspiegel Angaben der großen Unis zur ihren Informatik-Fachbereichen aus. Für Berlin stammt die Zahl der Professuren vom Statistischen Bundesamt und umfasst alle Hochschulen der Stadt, also auch die Fachhochschulen.

Silicon Valley forscht zu klassischer Software-Informatik, Berlin zur Industrie 4.0

Nun sind die Wissenschaftssysteme der Länder nur bedingt vergleichbar. Die Londoner Unis etwa beschäftigen neben ihren Professoren unzählige Lecturer, so dass die Fachbereiche tatsächlich deutlich größer sind. In Deutschland gibt es diese Personalkategorie nicht. Andererseits verfügen Fachhochschulen in Deutschland über ein Niveau, das kleinere Hochschulen anderswo, etwa Community Colleges in den USA, kaum erreichen – was deutsche Standorte stärkt.

Vergleicht man nur die Universitäten untereinander, ist der Abstand Berlins zu den USA größer. Führen die drei großen Berliner Universitäten – FU, HU und TU – zusammen 64 Informatik-Professuren, verfügt das MIT in Boston allein über 80. Auch die Fachbereiche der großen Unis um San Francisco – neben Stanford (52) ist das Berkeley (54) – lassen die Pendants in Berlin deutlich hinter sich. In Paris forschen an gleich drei Unis mehr als 50 Informatik-Professoren, an der National University Singapore sind es sogar 116.

Wer weltweit führend ist, hängt aber ohnehin vom Thema ab: „Die“ Informatik gibt es nicht, sagt Peter Liggesmeyer, Präsident der Gesellschaft für Informatik. Die Schwerpunkte von Wirtschaft und Wissenschaft würden einander oft bedingen. In den USA dominierten Softwareunternehmen wie Google oder Microsoft. Und so seien Berkeley und Stanford vor allem bei der „klassischen Software-Informatik“ gut. Deutschlands große IT-Unternehmen seien dagegen keine reinen Softwarefirmen – sondern Technikmultis wie Siemens oder die Firmen in der Autoindustrie. „Die Musik spielt bei uns auch in der Wissenschaft dort, wo Informatik auf klassische Ingenieurtechnik, auf andere Fächer trifft.“ Auch die Berliner forschen intensiv zu dieser „Industrie 4.0“, zu den Stärken gehören zudem die Schnittstellen zur Mathematik oder zur Neurowissenschaft.

Big Data, Netzwerke oder Kommunikationssysteme gehören ebenfalls zu Schwerpunkten der Berliner Forschung – wie die Industrie 4.0 Großthemen, die Wissenschaftler auf der ganzen Welt beschäftigen. Die Konkurrenz ist dementsprechend groß, die Wissenschaftsregion Berlin/Brandenburg müsse sich anstrengen mitzuhalten, sagt Christoph Meinel: „Anspruch und Wirklichkeit klaffen bei uns in Deutschland manchmal noch auseinander.“

Derzeit ist Brasilien stark im Kommen

Mit welchem Aufwand anderswo auf dem Gebiet geforscht wird, zeigen die Franzosen: Die haben mit dem „Inria“ ein riesiges Institut für die Informationswissenschaften, wo allein 1300 Forscher arbeiten. Das Technion in Haifa hat sich einen Namen bei der Cyber Security gemacht. Hongkong nimmt für sich in Anspruch, in der Forschung die Brücke zwischen China und dem angelsächsischen Raum zu schlagen zu können. „Wir profitieren von beiden Kulturen“, sagt Qiang Yang, der die Informatik -Fachbereich der Hongkong University of Science and Technology leitet. Bei Publikationen sieht er die Unis aus Hongkong „on par“ mit den besten weltweit. „Wir müssen aber noch besser in die Gesellschaft und Wirtschaft hineinwirken.“ Aus Asien werben übrigens die USA viele Forscher ab, insbesondere von den indischen Technologieinstituten. Und immer wieder entwickeln sich neue IT-Zentren, sagt Liggesmeyer: Momentan sei Brasilien stark im Kommen.

VERANSTALTUNGSHINWEIS

Über 100 Digital-Forscher kommen am 7. Oktober im „Kosmos“ (Karl-Marx-Allee 131a) zusammen. Beim Digital Science Match, veranstaltet von Tagesspiegel und „Die Zeit“, trifft sich die digitale Szene – Wirtschaft, Wissenschaft, Start-ups und Studierende. In Impulsvorträgen von drei Minuten Länge stellen die Forscher ihre zentralen Ideen vor. Die Keynote zur Eröffnung der Konferenz spricht Berlins Regierender Bürgermeister, Michael Müller (SPD). Für die Veranstaltung sind noch Restkarten verfügbar. Auch kann man sich für die Teilnahme noch auf ein Stipendium bewerben.

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