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Letzter Schrei. Marcel Kittel gewann die Schlussetappe der 101. Tour de France.
© AFP
Update

Tour de France: Vincenzo Nibali gewinnt die Tour, Marcel Kittel die Schlussetappe

Vincenzo Nibali hat 16 Jahre nach Marco Pantani wieder für einen italienischen Sieg bei der Tour de France gesorgt. Für das letzte Highlight sorgte Marcel Kittel, der für einen deutschen Tour-Rekord sorgte.

Sichtlich gerührt kletterte Marcel Kittel die wenigen Stufen auf das große Podium der Tour de France hinauf und strahlte im Schatten des Arc de Triomphe über das ganze Gesicht. Der Deutsche konnte sein Glück kaum fassen, nachdem er beim großen Finale der 101. Frankreich-Rundfahrt den siebten deutschen Etappensieg geholt hatte – so viele wie noch nie. Feuchte Augen hatte wenige Meter weiter auch der neue Tour-Sieger Vincenzo Nibali, der am Ende der 3660,5 Kilometer langen Reise seine Frau und seine im Frühjahr geborene Tochter Emma auf den Champs Élysées überglücklich in die Arme schloss.

„Ich habe noch nie etwas Gleichartiges erlebt. Das hätte ich mir niemals vorstellen können, hier zu stehen“, sagte der 29-Jährige in seiner Dankesrede vor hunderttausenden Zuschauern auf dem Pariser Prachtboulevard. Es war sein Ehrentag. Bereits auf der Tour d’Honneur hatte er sich unterwegs einen Schluck Champagner gegönnt.

In Paris waren aber traditionell noch einmal die Sprinter am Zug. Dabei untermauerte der Vierfach-Sieger Kittel seinen Ruf als weltbester Sprinter. „Das war mein Augenblick kurz vor der Ziellinie, als ich noch mal beschleunigen konnte. Jetzt weiß ich, dass es sich gelohnt hat, sich über die Berge zu quälen“, sagte Kittel, der nach 137,5 Kilometern den „Sprint Royal“ hauchdünn vor Alexander Kristoff und Ramunas Navardauskas gewann.

In Italien jubelten da schon die Menschen, so wie vor 16 Jahren, als der inzwischen verstorbene Marco Pantani gewann. Das war es aber schon mit den Gemeinsamkeiten. Die Unterschiede zwischen Pantani und Nibali könnten kaum größer sein. Holte Pantani, genannt „Il Pirata“ seine Siege vor allem durch gewaltige Kletterleistungen am Berg, die seine Rivalen nicht selten demütigten, so erwies sich Nibali, der „Hai“, lange als stoischer Sekundensammler auf schwerem und mittelschwerem Parcours. Nibali war sich nicht zu schade, in der Manier eines Zeitfahrers zwei knappe Sekunden auf das Hauptfeld in Sheffield herauszufahren und früh das Gelbe Trikot zu übernehmen.

Nibalis größte Qualitäten: Widerstandsfähigkeit und Renninstinkt

Diese zweite Etappe offenbarte bereits die zwei größten Qualitäten des Sizilianers: seine Widerstandsfähigkeit und seinen Renninstinkt. Nibali missachtete dabei eine vermeintlich eherne Regel des Rundfahrtsports: Hole nie zu früh Gelb, denn deine Mannschaft wird daran kaputtgehen. Gut, Astana kriselte in den Alpen und teilweise auch in den Pyrenäen. Aber in diesen Momenten war der Kapitän stark genug, allein das Steuerrad zu halten. Ihm kam entgegen, dass im Hochgebirge die gefährlichsten seiner Gegner, Chris Froome und Alberto Contador, nicht mehr im Rennen waren.

Paolo Slongo ist der Trainer Nibalis, der wohl wichtigste Mann im Hintergrund. Seit 2008 betreut er Nibali. Seinen „großen Motor“, also eine hohe Sauerstofftransportfähigkeit des Blutes, erkannte er schon damals. Wie hoch diese VO2max genannte Schwelle bei Nibali ist, will Slongo nicht verraten. Falls der Wert doch einmal publiziert wird: 85 ml Blut pro Kilogramm Körpergewicht pro Minute gelten im Radsport als oberste Grenze.

Jean-Christophe Peraud, der als Gesamtzweiter neben Nibali auf dem Podium in Paris stand, hat laut Messungen des Leistungsdiagnostikers Antoine Vayer diesen Wert. Lance Armstrong konnte in austrainiertem Zustand über 81,2 ml/kg/min verfügen. Das ging aus einer Studie hervor. Je kleiner diese „Kubikzahl“ des Rennfahrermotors ist, umso mehr muss am „Kraftstoff“ gearbeitet werden, um die gleiche Leistung zu schaffen. Blutdoping setzt diese physiologischen Schwellen außer Kraft.

Im Gegensatz zu Armstrong, der nach seiner Krebserkrankung gedopt in den Rennzirkus zurückkam, wuchs Nibali kontinuierlich. Bereits 2007 absolvierte er seine erste große Rundfahrt, 2008 erfolgte das Tourdebüt. 2010 half er erst dem nach einer Dopingsperre zurückgekehrten Ivan Basso zum Giro-Sieg, um im Herbst selbst die Spanienrundfahrt zu gewinnen. Bereits da galt er als Kandidat für das Tourpodium. Er bestätigte diese Prognose 2012 mit dem dritten Platz in Paris, gewann im Jahr darauf den Giro und konzentrierte sich in dieser Saison ganz auf die Tour. Gemeinsam mit Slongo arbeitete er hierfür auch an seiner letzten Schwäche – dem Antrittsvermögen in den Bergen.

Diese neue Stärke spielte er in Hautacam aus. Anders als Pantani, der sich 1994 noch von Miguel Indurain und Luc Leblanc einfangen ließ, kalkulierte Nibali seine Kräfte besser. Allerdings fuhr er sich mit Rang 27 auf der Allzeitbestenliste in die Nähe des später wegen Dopings gesperrten Leonardo Piepoli. Auch seine kalkulierte Wattzahl lag mit 428 an diesem Tag erstmals sehr deutlich über der mit 410 Watt bezifferten Nichtdopinggrenze. Wegen seiner Leistung ist Nibali für Vayer daher auch der „letzte Übermensch der Tour de France“. Zum Ende der Rundfahrt wurde Nibali Pantani dann doch wieder ähnlicher als gedacht.

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