Streit um Tarifrückkehr: Rathauskooperation sagt Klinikum Finanzierung zu
Das Potsdamer Bergmann-Klinikum wollte keine Rückkehr zum Tariflohn in seinen Tochterfirmen. Doch die Stadtverordneten haben genau dies beschlossen - und wollen es jetzt durchziehen.
Potsdam - Auf die Warnung der Unternehmensspitze des Bergmann-Klinikums, wegen der von der Stadtpolitik verordneten Tarifrückkehr drohe in der Servicegesellschaft des Hauses ein massiver Stellenabbau, reagiert die rot-grün-rote Rathauskooperation in Potsdam zu großen Teilen mit Unverständnis. Zugleich will das Bündnis nun mit einem Grundsatzbeschluss sicherstellen, dass das Klinikum allzu große Mehrkosten wegen der Tariflöhne aus dem städtischen Haushalt finanziert bekommt.
Gemeinsame Erklärung der Kooperation
Am Donnerstagnachmittag veröffentlichte die Rathauskooperation dazu eine gemeinsame Erklärung. Man trete einer Debatte zum Abbau von Arbeitsplätzen als Kompensation für die TVöD-Mehrkosten entschieden entgegen, heißt es darin. SPD-Fraktionschef Daniel Keller erklärte aber auch: "Wir sind mit dem Oberbürgermeister einig darin, dass die Stadt für Verluste in der Bilanz, die dem Klinikum durch den SVV-Beschluss zur Tarifrückkehr entstehen, die finanzielle Verantwortung übernimmt." Hierzu werde man einen Grundsatzbeschluss im Stadtparlament fassen, so Keller.
Dabei wolle man die zusätzlichen Aufwendungen zur Einführung des TVöD ausgleichen, sagte Grünen-Fraktionschef Gerd Zöller: "Hierfür muss ein Prüfmechanismus etabliert werden – Blankoschecks für das Unternehmen wird es natürlich nicht geben." Auch Linke-Co-Fraktionschefin Sigrid Müller erklärte, eine Kommune trage die Verantwortung für gute Arbeitsbedingungen in den städtischen Unternehmen: "Der TVöD für die Beschäftigten kann nicht von der Frage abhängen, ob sie bei einer Tochter oder im Mutterkonzern beschäftigt sind." Eine Stadtsprecherin sagte den PNN, Oberbürgermeister Mike Schubert (SPD) habe bereits deutlich gemacht, dass ein solcher Beschluss für einen Defizitausgleich hilfreich sei - und auch für die Sicherheit der Arbeitsplätze im Klinikum.
Es droht massiver Stellenabbau
Wie berichtet hatte die Spitze des des kommunalen Klinikums "Ernst von Bergmann" am Mittwoch erklärt, eine Bezahlung nach den Tarifen des öffentlichen Dienstes würde der Servicegesellschaft "wirtschaftlich schaden" und "marktunüblich hohe Kosten verursachen". Demnach geht es um drei Millionen Euro mehr pro Jahr, obwohl man schon Löhne über dem Lohnniveau in der Branche zahle, sagte Interims-Klinikumchef Hans-Ulrich Schmidt. Und: "Dies wiederum führt dazu, dass sich die angebotenen Leistungen signifikant verteuern." Die Gesellschaft ist unter anderem für Dienstleistungen wie Reinigung, Transportdienste, Medizintechnik oder Sterilisation zuständig.
Wie berichtet hatten die Stadtverordneten bereits im Mai für den gesamten Klinikumverbund die Rückkehr in die Tarifstrukturen des öffentlichen Dienstes beschlossen. Die Mehrkosten in Millionenhöhe - die Rede war bislang von rund 7,5 Millionen Euro jährlich - würde demnach zum Teil die Stadt Potsdam tragen. Doch bei der Servicegesellschaft mit rund 480 Mitarbeitern wären die Folgen weit gehender. Denn bestimmte Verluste der Tochter, die "nicht im direkten Zusammenhang mit der stationären Krankenhausleistung" stehen, dürfe auch der Gesellschafter nicht ausgleichen. Als Folge sei auch ein Arbeitsplatzabbau nicht auszuschließen. "Nach ersten Berechnungen könnte es 340 der derzeit 481 Mitarbeiter treffen", so Schmidt. Gleichwohl werde man den Wunsch der Politik umsetzen, wolle aber vor den finanziellen Risiken warnen, hieß es weiter.
Ärger bei den Linken
Bereits am Mittwochabend hatte sich dazu Linke-Fraktionschef Stefan Wollenberg verärgert zu Wort gemeldet. "Dass die Geschäftsführung des Klinikums im sicher nicht einfachen Prozess der Wiedereingliederung in die Tarifstrukturen des öffentlichen Diensts mit Drohszenarien auf dem Rücken der Beschäftigten agiert, ist absolut inakzeptabel." Wollenberg verwies auch auf die aus seiner Sicht geltende Beschlusslage, wonach eine Fremdvergabe von Leistungen, die im Klinikum benötigt werden, ausgeschlossen sei. Die Unternehmensführung hatte erklärt, mit höheren Löhnen in der Servicegesellschaft werde diese Aufträge von externen Kunden verlieren, wenn Leistungen nicht mehr zu marktüblichen Preisen angeboten würden. Und selbst das Klinikum werde wohl perspektivisch bestimmte Leistungen auf dem freien Markt einkaufen, hieß es.
