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Elvira Eichelbaum wurde von Kollegen gewarnt, sich nicht zu viel vorzunehmen. Sie warb in der Politik für ein neues Drewitz.
© Andreas Klaer

Serie | 70 Jahre PNN - 70 Jahre Stadtgeschichte: „Es ist verrückt, was sich hier getan hat“

Sieben Zeitzeugen schildern ihre Erlebnisse in 70 Jahren Stadtgeschichte zum Jubiläum der PNN. Elvira Eichelbaum über eine Initiative, die in den 2010ern nicht nur Drewitz, sondern ganz Potsdam veränderte.

Potsdam - Als Elvira Eichelbaum 2020 in den Ruhestand geht, hat sie das vielleicht aufregendste Jahrzehnt ihrer beruflichen Zeit hinter sich. Als Direktorin der Stadtteilschule hat sie nicht nur diese neue Schule werden sehen, sondern ebenso die Erneuerung des ganzen Stadtteils drumherum. Sie hat das alles auch noch angestoßen – und mit der ihr eigenen sympathischen Penetranz vorangetrieben. Viele Menschen haben daran mitgearbeitet, mitgefiebert, die Veränderungen in Drewitz erlebt und gelobt. Elvira Eichelbaum, die 1988 nach Drewitz kam, sagt: „Es ist verrückt, was sich hier getan hat.“ 

Drewitz ist in den 90er-Jahren ein schwieriger Stadtteil

Drewitz mit seinen Plattenbauten wird zur Wendezeit gerade fertig. Die Wohnungen waren gedacht für Angestellte und Armeeangehörige, aber wer hier einzieht, zieht Anfang der 1990er schnell wieder aus. Denn in Potsdam wohnt man mittlerweile auch woanders gut oder zumindest immer besser, wer will da noch in die Platte am Stadtrand? Es kommen stattdessen Aussiedler und Menschen mit kleinem Einkommen. Oder gar keinem. Der Stadtteil wird schwierig. 

Am 6. August 2013 berichten die PNN von der Eröffnung der Stadtteilschule Drewitz in Potsdam am Tag zuvor.
Am 6. August 2013 berichten die PNN von der Eröffnung der Stadtteilschule Drewitz in Potsdam am Tag zuvor.
© PNN Archiv

Elvira Eichelbaum arbeitet erst als Lehrerin in der alten Dorfschule, ist dabei, als die Schule 1991 in den Neubau, DDR-Platte, umzieht, und Grundschule am Priesterweg wird. Ab 1996 ist sie Schulleiterin. Die Schule, die Kinder, der Stadtteil, das alles gehört zusammen. So sieht es Elvira Eichelbaum bis heute, ein knappes Jahr nachdem sie in den Ruhestand ging. 

Eine Schule zum Lernen, für die Nachbarschaft, für die Menschen im Kiez

Von ihrem Eigenheim am Stadtrand aus, auch ein DDR-Typenhaus, nimmt sie weiterhin Anteil an dem, was da in „ihrem“ Drewitz passiert. Es hat etwas Schwärmerisches, wenn sie davon erzählt. Aber warum soll man nicht von Drewitz schwärmen? Warum sollte man nur vom Barberini, von Schlössern und Gärten, von der Schiffbauergasse schwärmen? Warum nicht mal von Drewitz? Und von den anderen Stadtteilen, Schlaatz, Waldstadt, Potsdam Nord, wo in den vergangenen Jahren neue Schulen entstanden, Einrichtungen für Bildung, Sport und Kultur? „In Potsdam hat eine so umfängliche Wandlung in allen Lebensbereichen stattgefunden - in welcher anderen Großstadt gibt es das denn noch?“ Ihr fällt keine ein. 

Die Stadtteilschule Drewitz ist ein Begegnungsraum für Familien und die Menschen im Kiez.
Die Stadtteilschule Drewitz ist ein Begegnungsraum für Familien und die Menschen im Kiez.
© Andreas Klaer

Der Anstoß kommt 2008, als Vertreter der Stadt und des Kommunalen Immobilienservice die Schule besuchen. Der abgewohnte DDR-Bau soll renoviert werden. Elvira Eichelbaum sagt, ein bisschen renovieren reicht nicht, es muss mehr investiert werden – und im Grunde braucht der ganze Stadtteil Hilfe. Sie findet tatsächlich Verbündete aus der Politik, von der Pro Potsdam. Manche Kollegen sagen zwar, sie soll nicht so viel auf einmal wollen, aber da läuft schon alles an. Es gibt einen Architektenwettbewerb für einen ganz neuen Schultyp. Gut zum Lernen, gut für die Nachbarschaft, für die Menschen im Kiez. Ein offener Ort für alle Generationen. Elvira Eichelbaum holt sich viele Anregungen dazu auf ihren Reisen. Wo sie hinfährt, schaut sie sich Schulen an. „Es gibt überall auf der Welt so tolle Bildungsmodelle.“

