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Frohen Mutes. Katharina Dahme glaubt an eine gute Zukunft der Nulldreier.
© Julius Frick

Interview: „Es ist schwer loszulassen, wenn man dafür brennt“

Katharina Dahme ist die Aufsichtsratsvorsitzende des SV Babelsberg 03. Im Interview spricht sie über ihre Motivation und die Perspektive des Kiezvereins.

Frau Dahme, Aufsichtsratsvorsitzende beim SV Babelsberg 03: Vierte Liga, notorisch klamm, ständiges Streitobjekt und zwischen den Fronten. Haben Sie als junger Mensch nichts anderes zu tun?

Sicherlich könnte ich auch etwas anderes machen. Aber es ist ja auch die Frage, wie man überhaupt zum Fußball kommt, ob man durch Zufall oder durch familiäre Bande mit ins Stadion geschleppt wird und dann Feuer fängt. Es ist bei mir jetzt auch schon mehr als 20 Jahre her, dass ich das erste Mal mit meinem Stiefvater im Stadion war. Wir waren auch beim Eishockey in Berlin und Volleyball in Potsdam, aber beim Fußball bin ich hängengeblieben. Babelsberg als Verein hat auch schon damals mit seinem gesellschaftlichen Engagement eine besondere Faszination auf mich ausgeübt. Und irgendwann Jahre später war ich bei einer Mitgliederversammlung und war nicht so zufrieden mit den Kandidaten für die Gremien. Also dachte ich: Da kannst du das nächste Mal auch selbst kandidieren. Dann musste die Wahl tatsächlich wiederholt werden und da habe ich mich selbst beim Wort genommen und bin 2013 das erste Mal in den Aufsichtsrat gewählt worden.

Und nach sechs Jahren haben Sie nicht genug, im Gegenteil - Sie habe eine führende Rolle übernommen.

Ich hatte nie das Ziel, den Vorsitz zu übernehmen, sondern zu schauen, wie ich ein paar Jahre meinen Beitrag leisten kann. Und in der zweiten Legislatur konnte der Aufsichtsratsvorsitzende zeitlich diese Rolle nicht mehr so ausüben, sodass ich sie übernommen habe. Ich glaube, es ist ganz schwer, wieder loszulassen, wenn man für solch einen Verein brennt und Verantwortung übernommen hat. Man hat immer das Gefühl, dass es noch so viel zu erledigen gibt, bevor man sich zurücklehnt und den anderen Dingen nachgeht, die man als junger Mensch mit seiner Zeit so anfangen könnte.

Wie weit hat sich die ursprüngliche Vorstellung, welchen Beitrag Sie leisten können und wollen, von der tatsächlichen Realität, was beim SVB zu tun ist, entfernt?

Ich muss gestehen, dass ich zum Anfang gar keine richtige Vorstellung hatte, was auf einen in so einem Aufsichtsrat zukommt. Es hat mich gereizt, als Frau zu kandieren bei einem Verein, der viel Wert legt auf Gleichberechtigung, bei dem aber wenig Frauen in den Gremien mitwirken. Und dann bekommt man über die Jahre mit, dass es eher zehn Fronten gibt als nur eine, an denen man etwas beitragen kann. Ich habe nicht gedacht, dass man jedes Jahr einen solchen wirtschaftlichen Kraftakt leisten muss, um überhaupt durch die Saison zu kommen. Das hält doch sehr von anderen Aufgaben ab, denen wir uns jetzt mit dem neuen Aufsichtsrat wieder stärker widmen wollen.

Und das wäre?

Es ist Wunsch und Ziel, dass nicht alle handelnden Akteure nur mit dem finanziellen Überleben und der wirtschaftlichen Konsolidierung des Vereins beschäftigt sind, sondern sich beispielsweise auch wieder mit der Geschichts- und Traditionspflege und der Weiterentwicklung des SVB beschäftigen können.

In den vergangenen Jahren ist es gelungen, den SV Babelsberg 03 zu entschulden, dennoch ist es schwierig geblieben, ihn wirtschaftlich auf bessere Füße zu stellen. Warum ist das so schwierig?

