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Blatter-Nachfolge und Fifa-Reformen: Die wichtigsten Fragen zum Fifa-Kongress

Ab 9.30 Uhr kommt heute im Zürcher Hallenstadion die Fußball-Welt zusammen: Der Fifa-Kongress steht an. Wir beantworten die entscheidenden Fragen.

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Worum geht es?

Für die Fifa geht es um sehr viel. Der Fußball-Weltverband kürt am Freitag auf dem außerordentlichen Wahlkongress nicht nur einen neuen Präsidenten, sondern will auch ein großes Reformpaket verabschieden. Damit will sich die Fifa nach vielen Skandalen handlungs- und zukunftsfähig zeigen.

Dabei hatten die Vertreter der 209 Fifa-Mitgliedsverbände erst vor neun Monaten getagt und Joseph Blatter, seit 1998 im Amt, im Mai 2015 für vier weitere Jahre zum Präsidenten gewählt. Doch wenige Tage darauf kündigte der 79-Jährige seinen Rückzug an, wegen des öffentlichen Drucks und den Ermittlungen der US-Justiz. Noch vor dem neuen Wahltermin wurde Blatter jedoch von der Ethikkommission des eigenen Verbandes für alle Fußballaktivitäten gesperrt und darf sich am Freitag nicht auf dem Kongress verabschieden.

Wer sind die Kandidaten?

Fünf Bewerber haben bis in die Endauswahl am Freitag durchgehalten. Der Schweizer Gianni Infantino ist dabei nur der Ersatzmann für Michel Platini, der ursprünglich hatte kandidieren wollen und dann zusammen mit Blatter gesperrt wurde. Infantino war als Generalsekretär beim europäischen Verband stets die rechte Hand des Uefa-Präsidenten Platini. Nach der Sperre des Franzosen, der zwei Millionen Schweizer Franken von Blatter angenommen hatte, ließen die Europäer den 45-jährigen Infantino von der zweiten in die erste Reihe aufrücken.

Auch Scheich Salman Al Chalifa hatte sich im Weltverband lange als mächtiger und reicher Strippenzieher im Hintergrund gehalten, bis der Bahrainer 2013 zum Präsidenten des Asiatischen Verbandes AFC wurde. Nun will der 50-Jährige als erster Araber den Weltverband führen.

Tokyo Sexwale wäre wiederum der erste Afrikaner auf dem Fifa-Thron. Der Politiker und Unternehmer aus Südafrika war einst Mithäftling von Nelson Mandela und ist noch recht neu im Fußballgeschäft. Joseph Blatter hatte den heute 62-Jährigen zum Weltverband gelost. Verbindungen zu Blatter weisen fast alle Kandidaten auf. Jerome Champagne war stellvertretender Generalsekretär der Fifa und ein Berater Blatters, bis der Franzose nach einem Krach den Weltverband verlassen musste.

Nach einem ersten Versuch vor einem Jahr hat es der 57-Jährige nun immerhin geschafft, zu der Wahl zugelassen zu werden. Das hat Prinz Ali bin Al Hussein schon hinter sich. Der Königssohn aus Jordanien trat vor neun Monaten als einziger Gegenkandidat zu Blatter an, unterstützt von den Europäern. Doch der 40-Jährige zog sich bereits im zweiten Wahlgang chancenlos zurück.

Wer hat die besten Chancen, Blatters Nachfolger zu werden?

Von allen Seiten wird ein enger Zweikampf zwischen Gianni Infantino und Scheich Salman Al Chalifa erwartet, wobei Letzterer als leicht favorisiert gilt. Der Uefa-Mann Infantino hat die meisten Europäer hinter sich, die im Kongress über 53 Stimmen verfügen. Der AFC-Chef weiß die Asiaten hinter sich, die 46 Verbände stellen. Der südamerikanische Verband Conmebol hatte sich mit seinen zehn Mitgliedern bereits geschlossen für Infantino ausgesprochen. Der afrikanische Verband Caf, mit 54 Mitgliedern die größte Fraktion, will für Salman votieren. Auch wenn mit Abweichlern in allen Lagern gerechnet wird, fällt die Entscheidung wohl in den offiziell noch unentschlossenen Verbänden Nord- und Mittelamerikas sowie der Karibik (Concacaf, 41 Stimmen) und Ozeanien (OFC, elf Verbände).

Tokyo Sexwale, Jerome Champagne und Prinz Ali bin Al Hussein gelten dagegen als chancenlos. Sie brauchten zwar jeweils fünf Unterstützer, um zur Wahl zugelassen zu werden. Doch dass sie darüber hinaus viele Wähler finden, gilt als unwahrscheinlich. Dafür haben sie im Gegensatz zu Infantino und Salman zu wenig Lobby bei den großen Verbänden. Die drei Außenseiter könnten nach und nach freiwillig oder unfreiwillig ausscheiden, ihre Stimmen würden sich auf die beiden Favoriten verteilen und könnten die Entscheidung bringen.