Das Vorzeigeprojekt zieht sogar Besucher aus dem Ausland an

Dass die Stadt sich hier mitreißen ließ, Mittel bereitstellte und zuletzt ganz Drewitz zu einer bunten und vor allem grünen Gartenstadt umgestaltet wurde, das klingt für sie noch immer wie ein kleines Wunder. Sie erinnert sich an einen Jungen, der zur Eröffnung der neuen Schule 2013 staunend vor dem Gebäude stand und sagte: So ein toller Palast – dürfen wir da wirklich rein? 
Nach und nach kommen alle Minister, sogar Besucher aus dem Ausland, und schauen sich das Vorzeigeprojekt an. Und das Beste: Es funktioniert. Weil die Drewitzer mitgezogen haben. Die Lehrer, die sich fortbildeten für dieses neue Miteinander, die Eltern in die Schule holten, sich Sorgen anhörten, Hilfe organisierten, Projekte und Familienfeste am Backofen planten. 

Einweihung des fertiggestellten dritten Bauabschnitts des Grünen Kreuzes in der Gartenstadt Drewitz im Juni 2019.
Einweihung des fertiggestellten dritten Bauabschnitts des Grünen Kreuzes in der Gartenstadt Drewitz im Juni 2019.
© Andreas Klaer

Die Schulsozialarbeit wurde in professionelle Hände gelegt. Eltern halfen ehrenamtlich. Partner wie die Kammerakademie und Tanzakademie Erxleben kamen dazu, um Kulturprojekte mit den Kindern durchzuführen. Unternehmer und der Rotary Club leisteten praktische Hilfe. Und dann waren da schließlich die Potsdamer, die vielleicht noch nie in diesem Plattenbauviertel waren. Genauso wie manche Kinder noch nie aus Drewitz rauskamen, das gibt es, und Elvira Eichelbaum findet das eigentlich schrecklich. Weshalb sie Wandertage immer zunächst in die eigene Stadt plante, auf die andere Seite der Havel. 

Unterstützung kommt von der Politik und vor allem den Menschen

Großer Verbündeter dieser anderen Potsdamer also wurde der Verein Berliner Vorstadt. Ausgerechnet. Eines Tages habe der Vorstand gefragt, ob die Vereinsmitglieder mal eine Führung durch den Stadtteil bekommen könnten. Elvira Eichelbaum freute sich über diese Initiative sehr. „Das war ehrliches Interesse, um mal die andere Seite der Stadt kennenzulernen.“ Aus der Begegnung entwickelte sich ein reger Austausch, mal wurden Kinder in die Berliner Vorstadt eingeladen, mal kam Besuch zur Weihnachtsfeier. Und der Verein spendete Geld für eine Schulbibliothek. Verlässlicher Spender war und ist auch Günther Jauch, der das Schulessen, erst in der Schule, später in der Arche, finanziert. So viel Initiative quer durch die Stadt, nicht nur aus der Politik, sondern von den Menschen – darüber wundert sich Elvira Eichelbaum noch immer ein bisschen, aber noch mehr ist sie stolz darauf. Das habe die ganze Stadt verändert – nicht nur Drewitz. 

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Immer dabei, und das sagt sie sehr gerne, sind die Medien. Die Zeitungen, die PNN. Im Friedrich-Jahr 2012 soll sie in der Rubrik „Wenn ich König von Potsdam wär“ den PNN-Lesern sagen, was sie tun würde. Zwei konkrete Dinge benennt sie: saubere Schultoiletten und bessere Bedingungen für Radfahrer. Im Grunde ging das in Erfüllung. 

Heute listet Elvira Eichelbaum auf, was noch passiert ist in diesen Jahren: Dass ein ganzer Stadtteil ein viel größeres Selbstbewusstsein errang. Und eben nicht zum Problembezirk wurde. Natürlich gibt es Probleme, natürlich muss man dran bleiben in Drewitz. Das kostet Kraft. Und Streiten gehört auch dazu. „Aber was sich hier in einem Jahrzehnt entwickelt hat – das ist schon toll.“

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