Debatte um Mesut Özil: Integration ist eine Bereicherung für beide Seiten
Eine Sache hat die Debatte um Özil ganz deutlich gezeigt: Was man in Deutschland im Jahr 2018 unter „Integration“ versteht, darüber besteht keine Einigkeit. Ein Kommentar.
Eine Sache hat die Debatte um Özil ganz deutlich gezeigt: Was man in Deutschland im Jahr 2018 unter „Integration“ versteht, darüber besteht keine Einigkeit. Wie sollte es auch – selbst in der Wissenschaft reicht das Spektrum von denen, die meinen, spätestens die Enkel von Einwanderern müssten Religion und Sprache der Herkunftskultur(en) vergessen haben, bis zu denen, die sagen, die Gesellschaft sei wie eine Familie: Gemeinsame Verwandte und geteilte Macken wie die leicht höckrige Nase reichen, um einen mit der Cousine zweiten Grades an einen Tisch und ins Gespräch zu bringen, kurz: ein Zusammengehörigkeitsgefühl zu erzeugen.
In den USA hat man letztere Idee mit dem Schmelztiegel-Modell auf die Spitze getrieben: Perfektes Englisch? Nicht so wichtig. Hat jemand ein gut laufendes Geschäft oder schießt Körbe für ein College- oder gar das Nationalteam und steht brav beim Fahneneid auf, ist er Amerikaner. Natürlich gibt es auch dort Rassismus und sozioökonomisch benachteiligte Bevölkerungsgruppen. Die Frage, ob jemand seinen Wurzeln treu bleiben und Religion, Kultur und Respekt vor noch so kritikwürdigen Staatsoberhäuptern des Heimatlandes der Eltern behalten darf, wird man dort aber nicht stellen. Die „German Angst“ vor „fremden“ Aspekten der Einwanderer und ihrer Nachfahren ist den Amerikanern unbekannt. Und sie sollte es auch uns sein, ist Deutschland doch selbst ein relativ junges und durch Kriege zusammengestückeltes Land, das italienisch anmutendes dolce vita aus der Alpenregion mit skandinavischer Trockenheit im Norden verbindet. Was uns eint sind der Pass, das Grundgesetz und der Wille, Unterschiede auszuhalten. „Integration ist in hohem Maße gekennzeichnet durch ein Dazwischen und ein Sowohl-als-auch“, sagt auch der Osnabrücker Integrationsforscher Jochen Oltmer dazu.
Was wir unter Integration verstehen, ob wir Assimilationsmaschine oder Großfamilie sein wollen, das müssen wir dringend verhandeln. Integration ist keine Einbahnstraße und kein Nullsummenspiel, es ist eine Bereicherung für beide Seiten. Das müssen wir dem Fünftel unserer Bevölkerung, das einen Migrationshintergrund hat, deutlich zeigen. Damit sich die kleinen und großen Mesuts willkommen fühlen dürfen. Sonst wird es auch nichts mit dem fünften Stern.