Interview | Günther Jauch: "Potsdam hat schon 1989 einen Zauber ausgestrahlt"
TV-Journalist Günther Jauch über 30 Jahre Einheit, Politclowns unter den Potsdamer Stadtverordneten, den Stadtkanal und die Geduld von Hasso Plattner.
Herr Jauch, in diesem Jahr wird das 30-jährige Jubiläum der Deutschen Einheit gefeiert. Sie sind einer der Protagonisten beim Festakt in der Babelsberger Metropolis-Halle. Was genau ist dabei Ihre Aufgabe?
Ich beteilige mich mit drei kleinen Interviews. Dabei wollen wir versuchen abzubilden, was diese 30 Jahre für Menschen bedeuten, die damals geboren wurden, die 30 und die 60 Jahre alt waren – und die heute dementsprechend 30, 60 und 90 Jahre alt sind. Die Protagonisten sind Frauen und Männer, sowohl aus dem Osten, als auch aus dem Westen – also bunt gemischt.
Was bedeutet die Deutsche Einheit für Sie persönlich?
Nach wie vor ist das einer der glücklichsten Momente meines Lebens. Trotz aller Streitereien sehe ich die Einheit als großen Glücksfall für das ganze Land an. Dass das nicht jeder für sich persönlich auch so sieht, kann ich verstehen. Aber wenn man im Großen und Ganzen auf diese 30 Jahre blickt, ist das – auch international gesehen – eine echte Erfolgsgeschichte.
Sie sind selbst relativ schnell in den Osten gezogen, nach Potsdam. Zum ersten Mal waren Sie nach eigenem Bekunden am 24. Dezember 1989 hier in der Stadt. Was hat Sie denn am Heiligabend hergetrieben?
Ich wohnte damals im Süden von Berlin, in Lichterfelde-Süd. Und da habe ich mir einfach den Wagen meines Vaters geschnappt und bin mit meiner Frau über Teltow nach Potsdam gefahren. Wir wollten uns Sanssouci anzuschauen und waren dann auch im Holländischen Viertel, das damals noch wüst aussah. Trotzdem hat die Stadt schon damals einen ungeheuren Zauber auf uns ausgestrahlt, und wir haben uns gesagt: Hier wollen wir einmal leben.
Inzwischen wohnen Sie seit mehr als 20 Jahren in Potsdam und haben die Entwicklung der Stadt seitdem miterlebt. Wie zufrieden sind Sie denn – auf einer Skala von eins bis zehn?
Ooooch, na ja....7,5.
Erklären Sie mal bitte die fehlenden 2,5.
Die sind für mich zum einen der Langsamkeit, mit der sich Dinge entwickeln, geschuldet. Zum zweiten, dass in der Stadt auch über kleinste Themen grundsätzlich erbittert gestritten wird. Das führt zu ständigen ideologischen Grabenkämpfen. Wenn Partei A etwas vorschlägt, lehnt es Partei B schon deshalb ab, weil es eine Idee von A war. Ich bin ja wirklich ein großer Fan der Stadtverordnetenversammlungen, die ich mir gern im Livestream anschaue.
Jetzt kommt das Aber.
Zum Beispiel eine der letzten länglichen Diskussionen. Da wird vorgeschlagen, dass der Platz der Einheit künftig Platz der Deutschen Einheit heißen solle. Diese Idee ruft dann Politclowns der besonderen Art auf den Plan. Die fordern, den Platz in „Platz der Spaltung“ umzubenennen. Und dann greift eine dritte Partei ein und plädiert für „Platz der Zweiheit“. Solche Debatten sind sicher der Preis der Demokratie, aber wenn sich einige Stadtverordnete zuweilen etwas erwachsener präsentieren würden, wäre das sicher hilfreich.
Sie engagieren sich seit Jahren für das historische Stadtbild, darunter für die umstrittene Garnisonkirche. Was halten Sie von der geplanten Mitarbeit des Stararchitekten Daniel Libeskind, der womöglich einen modernen Vorschlag für das Kirchenschiff vorlegen wird?
Das ist auch so ein ideologischer Dauerbrenner, der viele inzwischen erschöpft zurücklässt. Ich habe mich die letzten zehn Jahre bei dem Thema immer herausgehalten. Potsdam ist nicht Dresden, aber die völlig unnötige Sprengung der Kirche durch die SED war schon ein besonders barbarischer Akt. Ich habe mich bereiterklärt, beim Wiederaufbau des Turms – und nur da – mitzuhelfen und stifte die Aussichtsplattform. Damit wird Potsdam noch einmal anders erlebbar und die Stadtsilhouette gewinnt auch. Unabhängig davon glaube ich auch an die Ernsthaftigkeit der historischen Erinnerungs- und an die Versöhnungsarbeit, die dort geleistet werden soll.
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Als eine seiner ersten Amtshandlungen hatte Oberbürgermeister Mike Schubert die Wiedergewinnung des zu DDR-Zeiten zugeschütteten Stadtkanals zu einem Herzensprojekt erklärt. Ist es das auch für Sie?