Wollenberg hingegen verwies auf das Ziel, die ausgegliederten Tochterunternehmen wieder zurück in den Mutterkonzern zu führen. "Ein kommunales Unternehmen hat zu sichern, dass seine Beschäftigten nicht prekär arbeiten und ihnen nicht mit einer billigeren Leistungserbringung durch externe Dumpinganbieter zu drohen“, sagte der Linke-Fraktionschef. Linke-Kreischef Roland Gehrmann sagte: „Es ist schon unverschämt, wenn jemand mit einem Monatsgehalt von 22.000 Euro seinen Angestellten, die den Betrieb am Laufen halten, erklärt, dass ihre Leistung keinen Tariflohn wert ist."
Die Andere ebenfalls empört
Auch die alternative Fraktion Die Andere reagierte pikiert. "Selbst die Stadtverordneten könnten ihre Beschlüsse nicht einfach rückgängig machen, weil diese Beschlüsse die Bürgerbegehren für faire Bezahlung und bessere Arbeitsbedingungen im Klinikum wortgleich übernommen haben und binnen zwei Jahren nur durch einen Bürgerentscheid aufgehoben werden können", teilte die Fraktion via Facebook mit. Vom Oberbürgermeister erwarte man ein schnelles Machtwort gegenüber der Geschäftsführung, um endlich klar zu stellen, dass das städtische Klinikum nach den Vorgaben des Potsdamer Rathauses geführt werde.
Kritik an Schubert aus der Opposition
Hingegen nahmen die oppositionelle CDU und ihr Fraktionschef Götz Friederich die Rathausspitze ins Visier: „Wir fordern den Oberbürgermeister auf, umgehend zu handeln und die gebotene Verantwortung als Gesellschafter für die Stabilität des Klinikums und für den Erhalt der Arbeitsplätze zu übernehmen." Dieser dürfe nicht wissentlich die Entlassung von Hunderten Arbeitnehmern in Kauf nehmen und müsse Transparenz zu den Auswirkungen des TVöD-Beschlusses herstellen.
Der Streit läuft seit Wochen
Seit Wochen wird über die Tarifrückkehr gepokert. So hatte die Gewerkschaft Verdi auf einer Mitarbeiterdemo auf die vollständige Umsetzung des Stadtverordnetenbeschlusses gedrängt, ebenso die Initiatoren des Bürgerbegehrens für faire Bezahlung in dem Gesundheitsunternehmen. Mehrfach hatte das Klinikum hingegen schon vor einem Liquiditätsengpass ab Herbst gewarnt, auch wegen der Folgen der Coronakrise.
Bund stellt Investitionsmittel in Aussicht
Gute Nachrichten kommen für das Klinikum vom Bund. So will die Bundesregierung mit drei Milliarden Euro den baulichen und digitalen Fortschritt der deutschen Krankenhäuser fördern. Das Bundeskabinett stimmte bereits am Mittwoch dem von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) vorgelegten Entwurf des Krankenhauszukunftsgesetzes zu. Nach Angaben des Bundesgesundheitsministeriums soll das Geld überwiegend für Notfallkapazitäten, die Digitalisierung und die IT-Sicherheit der Kliniken genutzt werden. Die Länder sollen weitere 1,3 Milliarden Euro beisteuern. Förderanträge können schon jetzt gestellt werden und danach bis Ende 2021.
Spahn wies darauf hin, dass für Investitionen in Krankenhäuser eigentlich die Länder zuständig seien. Es sei jetzt das erste Mal seit Jahrzehnten, dass der Bund dafür eigene Haushaltsmittel einsetze. Die für die Kliniken aufgewendeten Investitionsmittel hätten in den vergangenen Jahren "nicht den tatsächlichen Bedarf abgedeckt".
Im Klinikum wurde die Nachricht am Donnerstag erfreut aufgenommen: Man begrüße das ausdrücklich, hieß es. „Doch in welcher Form das Land Brandenburg die Anträge von uns als Krankenhaus erwartet, ist bisher nicht bekannt“, sagte Klinikumchef Schmidt auf PNN-Anfrage. Und weiter: „Damit wir als Klinikum Ernst von Bergmann unsere konzeptionellen Ideen in Form von Anträgen einbringen können, erhoffen wir uns hier zeitnah Vorgaben, wie der Abruf der Förderung erfolgen kann. Dringlichsten Themen sind in dem Fall die Notfallstrukturen und die Digitalisierung.“
Aktuell seien noch drei Anträge aus 2019 für Mittel aus dem Krankenhausstrukturfonds in Bearbeitung, etwa zu mehr Ausbildungskapazitäten. Doch das Land Brandenburg habe diese noch nicht beschieden, so Schmidt. Seit vielen Jahren drängen Kommunen wie Potsdam auf mehr finanzielle Hilfen von Bund und Land für Krankenhäuser.
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