Nahverkehr: Potsdamer Verkehrsbetrieb: Die Chefs müssen gehen
Die Stadtwerke trennen sich mit sofortiger Wirkung, aber einvernehmlich von den Chefs des Verkehrsbetriebs. Das Votum im Aufsichtsrat soll einstimmig gefallen sein.
Der Potsdamer Verkehrsbetrieb (ViP) muss sich eine neue Führung suchen. Die Verträge mit den bisherigen Geschäftsführern Martin Grießner und Oliver Glaser werden vorzeitig aufgelöst, teilte die Stadtverwaltung am Freitagabend mit. Dieser Beschluss ist nach PNN-Recherchen im Aufsichtsrat einstimmig gefallen. Das mit Stadtpolitikern von SPD, CDU, Grünen und Freien Wählern besetzte Gremium war kurzfristig zu einer Sondersitzung einbestellt worden.
Trennung in beiderseitigem Einvernehmen
Die aus Sicht aller Beteiligten wichtigste Nachricht: Ein langer Rechtsstreit wird vermieden. Man habe sich auf eine sofortige Trennung im beiderseitigen Einvernehmen verständigt. Genaue Konditionen des Abgangs für die jeweils mit mehr als 130 000 Euro pro Jahr dotierten Manager wurden zunächst nicht bekannt – sie würden aber beide noch einige Monate lang ihr Gehalt erhalten, hieß es aus Unternehmenskreisen.
Auch nahm die Stadt keine Stellung zu Kosten, die im Vorfeld entstanden waren – etwa durch den Einsatz gut dotierter Rechtsanwälte in dem Konflikt, der erst am Donnerstag öffentlich bekannt geworden war. Auch zu dessen genauen Hintergründen schwiegen das Rathaus und die Stadtwerke am Freitag. Beide Seiten hätten sich auf Stillschweigen verständigt, hieß es offiziell. Kommissarisch werde die Stadtwerke-Tochter ViP nun durch Monty Balisch geleitet, bisher kaufmännischer Hauptabteilungsleiter der Stadtwerke. Man suche aber bereits Nachfolger, hieß es.
Massive Compliance-Verstöße?
Aus Sicht der Rathausspitze besteht zu dem Geschäftsführer-Duo aus mehreren Gründen kein Vertrauen mehr, wie Aufsichtsratschef Burkhard Exner (SPD), Potsdams Finanzdezernent, nach PNN-Informationen in dem Kontrollgremium deutlich machte. Wirtschaftsprüfer sollen dort erklärt haben, warum sie die Freigabe für den Jahresabschluss 2018 und die ordnungsgemäße Geschäftsführung nicht erteilen.
Ursache dafür seien vor allem massive Compliance-Verstöße im öffentlichen Vergaberecht bei Aufträgen an die Beratungsfirma BSL, die den ViP bei der Nahverkehrsstrategie unterstützen sollte (PNN berichteten). Dabei sei es um Aufträge im Wert von knapp einer Million Euro gegangen, die nicht ordnungsgemäß ausgeschrieben sowie ohne die nötigen Gremienbeteiligungen erteilt worden seien. Die nunmehr Ex-Geschäftsführer wiesen die Vorwürfe nach PNN-Informationen zurück. Sie hatten auch erklärt, das Handeln sei abgestimmt gewesen.
Nachforderungen von 3,8 Millionen Euro
Eskaliert war die Lage schon vor wenigen Monaten, als die Geschäftsführer aus Sicht der Kämmerers unabgestimmt zusätzlich 3,8 Millionen Euro für Planungsleistungen für die Tramtrasse nach Krampnitz nachreichten – was diese Woche im Rahmen des Nachtragshaushalts durch die Stadtverordneten genehmigt wurde. In diese gegenseitige Entfremdung passt auch, dass Exner das Duo mehrfach ermahnt haben will, weil dieses in die Wirtschaftspläne jedes Jahr millionenschwere Ausgabenpuffer einbaute – die dann aber nicht benötigt wurden. Auch das wird als Planungsfehler ausgelegt und habe letztlich zu einem Aufsichtsratsbeschluss im vergangenen Dezember geführt, wonach der ViP sein Ergebnis – und zwar vor Einbezug der wachsenden städtischen Förderung – um eine Million Euro pro Jahr verbessern muss. Im Klartext: Die Puffer sollten abgeschmolzen werden.
