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Folterzimmer. Handball-Nationalspieler Paul Drux hat im Kraftraum auf dem Trainingsgelände der Füchse Berlin schon viel Zeit verbracht.
© Kitty Kleist-Heinrich

Serie: Berliner Sportler und ihr Arbeitsplatz: Füchse Berlin: Paul Drux und die Muckibude

Der Handballer Paul Drux gilt bei den Füchsen als Vorzeigeprofi. Im neuen Trainingszentrum quälte er sich nach seiner Verletzung zu Olympia-Bronze.

Auch Sportler haben einen ganz gewöhnlichen Arbeitsplatz. Einen, an den sie jeden Morgen fahren. An dem sie mal Freude und mal Frust erleben. Mit dem sie viel verbinden. Und der das Basislager für ihre Karriere ist. In unserer Serie stellen Berliner Sportler ihre Arbeitsplätze vor.

Ganz am Ende des Rundgangs wartet das versteckte Highlight. „Hier hätten wir eigentlich anfangen müssen“, sagt Paul Drux und öffnet eine gläserne Tür, „weil man hier die Grundlagen für alles andere schafft.“ Vor dem Handball-Nationalspieler der Füchse Berlin liegt der Kraftraum des Vereins mit all seinen Foltergeräten. „Ich kenne jedes in- und auswendig“, sagt Drux und der Athletiktrainer nickt. Das gilt natürlich auch für den Spruch, der in großen Lettern von der Wand grüßt: „Wer wie ein Profi spielen will, darf nicht wie ein Amateur trainieren.“

Paul Drux hat dieses Motto befolgt. In der Lilli-Henoch-Sporthalle in Hohenschönhausen hat er sich unter dem Einsatz von viel Schweiß und Mühen einen profitauglichen Körper angeeignet, 106 Kilogramm Muskelmasse verteilt auf 1,92 Meter. Vor ein paar Jahren in der Jugend waren es noch um die 90, aber damit kann man im Männerbereich auch gleich zu Hause bleiben.

„Ich verbinde wirklich viel mit diesem Ort, positiv wie negativ“, sagt Drux. Die Muckibude hat ihn gestählt und zu einem starken Athleten gemacht, aber sie hat ihn manchmal auch an den Rand der Verzweiflung getrieben. Nach seiner schweren Schulterverletzung im vergangenen Jahr etwa, als er monatelang keinen Ball anfassen durfte, hat Drux hier viele einsame Stunden verbracht, nur er und die Maschinen. Die Belohnung gab es ein paar Monate später in Form einer Bronze-Medaille in Rio. Made in Hohenschönhausen sozusagen. Oder wie sie im Verein sagen: in Füchsetown.

Wer Berlins führenden Handball-Klub verstehen will, muss rausfahren auf den Olympia-Stützpunkt. 2013 haben die Füchse ihren Trainings-Komplex für einen sechsstelligen Betrag umbauen und modernisieren lassen, heute ist er das Herzstück des Vereins: Video-Raum, Physiotherapie, Kraftraum, Sauna und natürlich die große Trainingshalle für alle Altersklassen, die auch als Spielstätte für den Nachwuchs dient. Es ist der Ort, an dem alle Fäden zusammenlaufen, und kaum jemand kann diese Geschichte so authentisch erzählen wie Paul Drux, der Vorzeigesportler seines Vereins.

Man könnte auch sagen: Drux ist einer der Gründe dafür, dass das Trainingszentrum heute da steht, wo es steht.Als der damals 15-Jährige aus Gummersbach nach Berlin kam, zog er zunächst ins Internat um die Ecke, ein Katzensprung bis zur Halle. Allerdings trainierten die Profis des Vereins seinerzeit noch im Horst-Korber-Sportzentrum in Charlottenburg, und wenn der Nachwuchs mal bei den Männern mitmachen sollte, worauf sie bei den Füchsen großen Wert legen, bedeutete das: eine halbe Weltreise. Also verlegte Füchse-Manager Bob Hanning die Trainingsstätte im Sinne der Jugend und kurzer Wege in den Ostteil der Stadt. Bei den Profis kam das damals zwar gar nicht gut an, die Mannschaft rebellierte – oder besser gesagt: sie versuchte es. Vergeblich.

