Berliner Olympiagelände: Die Planungen von Hertha BSC für ein neues Stadion werden konkret
Nie war es Hertha BSC mit einem reinen Fußballstadion so ernst wie jetzt. Als Standort favorisiert der Klub womöglich ein Areal in der Nähe des Reiterstadions auf dem Olympiagelände. Hertha dementiert.
Die erste Märzsonne ist da. Ein schwarzer Hengst trottet einsam in der Führanlage im Kreis. In den Stallungen der Reitanlage am Olympiastadion an der Jesse-Owens-Allee herrscht beschauliches Treiben. Eben ist eine Ladung Stroh vom Reitsport-Center am Hohenzollerndamm gekommen. Kommen bald Bagger? Wird hier in ein paar Jahren ein neues Fußballstadion stehen?
Möglich ist das. Denn Hertha BSC scheint mit dem Projekt Stadionneubau einen deutlichen Schritt vorangekommen zu sein. Wie der Tagesspiegel erfuhr, will der Klub ein neues, reines Fußballstadion auf dem Olympiagelände bauen lassen. Konkret in der Nähe des Reiterstadions, das bereits für die 1916 wegen des Ersten Weltkriegs abgesagten Olympischen Spiele auf dem Gelände der ehemaligen Rennbahn Grunewald errichtet wurde. Dort, am südwestlichen Rand des Olympiageländes, wo jetzt Sattelplätze, mehrere Stallungen und drei baufällige Reithallen stehen, soll demnach das Stadion entstehen.
Allerdings könnte es kleiner ausfallen als bisher öffentlich diskutiert worden war. Der Neubau soll ein Fassungsvermögen von 40.000 bis 45.000 Plätzen haben. Wie zu erfahren war, werden im Hintergrund gerade Pläne diesbezüglich erarbeitet, die dem Senat dann Mitte des Monats vorgestellt werden sollen. Ohne dessen Zustimmung lässt sich der Neubau auf dem Gelände des Olympiaparks nicht realisieren. Das gesamte Gelände steht unter Denkmalschutz, das Gelände neben dem Reiterstadion ist ein Gartendenkmal. Nach Informationen des Tagesspiegels soll das Projekt keine Steuergelder verschlingen, sondern zu einhundert Prozent fremdfinanziert sein.
Hertha BSC ist auf die Kompromissbereitschaft des Senats angewiesen, der Eigentümer der Fläche ist. Der Bundesligist, der den Nutzungsvertrag für das Olympiastadion mit dem Senat im vorigen Jahr bis 2025 verlängert hat, würde für den Fall des Neubaus ein paar Top-Spiele weiterhin im benachbarten Olympiastadion austragen – Spiele wie gegen Bayern München und Borussia Dortmund, die in der Vergangenheit ausverkauft waren, und Spiele, die oft mehr als 60.000 Besucher gezogen haben. Somit würde die landeseigene Stadiongesellschaft wenigstens Einnahmen erzielen, das Olympiastadion also nicht in der Hauptsache seinen Nutzen verlieren.
Hertha dementiert
Hertha BSC dementierte den Bericht des Tagesspiegel. "Eine Stadionkapazität von 40.000 oder 45.000 ist Quatsch und viel zu klein für Hertha BSC", sagte Manager Michael Preetz dem RBB.
150 bis 190 Millionen Euro
Das mit 74.649 Plätzen ausgestattete Olympiastadion mit 98 Logen, 15 Skyboxen und 4500 Business-Seats wurde zwischen 2000 und 2004 vollständig saniert. Schon damals wurde trotz zahlreicher Proteste der Denkmalpflege massiv in die historische Bausubstanz eingegriffen, etwa bei der Veränderung der Steigungskurve der Sitzränge. Die Kosten beliefen sich damals auf 246 Millionen Euro, von denen der Bund den Großteil übernahm.
Während beispielsweise das Olympiabad umfangreich saniert und eine Schule errichtet wurde, ist die Sanierung der Tribünen des Reiterstadions, des Parcours, der Reithalle und der Stallungen auf unbestimmte Zeit verschoben worden. Im vergangenen Jahr fand im Reiterstadion die Messe „Home & Garten“ sowie das „Festival of Colours“ statt. Das betreffende Gelände steigt zur Maifeldbühne hin leicht an. Es ist von Bäumen und dichten Hecken bewachsen. Der einzige Nutzer ist derzeit der Reitclub am Olympiastadion e.V.