Ich glaube, man hat in einer Stadt wie Potsdam mit den vielen erfolgreichen Sportvereinen ein wahnsinnig großes Angebot und dazu Sponsoren, die sich – vielleicht auch historisch – eher an den Berliner Fußballklubs orientieren. Es ist für Berliner nicht selbsterklärend, dass sie zu einem Viertligisten wie Babelsberg 03 ins Stadion gehen sollen. Diejenigen, die einmal dabei waren, wissen wie besonders die Atmosphäre in der Regionalliga sein kann. Aber es ist eine harte Konkurrenz mit nunmehr zwei Berliner Bundesliga-Vereinen, sowie dem breiten Sportangebot in Potsdam. Im positiven Sinn haben wir ein sportliches Überangebot.

Welche Ausrichtung ergibt sich in diesem Konkurrenzfeld für den SV Babelsberg 03, auch im Hinblick auf die gesellschaftliche Kraft des Vereins?

Das Besondere beim Fußball ist für mich, dass das Stadion einen Querschnitt der Gesellschaft abbildet. Hier treffen sich Menschen aus ganz verschiedenen Zusammenhängen, mit unterschiedlichen Biografien, die sich sonst nie begegnen würden. Im Stadion können sie gemeinsam jubeln und, was bei uns ja auch manchmal vorkommt, zusammen leiden. Die Vorstellung, dass die Menschen am Stadiontor ihren Blick auf die Welt abgeben und das Stadion ein politikfreier Raum sein sollte, habe ich schon immer für Quatsch gehalten. Menschen denken auch im Stadion politisch und haben ihre Meinungen. Deshalb finde ich es richtig, dass sich bei uns Fans und auch der Verein für Geflüchtete eingesetzt hat. Oder dass sich Nachhaltigkeit und Klimaschutz als gesellschaftlich relevante Themen inzwischen auch bei uns als Projekt „Grünes Stadion“ widerspiegeln. Als sich nach der vergangenen Saison Masami Okada als Spieler verabschiedet hat, sagte er, dass es ihm eine große Ehre war, hier bei einem Verein zu spielen, der sich politisch und gesellschaftlich für Ziele engagiert, die auch für ihn wichtig sind. Ich werde immer dafür eintreten, dass der Verein auch über den Rand des Karl-Liebknecht-Stadions hinausschaut. Und ich würde mir wünschen, dass dies in Potsdam noch mehr Anerkennung findet und mehr Besucher ins Stadion zieht.

Das berechtigte und gute gesellschaftliche Engagement hat nicht dazu geführt, dass Nulldrei sportlich an die dritte Liga anklopft, was von einigen Fans immer wieder kritisiert und bedauert wird. Welche sportliche Perspektive skizziert der neue Aufsichtsrat?

Meine Überzeugung ist, und das teilen wir auch im Aufsichtsrat, dass es für die sportliche Zielsetzung die Vision dritte Liga braucht. Es macht aber wenig Sinn, dies alle zwei, drei Jahre neu auszurufen, ohne diesem Ziel näher zu kommen. Man darf nicht geringschätzen, dass wir wirtschaftlich in den letzten Jahren Riesenschritte gemacht haben. Es sind nur ein Bruchteil an Verbindlichkeiten übrig, die wir 2013 hatten. Und trotzdem fehlt noch der letzte Schritt, dass man zu Beginn einer Saison sicher sein kann, gut über die Runde zu kommen. Es ist eine Illusion zu glauben, dass sich dies zeitnah ändern wird. Es wird wohl immer so sein, dass wir auch während der Saison um Zuschauer und Sponsoren kämpfen müssen. Aber wir müssen perspektivisch von einer Einjahres- zu einer Mehrjahresplanung kommen. Dann können wir uns guten Gewissens die Frage stellen, wie ein Aufstieg in die dritte Liga gelingen kann. Die Herausforderung ist ja, wenn ein Aufstieg tatsächlich klappen sollte, nicht direkt mit neuen Schulden wieder abzusteigen, sondern im Vorfeld die Grundlagen geschaffen zu haben, in der dritten Liga mitzuhalten.

