Özil und die Reaktionen des DFB: Schweigen als politisches Mittel
Bis auf eine knappe Erklärung kam vom DFB nichts zu den Vorwürfen Özils. Das ist eine Unverschämtheit. Und so ein Verband will Gastgeber der EM 2024 werden? Ein Kommentar.
Der Rückritt von Mesut Özil aus der deutschen Fußball-Nationalmannschaft und die Vorwürfe gegen den Deutschen Fußball-Bund (DFB) sind seit Sonntag das Topthema, das von oben, unten, rechts und links kommentiert wird. Es geht dabei nicht mehr um den Spieler allein oder um den Fußball, es geht längst weit darüber hinaus: um die Gefahr des Auseinanderdriftens der Gesellschaft – und auch um die Frage, welche Verantwortung der DFB dabei trägt. Klare Worte und Haltung von dort sind überfällig. Doch mehr als eine wachsweiche Erklärung gab es bis zum Dienstag vom Verband nicht. Die Herren schweigen sich majestätenhaft aus, als sei es allein ihre Entscheidung, ob sie ein Wort gewähren oder nicht. Allein der Eindruck ist eine Unverschämtheit.
Der DFB ist als Verein der Gemeinnützigkeit verpflichtet: „Die Tätigkeit des Sportvereins muss dem Wohl der Allgemeinheit dienen“, zitiert der Verband selbst auf seiner Homepage aus den entsprechenden Gesetzen. Im Gegenzug dafür genießt er nicht unerhebliche steuerrechtliche Privilegien. Das Wohl der Allgemeinheit könnte man aktuell durch die vom DFB mit betriebene gesellschaftsspalterische Debatte zu Recht mit einem Fragezeichen versehen. Sollten im Gegenzug dann nicht auch die Steuerprivilegien mit einem Fragezeichen versehen werden?
Der DFB schreibt, er bedauere den Abschied Özils aus der Nationalelf. Das ändere „aber nichts an der Entschlossenheit des Verbandes, seine erfolgreiche Integrationsarbeit weiter konsequent und aus tiefer Überzeugung fortzusetzen“. So durchweg erfolgreich kann – wie sich nun zeigt – die Integrationsarbeit des DFB nicht gewesen sein. Und wie weit ist sein Präsident Reinhard Grindel von den schönen Worten tatsächlich überzeugt? Auch diese Frage muss er überzeugend parieren.
Gigantische Verantwortung
Sieben Millionen Mitglieder hat der DFB, wer ihm vorsteht, hat eine gigantische Verantwortung. Doch Grindel, ehemaliger Bundestagsabgeordneter und in Taktik nicht ganz unerfahren, hat das lange Schweigen als politisches Mittel gewählt. Es ist das falsche. Spätestens seit von Rassismus die Rede ist, erschüttert das Thema Özil die Gesellschaft.
Womöglich hat der DFB seine größte Chance schon vorher verpasst. Nach dem historischen Misserfolg der deutschen Mannschaft bei der WM in Russland hätten sie alle zurücktreten können: Trainer, Manager, Präsident. Zumal Joachim Löw, Oliver Bierhoff und Grindel, mit den Problemen, die Misserfolg mit sich bringt, nicht umgehen können. Es gab und gibt keinen Notfallplan beim DFB und auch nicht bei den Mitspielern, die schweigen nun nach dem Rücktritt von Özil wie ihr Präsident und ihr Bundestrainer. Das ist das Gegenteil von gemeinnützig. Das ist Wagenburg.
Özil muss in erster Linie guten Fußball für seinen Verein spielen, das ist seine Tätigkeit. Grindel hingegen muss keinen Fußball spielen. Seine Tätigkeit umfasst eben, dass er sich in solchen Fragen öffentlich zu Wort meldet. Wozu hat sonst der DFB einen Präsidenten?
schreibt NutzerIn philoktes
Der Verband hat bei der WM in Russland nicht nur kurzfristig den guten Ruf auf dem Fußballplatz verspielt, er hat sein ohnehin brüchiges Image vollends ruiniert. Und so ein Verband will Gastgeber der Europameisterschaft werden? Im Rennen um die Austragung der EM 2024 fällt die Uefa-Exekutive am 27. September ihre Entscheidung, zwischen Deutschland und der Türkei. Ausgerechnet. Grindel hat davon gesprochen, dass ein Zuschlag eine Initialzündung für eine deutsche Olympia-Kandidatur wäre. Das kann Deutschland alles vergessen, wenn sich nichts ändert. Der DFB sollte reden. Reinhard Grindel muss reden. Jetzt. Damit der Schaden nicht noch größer wird.
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