Die Kosten für den Stadionneubau sollen zwischen 150 und 190 Millionen Euro liegen. U- und S-Bahnanbindung sowie Parkplätze des Olympiastadions wären nutzbar. Der öffentlichen Hand entstünden keine Kosten. Allerdings würde sie die restlichen Kosten für den Betrieb und die Instandhaltung des Olympiastadion mitzutragen haben. Da aber auch Hertha nicht über das Geld für einen Neubau verfügt, soll ein neuer Investor aus dem asiatischen Raum einsteigen.
Die Vereinsführung von Hertha hatte zuletzt immer wieder auf Nachteile gegenüber der Bundesligakonkurrenz hingewiesen, die sich auch aus dem Olympiastadion ergeben würden. Da wären zum einen die wirtschaftlichen Gründe: Hertha könne das Olympiastadion nicht so vermarkten als wäre es Eigentum, zudem koste es zu viel Miete, rund fünf Millionen Euro im Jahr. Auch ließen sich keine Einnahmen durch den Verkauf der Namensrechte generieren. Zum anderen verwies der Klub auf sportliche Gründe. In einem oft nur halbvollen Stadion komme nicht jene Atmosphäre auf, die Gegner und Schiedsrichter beeindruckte. Zu den Heimspielen gegen Darmstadt kurz vor Weihnachten und gegen Ingolstadt Anfang Februar kamen lediglich 31 912 beziehungsweise 33 425 Zuschauer. Die Auslastung des Stadion lag deutlich unter 50 Prozent. Ein kleines Stadion ohne Laufbahn ringsum, das ausverkauft sei, könne in engen Spielen den Ausschlag geben, heißt es von Vereinsseite. Von sieben bis neun Punkten pro Saison ist die Rede.
Der Senat war bislang dagegen
Die Debatten um eine neues Fußballstadion für Hertha sind nicht neu, aber noch nie meinte es der Verein so ernst wie jetzt. Im Herbst hatte Hertha eine Studie bei einem Architekturbüro in Auftrag gegeben. Genau genommen war es mehr eine Standortanalyse. „Unsere Gedanken müssen nicht an der Stadtgrenze aufhören“, hatte Herthas Präsident Werner Gegenbauer gesagt. Dass in der Öffentlichkeit auch Standorte jenseits der Stadtgrenze, im brandenburgischen Umland, diskutiert worden waren, nahm der Verein bewusst in Kauf. Er handelte sich damit zwar Unmut in der eigenen Mitgliederschaft und Fanszene ein, doch die Debatte diente wohl dazu, die starre Haltung des Senats in Sachen Denkmalschutz aufzuweichen.
Dass die Spitzen des Senats von den neuen Plänen bereits Kenntnis haben, ist nicht undenkbar. Bestätigen will der Senat das nicht. Sowohl die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt als auch das Landesdenkmalamt sprachen sich noch im vergangenen Dezember energisch gegen die Pläne aus, ein neues Stadion auf dem Olympiagelände zu bauen. Es hieß, dem Senat sei daran gelegen, dass Olympiastadion gut auszulasten. „Aus Sicht des Senats gibt es keinen Bedarf für ein neues Stadion als Ersatz und in Konkurrenz zum Olympiastadion“, sagte Martin Pallgen dem Tagesspiegel. Gleichwohl ließ der Sprecher der Senatsverwaltung für Inneres und Sport wissen, dass Hertha nach Berlin und nicht nach Brandenburg gehöre.
Auf der Mitgliederversammlung im November hatte Herthas Aufsichtsrats-Vorsitzender Bernd Schiphorst verkündet, dass der Verein unbedingt auf dem Olympiagelände bleiben wolle. Gleichzeitig kündigte Präsident Gegenbauer an, die Ergebnisse der Studie im Februar 2017 vorstellen zu wollen. Anfang Februar korrigierte Hertha diesen Plan. Die ersten Zwischenergebnisse hätten gezeigt, „dass in den nächsten Wochen zunächst nun weitere Anforderungen geprüft werden müssen, bevor uns letztlich belastbare Ergebnisse vorliegen, die dann nicht nur zur Veröffentlichung, sondern vielmehr als Diskussionsgrundlage mit den Interessengruppen dienen können“, hieß es in einer Vereins-Erklärung. Die Ergebnisse werde man erst Ende März darlegen können.
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