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Schütze aus der Schützenstraße. In einer früheren Schulsporthalle in Berlin-Mitte trainieren mittlerweile Akeem Vargas und die Basketballer von Alba Berlin. Foto: Kitty Kleist-Heinrich
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Serie: Berliner Sportler und ihr Arbeitsplatz: Alba Berlin: Akeem Vargas ist der härteste Studenten-Jobber

Akeem Vargas ist nicht nur Profi-Basketballer bei Alba Berlin – er geht auch nebenbei zur Uni. Selbst wenn ihm das Kritik einbringt.

Auch Sportler haben einen ganz gewöhnlichen Arbeitsplatz. Einen, an den sie jeden Morgen fahren. An dem sie mal Freude und mal Frust erleben. Mit dem sie viel verbinden. Und der das Basislager für ihre Karriere ist. In unserer Serie stellen Berliner Sportler ihre Arbeitsplätze vor.

Akeem Vargas braucht etwas länger. Der Basketballer hat nach dem Training noch eine Extraschicht eingelegt. Wohl kaum jemand bei Alba Berlin hat so viel Zeit in der Trainingshalle verbracht wie der Deutsch-Amerikaner. „Als ich hier 2013 angekommen bin, habe ich versprochen, in jedem Team der härteste Arbeiter zu sein“, sagt der dienstälteste Alba-Profi, als er aus der Kabine kommt. „Das habe ich mir zur Routine gemacht.“

Seine Routine führt ihn meist in eine kleine Turnhalle in Berlin-Mitte, unweit vom Checkpoint Charlie. Alba hat die frühere Schulsporthalle 2010 zusammen mit dem Bezirk für eine Million Euro renoviert und zum Trainingszentrum umgebaut. Von außen sieht der Flachbau immer noch nach Schulsport aus, vom Alba-Graffiti an der Außenwand abgesehen. Innen hat der Hausmeister Schilder aufgehangen: „So liegen die Matten richtig!“ Und: „Keine Straßenschuhe auf dem Parkett!“ Trotzdem wird hier hochprofessionell gearbeitet. Ein gepflegter Parkettboden mit Alba-Logo, Korbanlagen wie in der NBA. Dazu ein Kraft- und Physioraum, Trainerbüros, im ersten Stock eine riesige Umkleidekabine mit Flachbildfernseher. „Ich liebe diese Halle einfach“, sagt Vargas. „Eine reine Basketballhalle. Hier kann ich rein und trainieren, wann ich will.“

Die wenigsten Basketballvereine haben eigene Halle. Oft müssen selbst Bundesligisten ihre Trainingszeiten irgendwo zwischen örtlicher Schul-AG und Rentnergymnastik eintakten. Gerade für einen Trainingsweltmeister wie Vargas sind die flexiblen Hallenzeiten wichtig, denn Basketball ist nicht sein einziger Job. Der 26-Jährige studiert im vierten Semester Sport- und Eventmanagement auf Bachelor. Seine Privathochschule liegt nur fünf Minuten mit dem Fahrrad von der Trainingshalle entfernt, so pendelt Vargas oft zwischen Wohnung, Halle und Uni.

„Als Sportler ist es gut, eine Hintertür nach der Karriere zu haben und auch mal vom Sport abschalten zu können“, sagt der Mann, der in Pennsylvania geboren wurde und in Leimen aufwuchs. Aber Vargas stellt klar: „Basketball geht immer vor.“ Bei Auswärtsreisen, Trainings- oder Interviewterminen muss er Vorlesungen ausfallen lassen und den Stoff nachlesen. Bisher hat er dennoch jede Prüfung bestanden. Danach könnte er sich vorstellen, irgendwann im Basketballmanagement zu arbeiten. „Wenn Marco Baldi mich einmal unter seine Fittiche nimmt, würde ich das sehr begrüßen“, sagt Vargas über Albas Geschäftsführer. Dem ist er sehr dankbar, dass er das Studium nebenbei guthieß.Wobei man als Sportler bei dem Thema nur verlieren könne, klagt Vargas. Studiere man nicht, bestätige man das Klischee des tumben Athleten. „Und studiert man und spielt mal schlecht, heißt es von Medien und Fans gleich, man sei abgelenkt.“

"Privat bin ich kein aggressiver Mensch"

Dabei gilt Vargas als ein Spieler, der mit Willen und Einsatz glänzt statt mit Eleganz und Show. „Ich bin bekannt dafür, dass ich ein aggressiver Spieler bin“, sagt Vargas, „aber privat bin ich kein aggressiver Mensch. Die meisten Menschen sind bei der Arbeit anders als privat.“ Was sein Arbeits-Ich und den Studenten verbinde, ist, dass Vargas sich als sehr diszipliniert und ambitioniert beschreibt.

Umso mehr beschäftigt es den 36-maligen Nationalspieler, dass seine Einsatzzeiten, seit er bald Alba ist, jedes Jahr gesunken sind: Von 18 Minuten in den ersten beiden Jahren auf teils nur fünf Minuten zu Saisonbeginn. „Ich würde lügen, wenn ich sagen würde, ich mache mir darüber keine Gedanken“, sagt Vargas. Zuletzt spielte er wieder deutlich mehr. „Ich mache deshalb im Training aber nicht mehr oder weniger. Ich mache immer mehr“, sagt er. „Sonst würde ich von meinem Weg abweichen.“

Sein Weg verläuft erst einmal durch die Trainingshalle. Vargas zeigt die Annehmlichkeiten: die Wurfmaschine, die Spieler mit Bällen versorgt. Den Kraftraum, in dem Tablets die Leistungen messen. Die Umkleidekabine, in der die Spinde so groß sind, dass sich die Spieler hineinsetzen können. Vargas hat seit über drei Jahren den selben Spint, während um ihn herum Spieler kamen und gingen.

Und so kann er einige Anekdoten erzählen. Vargas zeigt auf schwarze Flecken an der Wand, neben dem Flachbildfernseher. Es sind Fingerabdrücke. Dort hatte sich Coach Sasa Obradovic immer angelehnt, während er sich bei Videoanalysen in Rage redete. Öfter ging dabei der Fernseher einfach aus. Während der Trainer stutzte, kicherten die Spieler. Der damalige Kapitän Alex King hatte sich eine Handy-App heruntergeladen, mit dem er das TV-Gerät heimlich steuern konnte. Vargas muss lachen, wenn er daran denkt.

Ein bisschen Spaß in der Kabine muss sein. Selbst beim härtesten Arbeiter.

Bisher erschienen: Wasserspringer Patrick Hausding und die Schwimm- und Sprunghalle im Europasportpark (6.11.), Natascha Keller und das Hockeystadion an der Wilskistraße (9.11.), Hertha-Profi Sebastian Langkamp und der Olympiapark.

Dominik Bardow

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