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Vielfältiges Programm. Bei Carsten Wist und Felix Palent waren 2018 mehrere internationale Schriftsteller zu Gast. 
© Ottmar Winter

Die Jahresbilanzen von drei Potsdamer Buchläden: 2018 war für Wist „auf Champions-League-Niveau“

Die bekanntesten Potsdamer Buchhändler ziehen für das Jahr 2018 eine positive Bilanz – und geben einen Ausblick auf dieses Jahr.

Potsdam - Wie haben die Potsdamer Buchhändler das Jahr 2018 erlebt? Was waren die Highlights und welche Empfehlungen geben sie für dieses Jahr? Ein Streifzug durch drei Potsdamer Buchhandlungen.

Das Internationale Buch

Als eine Insel der Glückseligen beschreibt Stefan Bellin, der gemeinsam mit Bruder Jens das Internationale Buch betreibt, die Stadt Potsdam. Weil das Stammpublikum trotz vielfältiger Onlineangebote im lokalen Buchladen kauft – und dabei sogar gut gelaunt sei. „Potsdam hat eine spannende Buchhandelslandschaft. Jeder kann hier etwas für sich finden“, sagt er. Spaß mache das, das Jahr 2018 sei für den Buchladen in Potsdams Innenstadt jedenfalls ein gutes gewesen. Besonders das Weihnachtsgeschäft. „Wir haben von unseren Kunden sehr viel gutes Feedback bekommen, das war schön.“ Diese Anerkennung und das Wissen, mit Büchern etwas bewirken zu können, motiviere.  „Das Buch wurde schon tausendmal totgesagt, aber es geht doch immer weiter.“

Stefan Bellin leitet mit seinem Bruder Jens das „Internationale Buch“.
Stefan Bellin leitet mit seinem Bruder Jens das „Internationale Buch“.
© Ottmar Winter

Eines der meistverkauften Bücher in seinem Laden sei letztes Jahr Dörte Hansens „Mittagsstunde“ gewesen. Nach dem Erfolg von „Altes Land“ hätten die Potsdamer darauf gewartet. „Das ist kein verkopfter, elitärer Roman, aber einer mit Nachhall“, sagt Bellin. Die Kunden haben das Buch untereinander weiterempfohlen, ein Selbstläufer.

Überhaupt werden deutschsprachige Autoren immer besser aufgenommen – auch Potsdamer. So liefen Julia Schochs „Schöne Seelen und Komplizen“ sehr gut und auch Anita Meybohms Katzenkrimis oder Sven Strickers Sörensen-Fälle. „Bei Stricker etwa war zu merken, dass er von Mund zu Mund gegangen ist“, sagt Bellin. Ebenfalls beliebt sei die historische Jugendbuchreihe von Caroline Flüh, die ihre Trilogie im letzten Jahr mit „Drama an der Hofoper“ abschloss. Buchempfehlungen für dieses Jahr möchte Bellin noch nicht geben, dafür sei er noch nicht tief genug in die Verlagsvorschauen eingestiegen.

Viktoriagarten

Stefanie Müller hingegen, die 2011 gemeinsam mit Andrea Schneider in Potsdam-West den Viktoriagarten eröffnete, hat gleich zwei Titel parat, auf die sie sich freut: Zum einen „Die Liebe im Ernstfall“ von Daniela Krien, das Ende Februar im Diogenes Verlag erscheint. „Auf ein neues Buch von ihr warten wir seit Jahren“, sagt Schneider. Krien („Irgendwann werden wir uns alles erzählen“) hatte zuletzt 2014 etwas veröffentlicht. Zum anderen prophezeit Müller, dass Takis Würgers neuer Roman „Stella“, der kommenden Freitag bei Hanser erscheint, der erste Bestseller des Jahres werde. „Auf jeden Fall wird er für Diskussionen sorgen“, so die Buchhändlerin. Auch für den Viktoriagarten war 2018 ein gutes Jahr. Viel gekauft wurden hier ebenfalls Dörte Hansens aktueller Roman sowie „Das Feld“ von Robert Seethaler. „Und auch Juli Zeh geht immer“. Nachgefragt war außerdem „Becoming: Meine Geschichte“ von Michelle Obama und noch immer „Was man von hier aus sehen kann“ von Mariana Leky aus dem Jahr 2017. 

