Tour de France: Kampf der Generationen
Mit Nairo Quintana, Vincenzo Nibali, Christopher Froome und Alberto Contador kämpfen ab Samstag vier Fahrer bei der diesjährigen Tour de France um den Toursieg. Vorher möchte Tony Martin aus Cottbus aber das Gelbe Trikot erobern.
Sportreporter aller Herren Länder nennen sie die „Fantastischen Vier“, gern auch die „Galacticos“. Sie meinen die Favoriten dieser 102. Tour de France: Nairo Quintana, Vincenzo Nibali, Christopher Froome und Alberto Contador. Dass die Branche derart aus dem Häuschen ist, hat Gründe. Es ist lange her, dass vier gleichstarke Spitzenfahrer die Drei-Wochen-Rundfahrt bei der Tour antraten. Der Italiener Vincenzo Nibali und der Spanier Contador haben schon alle drei großen Rundfahrten gewonnen. Der Brite Froome siegte immerhin einmal bei der Tour, der Kolumbianer Quintana 2014 beim Giro d’Italia. Bei Froomes Toursieg 2013 stand der Debütant Quintata als Zweiter gleich mit auf dem Podium.
Reizvoll ist auch, dass es sich um einen Generationenkampf handelt. Contador ist mit 32 Jahren der Älteste. Er ist auf dem absteigenden Ast seiner Karriere, will es aber noch einmal wissen und hat sich als besondere Motivation das Double auserkoren. Nach dem Giro im Mai will Alberto Contador er nun die Tour gewinnen. Froome und Nibali sind zwar nur zwei Jahre jünger. Sie gehören aber bereits zu einer anderen Generation, die Doping zumindest als Imageproblem erkennt. Froome wunderte sich im letzten Jahr, dass die Favoriten im Trainingslager auf Teneriffa nicht auf Dopingmittel getestet wurden. Nibali mokierte sich in diesem Jahr darüber, dass Rivale Quintana so lange von der Bildfläche verschwand und in Kolumbien aus der Reichweite der Kontrolleure schien. Quintana stellte klar, dass er in diesem Jahr immerhin fünf Mal in seiner Heimat kontrolliert wurde. Wie wirksam die Kontrollen sind, mag man diskutieren. Tourfavoriten, die von allein auf Lücken im Kontrollsystem hinweisen, sind aber eine sehr neue Errungenschaft.
Nairo Quintana scheint "eine Nase voraus"
Dass Quintana zur Zielscheibe des Titelverteidigers wurde, liegt aber auch daran, dass der Jüngste wohl der Beste ist. Der 25-Jährige ist zumindest der beste Kletterer des Quartetts. Angesichts der ungewöhnlich wenigen Zeitfahrkilometer – nur die 13,8 Kilometer im Prolog, hinzu kommt ein Mannschaftszeitfahren – sieht Contador den Rivalen Quintana bevorzugt. „Das ist ein Parcours für ihn“, meinte der Spanier. Und Astana-Fahrer Nibali sieht Quintana ebenfalls „eine Nase voraus gegenüber uns anderen“.
Ein Deutscher strebt schon beim Start am Samstag nach dem Spitzenplatz (14 Uhr, live bei Eurosport und ab 16.05 in der ARD). „Der Sieg im Prolog und das Gelbe Trikot sind definitiv ein Ziel“, sagte Tony Martin. Das Leibchen des Gesamtführenden stellt eine schmerzliche Lücke in seiner Erfolgsbilanz dar. Tourzeitfahren hat er einige gewonnen. Beim Prolog war aber zwei Mal Fabian Cancellara der Beste. Dass Martin trotz seines mittlerweile siebten Tourstarts erst zwei Mal einen Prolog erlebte, liegt an der Planung der Organisatoren. Mittlerweile läuft dem dreifachen Weltmeister die Zeit davon. Im nächsten Jahr wird es definitiv keinen Prolog geben. Und während er keine großen Leistungssprünge mehr machen kann, rückt ihm Giant-Profi Tom Dumoulin immer näher. Der 24-Jährige soll beim Prolog die ein Vierteljahrhundert andauernde Malaise der niederländischen Gastgeber beenden. Seit 1989 trug kein einziger holländischer Profi mehr das Gelbe Trikot. Auf Dumoulin laste das „Gewicht der Nation“, meinte ein Teamgefährte.
Völlig druckfrei kann hingegen John Degenkolb auftreten. Der Frankfurter krönte seine Saison bereits mit dem Sieg beim Eintagesrennen Paris - Roubaix. Jetzt will er das Jahr mit seinem ersten Etappensieg bei der Tour abrunden – am liebsten auf der vierten Etappe, wenn es über die Pflastersteine seiner Lieblingsstrecke geht.
Folgen Sie der Tagesspiegel-Sportredaktion auf Twitter:
Tom Mustroph