Ich sehe das als ein schönes Projekt an. Aber als der Oberbürgermeister vor einem Jahr andeutete, dass die Realisierung dieser Idee durchaus 30 Jahre dauern könne, habe ich mal nachgerechnet. Mich wird dann schon der kühle Rasen decken. Im nächsten Jahr soll es mit der Bürgerbeteiligung losgehen, dann sollen internationale Studenten Ideen entwickeln und diese Vorschläge sollen dann zu einer „Grundlage für eine Diskussion“ werden. Das kann dauern…
Es wird darüber debattiert, ob der Kanal in Gänze historisch oder in Teilen auch modern werden könnte.
Es läuft bei solchen Projekten immer darauf hinaus, dass sich Streitlinien bilden, an denen sich dann alle Parteien ideologisch, zeit- und kostenintensiv abarbeiten können.
Würden Sie sich denn an der Wiederherstellung finanziell beteiligen?
Das weiß ich noch nicht. Es wäre schon schön, wenn ich die Fertigstellung des Kanals realistischerweise überhaupt noch erleben würde. Die Finanzierung von immer neuen Machbarkeitsstudien und Architektenwettbewerben allein verändert das Stadtbild konkret erstmal überhaupt nicht. Wenn der erste Spaten in den Boden fährt, können wir ja nochmal drüber reden.
Sie haben in Potsdam bereits für viele Projekte gespendet – zuletzt eine Million Euro für die Rettung des Campanile der Friedenskirche. Zu dieser Kirche haben Sie auch eine ganz persönliche Beziehung, denn Sie haben dort vor 14 Jahren geheiratet. War dieser emotionale Faktor für die Spende ausschlaggebend?
Nein, aber die Friedenskirche ist eine der schönsten Kirchen, die ich kenne – und ich habe mir schon viele angesehen. Ich fühle mich ihr schon auch persönlich verbunden, aber ich hätte auch geholfen, wenn ich dort nicht geheiratet hätte. Es war ohnehin eine Spontanentscheidung, denn ursprünglich wollten meine Frau und ich in der Heilandskirche in Sacrow heiraten. Allerdings haben Ihre Journalistenkollegen das sehr schnell herausgefunden, und da wir unsere Hochzeit halbwegs in Ruhe feiern wollten, mussten wir kurzfristig die Kirche wechseln. Wir haben es nicht bereut!
Hasso Plattner hat sein Engagement in Potsdam auch immer damit begründet, dass er der jahrzehntelangen Benachteiligung Ostdeutschlands durch die Teilung des Landes nach dem Zweiten Weltkrieg etwas entgegensetzen will. Was ist Ihre Motivation?
Ich sehe das nicht zuvörderst durch diese Brille. Aber ich wohne jetzt die längste Zeit meines Lebens am Stück in Potsdam. Ich lebe hier sehr gerne und finde die Entwicklung der Stadt trotz ihrer Aufs und Abs großartig. Daher halte ich es für normal, dass ich mich hier auch engagiere.
Bleiben wir noch einen Moment bei Hasso Plattner. Erst kürzlich wurde die Dauerausstellung seiner Impressionisten-Sammlung im Museum Barberini eröffnet. Haben Sie sie bereits besucht?
Leider noch nicht, aber das werde ich bald nachholen. Ich bin jedes Mal begeistert, was da in schneller Folge an hochkarätigen Ausstellungen auf die Beine gestellt wird. Und ich sehe auch, was für ein Magnet das Barberini für Menschen aus aller Welt ist. Wenn man sich umhört, in Hotels oder Gaststätten, merkt man schnell, welchen Schub das Museum Potsdam in touristischer Hinsicht noch einmal gegeben hat.
Mit einer eigenen Sammlung kann das Museum jetzt selbst als Leihgeber auftreten.
Ja, das ist ein absoluter Traum. Was Hasso Plattner in Potsdam bewirkt hat, egal ob in den Bereichen Bildung, Kultur oder Mäzenatentum, finde ich großartig. Gleichzeitig ist er auch in Detailfragen meinungsstark und in jeder Hinsicht immer großzügig. Ich bewundere ihn aber auch für seine Geduld, wenn er auf die Bedenkenträger stößt, die auch seine Projekte stets begleiten. Da kann ich noch etwas lernen.
Vor genau einem Jahr haben Sie gemeinsam mit Sternekoch Tim Raue die von Ihnen sanierte Villa Kellermann als Restaurant wiedereröffnet. Das Haus war fast ständig ausgebucht, dann kam Corona. Wie ist die Lage jetzt?
Leider beziehungsweise zum Glück immer noch ausgebucht, aber wir dürfen wegen Corona auch nur einen Teil der Plätze besetzen. Für die kalte Jahreszeit werden wir Luftreiniger aufstellen, um das Ansteckungsrisiko noch einmal drastisch zu verringern.
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