Die Bücher der Potsdamer Autorin Christine Anlauff, die auch im Viktoriagarten arbeitet, stehen in der Nachfrage ebenfalls oben. Ebenso Andrea Lütkewitz’ Gedichtband „Nuss Schalen Bruch“, der für Lyrik gut gelaufen sei. Gefragt seien zudem der Kalender und die Postkarten von Potsdamerin Verena Postweiler. Neben vielen verkauften Büchern können die Viktoriagärtnerinnen auch auf einige gut besuchte Lesungen zurückblicken. So war etwa Franziska Hauser mit ihrer Familiengeschichte „Die Gewitterschwimmerin“ zu Gast. Autor und Musiker Jan Böttcher stellte seinen Roman „Das Kaff“ vor.

Einen besonderen Geheimtipp des letzten Jahres präsentierte Pippa Goldschmidt im April auf dem Telegrafenberg: ihre Kurzgeschichtensammlung „Von der Notwendigkeit, den Weltraum zu ordnen“. Ein persönlicher Liebling von Schneider ist dann aber doch „Idaho“ von Emily Ruskovich – und „Als ich mit Hitler Schnapskirschen aß“ von Manja Präkels. Sie liest im Rahmen des Festivals „Made in Potsdam“ am 13. Januar um 11 Uhr in der fabrik daraus – präsentiert vom Viktoriagarten.

Ebenfalls in diesem Jahr vorgesehen: Eine Veranstaltung mit Antje Rávic Strubel, die Werke der amerikanischen Autorin Lucia Berlin übersetzt hat und vorstellt. Auch Lesungen für Kinder sollen wieder vermehrt stattfinden, sagt Stefanie Müller. Das beliebteste Kinderbuch sei derzeit „Die Kackwurstfabrik“, das die menschliche Verdauung beschreibt.

Wist – Der Literaturladen

Carsten Wist hat das vergangene Jahr noch nicht ganz verdaut. So sehr schwelgt der Inhaber von Wist – Der Literaturladen noch in den Titeln und Lesungen von 2018. Vor allem von seinen internationalen Gästen schwärmt er: wie von der kanadischen Schriftstellerin Rachel Cusk, die in dem Laden in der Dortustaße las. Oder auch der ungarische Autor László Krasznahorkai, der „Baron Wenckheims Rückkehr“ vorstellte: für Wist die Lesung des Jahres. „Einfach ein außerirdisches Buch.“ Insgesamt spielte für ihn das vergangene Jahr „auf Champions-League-Niveau“. Seinen Literaturladen führt er gemeinsam mit Felix Palent, mit dem er sich „perfekt die Bälle zuwirft“, wie Wist sagt. Zwar sei die Krise im Buchhandel nicht zu leugnen, aber dennoch sei unter den gegebenen Bedingungen 2018 ein gutes Jahr gewesen. „Es gab keine Ausreißer nach oben oder unten“, so Wist schlicht.

Im Viktoriagarten können Büchersüchtige im angegliederten Café beim Lesen auch Gebäck genießen. 
Im Viktoriagarten können Büchersüchtige im angegliederten Café beim Lesen auch Gebäck genießen. 
© Ottmar Winter

Der heimliche Bestseller des Jahres war Judith Schalanskys Erzählband „Verzeichnis einiger Verluste“, den die Autorin am 10. Februar um 11 Uhr in der Villa Quandt vorstellen wird. Szczepan Twardoch, der im März 2018 aus seinem Buch „Der Boxer“ im Literaturladen las, bezeichnet Wist als Autor des Jahres. „Seine Präsenz hat sich von Anfang an durchgezogen.“ Eine Entdeckung sei für ihn aber auch der Roman „Die polyglotten Liebhaber“ der schwedischen Autorin Lina Wolff gewesen. Unter den Potsdamer Autoren verkaufte sich Julia Schoch gut. 

Während 2019 laut Wist ganz im Zeichen der norwegischen Autoren, wie Karl Ove Knausgård stehen wird, beeindruckte ihn 2018 ein deutscher Autor: Wolf Wondratschek. Der läutet auch gleich das Lesungsjahr bei Wist ein und stellt am 1. Februar sein Buch „Selbstbild mit russischem Klavier“ vor. Über der sonstigen Planung brüten Carsten Wist und Felix Palent derzeit noch. Auch alle Verlagsvorschauen sind noch nicht gesichtet. Einen Titel, auf den sich Wist besonders freut, verrät er schon: „Max, Mischa und die Tet-Offensive“ des norwegischen Schriftstellers Johan Harstad. Er erscheint Ende März bei Rowohlt.

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