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Fußball in Berlin: Herthas Stadion wird zum Stadtgespräch

Die Debatte über Stadion von Hertha BSC bietet ein Spielfeld von Ideen. Denn sie verbindet Vergangenheit und Entwicklungsmöglichkeiten Berlins.

Die Einheitswippe droht gekippt zu werden, dafür könnte man ein viel größeres Einheitsgebäude bauen. Wenn der erfolgreichste Berliner Fußballklub in einem Stadion in Brandenburg spielt, hätte das auch etwas Verbindendes. Nicht nur Fans und Spieler würden sich dann näherkommen, weil die Laufbahn nicht mehr im Weg ist, sondern auch Berlin und Brandenburg.

Allein am Fußball kann es nicht liegen, dass dieses Thema gleich zum Stadtgespräch geworden ist. Weit über die Mitglieder von Hertha hinaus, die sich am Montagabend in der Messe versammelten. Nichts gegen Einheitsdenkmal, Kolonnaden, Bauakademie. Aber Hertha BSC raus aus dem Olympiastadion und raus nach Brandenburg? Eine reizende Diskussion.

Weil sie Stadtgeschichte und Stadtentwicklung miteinander verknüpft. Da ist zum einen das Olympiagelände mit seinem gewaltigen Stadion, das viel zu groß aussieht, so lange der Gegner nicht Bayern München oder Borussia Dortmund heißt. Was wäre das Stadion noch, wenn sein größter Mieter auszöge? Es würde wieder zurückkippen, zeitlich, wieder mehr Museum werden. Hertha macht dem Stadion und dem ganzen Gelände bislang Gegenwart als Geschenk. Der Fußballklub überspielt alle zwei Wochen die Last der Vergangenheit, und das in den vergangenen Monaten sogar immer leichtfüßiger. Und das Olympiastadion ist eben kein Einheitsgebäude. Es ist so unverwechselbar wie kaum ein anderes Stadion. Es taugt zur Bühne für große Dramen, da muss man nicht nur an Zinédine Zidanes Kopfstoß im WM-Finale denken. Voller müsste es jedoch häufiger sein, wenn Hertha BSC spielt. Das Olympiastadion bestraft leere Ränge gräulich. Es belohnt aber auch ein ausverkauftes Haus fast durch Unvergesslichkeit.

Aus Brandenburg kommen fast die Hälfte der Hertha-Zuschauer

Das ist die eine Seite. Die andere lautet: Warum nicht da hingehen, wo sowieso schon viele Fans herkommen, manche sagen bis zur Hälfte der Zuschauer? Also nach Brandenburg vor die Tore der Stadt. Und in Dreilinden ein Symbol fürs Zusammenwachsen am ehemaligen Grenzübergang bauen oder in Ludwigsfelde eins für einen wirtschaftskräftigen Standort. Berlin hätte bilderstark seine Insellage aufgegeben, hätte am Festland angedockt, würde von der Metropole beschleunigt zum Zentrum einer wachsenden Metropolregion werden.

Andere Fußballklubs haben es doch auch geschafft und sind umgezogen. In München. In Gelsenkirchen. Da war der Leidensdruck allerdings noch größer, die Fans hatten dort nicht einmal ein Dach über dem Kopf. In Berlin wird man vor allem nass, wenn der Regen von vorne kommt.

Die Diskussion um Herthas Spielwiese betrifft die ganze Stadt. Und das Land drumherum. Für manchen wird die Macht der Gewohnheit der wichtigste Faktor sein. Andere möchten mit einem Umzug auch den ganzen Verein ein bisschen verändern. Wieder andere hoffen, vielleicht mit Druck noch einmal das Olympiagelände weiterzuentwickeln.

Entscheiden wird die Frage am Ende der Verein. Und seine Fans können mitabstimmen. Mit den Füßen. Indem sie in nächster Zeit nicht nur wegen des Fußballs hingehen, sondern auch wegen des Olympiastadions selbst. Oder andersherum den Fußball eben in der Kneipe gucken. Gut möglich, dass sich mancher in der Vereinsführung das sogar wünscht. Eine Debatte, aus der eine Solidaritätsaktion fürs Olympiastadion wird. Mit ein paar hübschen Einnahmen für den nächsten Spielertransfer.

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