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Auch im Juni demonstrierten Beschäftigte des Klinikums vor der Stadtverordnetenversammlung. 
© Sebastian Gabsch PNN

Interview | Verdi-Gewerkschaftssekretär Torsten Schulz: "Corona sollte nicht gegen die Tarifbindung ausgespielt werden"

Am Mittwochnachmittag gehen Beschäftigte der Bergmann-Klinikgruppe erneut auf die Straße. Grund ist die schleppende Rückkehr zum Tarifvertrag TVöD. Nach Verdi-Angaben gibt es noch etliche Hürden bei der Umsetzung. Jetzt soll die Stadt eingreifen.

Herr Schulz, die Rückkehr zum Tarif am Klinikum ist beschlossene Sache, warum also demonstrieren die Beschäftigten?

Wir begrüßen die von den Stadtverordneten beschlossene Rückkehr zum Tarifvertrag TVöD. Doch die Tarifrückkehr gestaltet sich schwierig. Es ist bisher völlig unklar, ob die Mitarbeiter des Klinikums und der Diagnostik, für die der Tarif ab Juni gilt, entsprechend ihrer Berufserfahrung in Entgeltgruppen eingestuft werden. Offen ist auch, für welche Teile der Bergmann-Belegschaft überhaupt Verbesserungen kommen werden.

Langjähriges Personal könnte durch den Tarif schlechter gestellt sein als bisher?

Schlechter gestellt nicht zwangsläufig, aber sie würden nicht das verdienen, was ihnen eigentlich zustehen würde. Wir können den Haustarif, der derzeit noch gilt, nicht auflösen, weil der Arbeitgeber keine klare Aussage macht, ob die Berufserfahrung langjähriger Mitarbeiter angerechnet wird. Einen Überleitungstarif mit uns will er nicht schließen, somit sind die Beschäftigten der Willkür des Arbeitgebers ausgeliefert. Der TVöD schreibt nur einen Rechtsanspruch auf Zuordnung in Stufe 3 vor, das entspricht drei Jahren Berufserfahrung.

Torsten Schulz (37), Verdi - Gewerkschaftssekretär und zuständig für den Fachbereich Gesundheit, Soziale Dienste, Wohlfahrt und Kirchen
Torsten Schulz (37), Verdi - Gewerkschaftssekretär und zuständig für den Fachbereich Gesundheit, Soziale Dienste, Wohlfahrt und Kirchen
© promo

Sie sprechen in Ihrem Demonstrationsaufruf von Beschäftigten, die von der Politik enttäuscht sind – warum?

Es gibt noch vier weitere Gesellschaften, die laut Stadtverordnetenbeschluss vom 6. Mai auch nach Tarif bezahlt werden sollen. Doch aktuell sieht es so aus, als ob das für die Beschäftigten der Service- und Cateringgesellschaft, der Ernst von Bergmann Sozial gGbmH und der Poliklinik nicht gilt. Der Arbeitgeber hat bereits deutlich gemacht, dass wenn er angewiesen werde, nach Tarif zu bezahlen – zum Beispiel die Beschäftigten in der Servicegesellschaft – müssten die Preise für die Leistungen angehoben werden, Leistungen an Dritte verkauft werden, es droht Stellenabbau. Das ist aus unserer Sicht ganz klar eine Kampfansage und widerspricht eindeutig dem Beschluss der Stadtverordneten.

Die finanzielle Schieflage des Klinikums wird mit einer umfassenden Tarifrückkehr deutlich verschärft. Das Klinikum rechnet bis zum Jahr 2024 mit einem Defizit in Höhe von 34,4 Millionen EuroHaben Sie nicht Sorge, dass so oder so Arbeitsplätze abgebaut werden?

Nein. In dem Beschluss der Stadtverordneten ist geregelt, dass die Defizite aufgrund der Tarifrückkehr durch den Gesellschafter, also die Stadt ausgeglichen werden. Zudem sieht der Beschluss vor, dass geprüft wird, ob die Tochtergesellschaften wieder in die Muttergesellschaft rückgeführt werden. Wir fordern vom Oberbürgermeister die Geschäftsführer des Klinikums anzuweisen, die Beschlüsse umzusetzen und einen rechtsverbindlichen Gesamteintritt aller Beschäftigten in den Tarif zu vollziehen. Zudem soll der Gesellschafter anweisen, dass die Beschäftigten nach ihrer tatsächlichen Berufserfahrung eingestuft werden. Daran werden wir die Stadt messen. 

Und wenn die Stadt aufgrund der Coronakrise nicht ausreichend Geld zur Deckung des Defizits hat?

Die anfallenden Kosten und das Defizit sind in dem Beschluss der Stadtverordneten ja benannt, das ist also bekannt und wurde so beschlossen. Corona sollte nicht gegen die Tarifbindung ausgespielt werden.

Torsten Schulz (37), ist Verdi-Gewerkschaftssekretär und zuständig für den Fachbereich Gesundheit, Soziale Dienste, Wohlfahrt und Kirchen. 

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