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Boxt für die Türkei. Ünsal Arik (rechts) bei einem EM-Titelkampf im Super-Weltergewicht.
© Burghard Schreyer/Imago

Boxer Ünsal Arik über die Özil-Debatte: "Sich in die Opferrolle zu begeben, finde ich zu einfach.“

Der in Bayern aufgewachsene Boxer Ünsal Arik ist Erdogan-Gegner und kritisiert Mesut Özil scharf. Die Erklärungen des Fußballers für das umstrittene Foto bezeichnet er als dumm.

Von David Joram

Es ist eine blöde Frage, die nun wieder vermehrt Menschen wie Ünsal Arik, dem Boxer mit deutschen und türkischen Wurzeln, gestellt wird: Also, Herr Arik, als was fühlen Sie sich denn nun? Als Deutscher? Als Türke? Deutschtürke? Türkendeutscher?

Die Frage ist deshalb blöd, weil Ünsal Arik, 37, sich vor allem als Mensch fühlt. Natürlich. Aber, und das ist nun wieder das Problematische, seit sich der Fußballermensch Mesut Özil mit dem Präsidentenmensch Recep Tayyip Erdogan fotografieren ließ: Keiner will in diesen aufgeregten Zeiten, in denen Nationalitäten, Pässe und Zugehörigkeiten wieder verdammt wichtig genommen werden, diese menschliche Antwort hören. Von Ünsal Arik schon gar nicht, schließlich hat er Mesut Özil in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ)“ scharf attackiert. Noch nie habe er eine dümmere Aussage gehört, formulierte Arik da, konfrontiert mit Özils Erklärung, das Foto mit Erdogan sei nicht politisch motiviert gewesen. Arik machte in der „FAZ“ deutlich, dass er nicht nur Erdogan-Gegner ist, sondern auch Özil und Gündogan gar nicht erst für die WM nominiert hätte. Für Arik gilt: Türke oder Deutscher, beides geht nicht.

Den Rassismus-Vorwurf findet er hart

Er selbst ist in Parsberg geboren. Das ist in Bayern, Region Oberpfalz. Arik spricht Dialekt und bekräftigt dem Tagesspiegel gegenüber seine Aussagen. Özils Foto mit Erdogan und die folgende Erklärung basierten auch auf monetären Gründen, vermutet er. „Die größte Waffe ist Geld. Bei Özil kann ich mir einen wirtschaftlichen Hintergrund gut vorstellen. In den türkischen Medien wird er als Held gefeiert, er kann sich dort nun als König sehen lassen. Das wirkt sich auch positiv auf die Finanzen aus“, sagt Arik.

Und die Rassismus-Vorwürfe gegen den DFB? „Das ist sehr hart. Warum sagt er das jetzt erst? Früher, als es gut lief, hat man nichts von ihm gehört.“ Arik sagt aber auch: „Rassismus gibt es in jedem Land. Deutschland ist da natürlich keine Ausnahme. Wir hatten Lehrer, die haben zu uns gesagt: ,Aus Euch Türken und Kanaken wird eh nichts.’“ Nur finde er, dass wegen ein paar „Idioten“ nicht das ganze Land so ticken müsse. „Man hat als Türke Chancen, etwas zu erreichen, aber man muss mehr dafür tun. Sich in die Opferrolle zu begeben, finde ich zu einfach.“

"Ich sehe mich als Türke"

Arik, der erst mit 27 Jahren seine Box-Karriere in Regensburg startete, kann auch für den Fußball sprechen. Er spielte in der B-Jugend des heutigen Zweitligisten Jahn Regensburg, in der A-Jugend sogar für den türkischen Topklub Fenerbahce Istanbul. „Ich war zum Glück sehr talentiert, deshalb hatte ich aufgrund meiner Herkunft im Sport keine Probleme. Aber mein Vater hat mir immer gesagt: ,Ünsal, du musst mindestens doppelt so gut spielen wie die Deutschen’“, sagt Arik.

Dass in Deutschland prozentual mehr Erdogan-Wähler leben als in der Türkei, kann Arik gut nachvollziehen. „Viele Menschen mit türkischen Wurzeln hatten in der Jugend Schwierigkeiten, bei Jobs wurden sie benachteiligt, auf Wohnungssuche. In die Disko kamen sie nicht rein. Die haben eine Wut in sich reingefressen.“ Und, so Arik: „Diese Wut bereitet den emotionalen Boden für Erdogan, der sagt: ‚Seht her, ich kümmere mich um Euch’.“ Auf die blöde Frage antwortet Arik so: „Ich sehe mich als Türke.“

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