Letztlich ging so das Vertrauen verloren, dass beide Geschäftsführer das millionenschwere Krampnitz-Projekt noch würden stemmen können. Daher habe man die Reißleine gezogen, auch wenn der Vertrag des Kaufmännischen Geschäftsführers Grießner nur noch ein Jahr und der von Technikchef Glaser zwei Jahre gelaufen wäre.
Kritik des Bahnkundenverbands
Die bevorstehende Ablösung der ViP-Chefs war am Donnerstag erstmals von den PNN berichtet worden. Stadtpolitiker von CDU, Linken, Bürgerbündnis und Die Andere hatten das Vorgehen infrage gestellt und Aufklärung gefordert. Auch am Freitag riss die Kritik nicht ab, am Morgen teilte der für Potsdam zuständige Bahnkunden-Verband in einer Erklärung mit, man nehme die scheinbar rein politisch motivierte Entscheidung „mit Bestürzung und Unverständnis“ zur Kenntnis. Sollte das so umgesetzt werden, „verliert die Stadt aus für uns nicht nachvollziehbaren Gründen kompetente und geschätzte Fachleute“, diese seien nur Bauernopfer und die Gründe für ihren Abgang nur vorgeschoben, so der Verband.
Weiter erklärte der Verband, Potsdams Finanzbeigeordneter und ViP-Aufsichtsratschef Burkhard Exner (SPD) spare das städtische Verkehrsunternehmen kaputt. So seien die Fahrgastzahlen in den vergangenen Jahren um 8,7 Prozent auf knapp 35 Millionen gestiegen, die Ausgleichszahlungen der Stadt aber nur um 1,3 Prozent. „Preissteigerungen bei Kraftstoffkosten, Personal und Instandhaltung können damit keinesfalls aufgefangen werden“, so der Verband. „Das kann auf Dauer nicht gutgehen.“ Und weiter: „Wenn Herr Exner durch die Abberufung versucht, den Geschäftsführern die Schuld zuzuschieben, verkennt er seine eigene Rolle als Aufsichtsratsvorsitzender und trägt viel Unruhe in die Stadt.“ Ebenso ging der Verband auf das von der SPD-Spitze propagierte 365-Euro-Jahresticket ein, das für die Region Potsdam kommen soll: „Wenn die Stadt nicht bereit ist, mehr Geld für den ViP auszugeben, aber von ihm eine Ausweitung des jetzigen Angebots erwartet, wird dieser Ticketwunsch ein unhaltbares Wahlkampfversprechen bleiben.“
Heuer: Votum des Aufsichtsrats akzeptieren
Die Stadt hatte bereits am Donnerstag die Kritik zurückgewiesen, es gehe bei dem Agieren um einen Sparkurs. So würden die nötigen Zuschüsse für den ViP in den kommenden Jahren steigen, von 23 auf 29 Millionen Euro. Am Freitag wurde ferner auf ein schon 2015 aufgelegtes 50-Millionen-Euro-Paket für den ViP verwiesen. Dazu meldeten sich am Freitag auch erste Stadtpolitiker zu Wort, die Verständnis für die Entscheidung zeigten – etwa SPD-Fraktionschef Pete Heuer: „Man ist gut beraten, bei der Bewertung auf alle Fakten zu achten.“ Die Entscheidung des auch mit Stadtpolitikern besetzten Aufsichtsrats müsse man akzeptieren. Zudem erinnerte er etwa an die schlechte Stimmung unter den ViP-Fahrern, die aktuell mit der Unternehmensspitze ein Gerichtsverfahren um Zuschläge ausfechten.
Auch Stadtwerke-Aufsichtsrat stimmte zu
Der Aufsichtsrat der Stadtwerke, ebenso mit Kommunalpolitikern besetzt, segnete das Vorgehen nach PNN-Informationen beim ViP bereits am Donnerstag ab. In dem Gremium sitzt auch Linke-Fraktionschef Hans-Jürgen Scharfenberg. Er sagte auf PNN-Anfrage: „Maß für die Entscheidung ist die Zukunft des Unternehmens.“ Diese Zukunftsfähigkeit sah die Rathausspitze angesichts der großen Aufgaben offensichtlich als nicht mehr gegeben an. Einer der Krampnitz-Verantwortlichen sagte den PNN am Freitag: „Für so ein Projekt braucht es ein gutes Verhältnis zwischen Rathaus und Unternehmen – insofern kann der Austausch von Personen durchaus sinnvoll sein.“ Allenthalben bedauert werde, dass die Stadt gerade mit Glaser einen fundierten Technikspezialisten verliere, hieß es von Kennern des Verkehrsbetriebs.