Wie wird gewählt?

Jeder Mitgliedsverband der Fifa hat eine Stimme. Da von den 209 Verbänden derzeit jedoch Indonesien und Kuwait suspendiert sind, gibt es 207 Wahlberechtigte. Um bereits im ersten Wahlgang zu gewinnen, braucht ein Kandidat die Zweidrittel-Mehrheit, also mindestens 138 Stimmen. Dies gilt als sehr unwahrscheinlich. So ist auf jeden Fall mit einem zweiten Wahlgang zu rechnen. Dort gewinnt, wer die einfache Mehrheit auf sich vereinigen kann: 50 Prozent plus eine Stimme. Der Sieger benötigt als mindestens 104 Stimmen. Wird diese Mehrheit im zweiten Wahlgang nicht erreicht, scheidet der schwächste Kandidat aus und es folgt der nächste Wahlgang. Und so weiter. Stets gilt die einfache Mehrheit. Es könnte also ein sehr langer Tag werden.

Denn ein Wahlgang dauert etwa eineinhalb Stunden. Realistisch ist jedoch, dass diejenigen Kandidaten, die bereits im ersten Wahlgang schwach abschneiden, selbst zurückziehen. So dürften bei normalem Verlauf zwei Wahlgänge über die Bühne gehen, maximal drei. Vor dem späten Nachmittag dürfte es also kaum eine Entscheidung geben. Und um 24 Uhr müssen die Delegierten definitiv das Hallenstadion verlassen, dann muss die Halle umgebaut werden, weil dort am Samstag ein Eishockey-Spiel stattfindet. Sollte die Wahl dann noch nicht beendet sein, hat die Fifa aber offensichtlich eine Notfallvariante im Hauptquartier auf dem Zürichberg geplant.

Was sind das für Reformen?

Die Fifa geht einige Punkte an, die Kritiker in den vergangenen Jahrzehnten immer wieder angeprangert haben. Zunächst soll dem Exekutivkomitee die Macht entrissen werden. Statt des 25-köpfigen Regierungsgremiums soll ein neuer Fifa-Rat entstehen. Dieser soll größer sein, 36 Mitglieder umfassen, aber weniger Befugnisse haben. Der Fifa-Rat soll nun eher die Funktionen eines Aufsichtsrats ausfüllen. So soll deutlich zwischen den politischen und den geschäftsführenden Aufgaben getrennt werden. Um das Operative kümmert sich demnach nur noch das Generalsekretariat. Auch die Position des Präsidenten verliert an Einfluss.

Er soll dafür mehr repräsentative Aufgaben übernehmen. Außerdem werden die Amtszeiten beschränkt. Maximal können Funktionäre noch drei vierjährige Amtszeiten ausüben. Überdies tut die Fifa etwas für mehr Transparenz: Die Vergütungen der Funktionäre sollen veröffentlicht werden. Ebenfalls wird deren Vita vor Amtsantritt genauer durchleuchtet. Und es gibt nun eine Frauenquote: Im Rat soll pro Kontinent mindestens eine Frau sitzen. Um all diese Reformen zu beschließen, ist jedoch eine Dreiviertelmehrheit nötig.

Was könnte sich danach ändern?

Was sich die Fifa von den Reformen erhofft, zeigt sie bereits auf zahlreichen Botschaften an den Wänden des Zürcher Hallenstadions. „Vertrauen zurückgewinnen“, steht dort in Grau auf Weiß. Oder: „Größere Vielfalt“, und: „Die Fifa stärken“. Alles soll besser werden. Vor allem könnte sie mit den Reformen die US-Behörden etwas beruhigen. Die hatten beim Weltverband stets einen Neuanfang angemahnt. Ermittlungen wird die Fifa damit jedoch nicht stoppen können. Dazu ist noch zu viel aufzuarbeiten. So ist das Reformpaket als Reaktion auf die US-Ermittlungen zu verstehen – und als Zeichen an die Öffentlichkeit. Die Fifa will die Fußballfans wieder für sich gewinnen. Darum wirbt die Führung des Weltverbands auch überaus intensiv für die Reformen.

Sind Überraschungen geplant?

Joseph Blatter wird keinen Extra-Auftritt haben (siehe erste Antwort). Und auch die US-Behörden, die beim letzten Kongress im Mai Funktionäre verhaften ließen, werden nicht mit Sondereinheiten in die Halle stürmen. Auch eine musikalische Überraschung für die Delegierten wird es dieses Mal nicht geben. Zuletzt war eine künstlerische Darbietung auf dem Kongress der Standard. Im vergangenen Jahr traten Tänzer auf, 2011 sogar Grace Jones. Dieses Mal ist der musikalische Programmpunkt gestrichen. Die Fifa-Vertreter müssen also selbst für Unterhaltung sorgen.

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