Drux erzählt, dass Torwart Heinevetter im Dart schwer zu schlagen ist

Paul Drux kommt überpünktlich zum Termin. Vor der Halle herrscht an diesem Nachmittag ganz schön Betrieb, viele junge Sportler ziehen vorbei, sie haben gerade Schulschluss. In der Halle dagegen: gähnende Leere, aber in 90 Minuten sieht das ganz anders aus.

Drux wirft sich in Trainingskleidung und beginnt mit dem Video-Raum, in dem der nächste Gegner analysiert wird. „Nichts Spektakuläres“, sagt der 21-Jährige, ein paar Tische, ein paar Stühle, vorn eine Tafel. Weiter geht es den Gang hinunter zur Physiotherapie. „Hier können wir uns durchkneten und behandeln lassen“, sagt Drux. Drei Liegen und allerhand Geräte warten auf Kundschaft. Auffällig ist aber vor allem: die Dartscheibe in einem Spind in der Ecke. „Heinevetter ist schwer zu schlagen“, sagt Drux, „eigentlich muss man gegen ihn gar nicht antreten.“

Es folgt ein kurzer Blick in die Halle, unter dem Dach hängen die Nationalfahnen aus den Heimatländern aller Profis, in einer anderen Reihe die Banner für die zahlreichen Nachwuchs-Meisterschaften, an denen Drux fast ausnahmslos beteiligt war. „Das soll ein Bewusstsein für die Geschichte des Vereins schaffen und zeigen, was ihn ausmacht“, sagt Drux, „und da spielt die Jugend nun mal eine herausragende Rolle.“ Zu sehen ist das auch auf den Fluren. Neben einer Galerie sämtlicher Nachwuchsspieler, die es in die erste oder zweite Liga geschafft haben, sind Dutzende Großbildaufnahmen an den Wänden angebracht worden. Sie zeigen die besten Momente der jüngeren Vergangenheit: DHB-Pokal-Sieg, EHF-Cup-Sieg. Auf einem sind offensichtlich Nachwuchs-Handballer im Blaumann zu sehen. Drux muss lachen. „Vor ein paar Jahren waren wir einen Tag mit der BSR unterwegs, um zu sehen, womit andere Menschen ihr Geld verdienen“, sagt der Nationalspieler, „und um schätzen zu lernen, was wir hier haben.“

Nach dem 45-minütigen Rundgang sind wir im Kraftraum angekommen, Zeit für Fotos. Drux bearbeitet zunächst ein paar Maschinen, und als die Bilder im Kasten sind, hält er noch ein Schwätzchen mit dem Athletik-Trainer. Was steht heute an? Oder mit Subtext: Wie groß werden die Qualen sein? Der Coach lacht nur, werdet ihr schon sehen, soll das wohl heißen. „Dann bis später“, sagt Drux und nimmt auf dem Weg zurück in die Kabine noch zwei leere Wasserkisten mit, die im Kraftraum herumstanden. Füchse-Manager Bob Hanning würde wohl vor Freude im Kreis springen angesichts der Botschaft, die Drux subtil transportiert: Füchsetown, das ist da, wo die Nationalspieler ihr Wasser noch selbst schleppen.

Bisher erschienen: Wasserspringer Patrick Hausding und die Schwimm- und Sprunghalle im Europasportpark (6.11.), Natascha Keller und das Hockeystadion an der Wilskistraße (9.11.), Hertha-Profi Sebastian Langkamp und der Olympiapark (22.11.), Akeem Vargas und das Trainingszentrum von Alba Berlin (30.11.).

Christoph Dach

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