Herausforderung und Aufgabe des Aufsichtsrates ist es auch, im August einen neuen Vorstand des SVB zu wählen. Welcher Maßstab gilt dafür? Nach welchen Kriterien sucht der Aufsichtsrat neue Vorstandmitglieder?

Wir suchen Mitstreiter, die dem Verein verbunden sind und genau diese Prämissen auch teilen. Die keine Luftschlösser bauen und versuchen, mit kurzfristigen Investitionen schnell hochzukommen, sondern einen soliden, nachhaltigen Unterbau schaffen. Und wir suchen einen Vorstand, der Interesse daran hat, das gesellschaftliche Profil des Vereins weiterzuentwickeln, wie beim Thema Klimaschutz durch das „Grüne Stadion“. Aber auch die Verankerung im Kiez ist uns wichtig, als Verein, der es ermöglicht, dass auch diejenigen am Fußball teilhaben, die wenig Geld haben. Diesem Charakter und Wesen des Vereins sollten sich die Mitglieder des Vorstandes nahefühlen.

Sportlich bereitet sich die erste Mannschaft mit ihrem neuen Trainer Marco Vorbeck auf die kommende Regionalligasaison vor. Welchen Eindruck haben Sie?

Für Babelsberg ist die Saisonvorbereitung immer eine Herausforderung, weil wir jedes Jahr einen großen personellen Umbruch haben und Spieler gehen, die sich bei uns empfehlen konnten, aber woanders bessere Angebote bekommen. Das ist ja unser Dauerlied. Und jetzt kommt noch ein neuer Trainer hinzu. Ich bin da optimistisch, weil ich schon das Gefühl habe, dass Marco Vorbeck gut zu uns passt. Ich finde das im positiven Sinn spannend und halte es für ein sehr gutes Zeichen, dass er junge Spieler aus dem eigenen Nachwuchs die Chance gibt, sich zu entwickeln. Ein Umbruch ist immer auch eine Chance, mit neuen Leuten frischen Wind reinzubringen.

Sie haben auf der letzten Mitgliederversammlung vor einigen Wochen kritisch resümiert, dass das Versprechen nach mehr Transparenz nicht vollständig eingehalten wurde. Warum nicht? Und wie soll sich das ändern?

Es war in den vergangenen sechs Jahren für alle handelnden Akteure im Verein eine anstrengende Zeit, weil der finanzielle Druck und die damit verbundene Aufgabe so groß waren, dass andere Sachen hinten runtergefallen sind – auch in der Kommunikation. Das hat nichts mit bösem Willen zu tun, sondern schlicht mit den Möglichkeiten, die wir hatten. Ich glaube, dass wir mit mehr Leuten in den Gremien, was wir ja anstreben, es besser machen können und werden. Der Aufsichtsrat hat sich vorgenommen, das Versprechen nach mehr Transparenz gegenüber den Mitgliedern und Fans einzulösen und Angebote zu machen, ins direkte Gespräch zu kommen und ihre Belange öfter abzufragen statt nur zweimal im Jahr bei Mitgliederversammlungen zu informieren.

ZUR PERSON: Katharina Dahme (33) ist in Potsdam geboren, studierte Politikwissenschaften und arbeitete als Verlagskoordinatorin für das Fußballmagazin 11FREUNDE. Sie ist Mitglied der Partei Die Linke und arbeitet derzeit als Referentin für Linke-Chef Bernd Riexinger. Im Juni 2018 übernahm sie den Vorsitz im Aufsichtsrat des SV Babelsberg 03 – als erste Frau in der Geschichte des Vereins. Vor wenigen Wochen wählten die SVB-Mitglieder sie wie in den beiden vorangegangenen Legislaturperioden in das Führungsgremium, auf dessen konstituierender Sitzung sie als Vorsitzende bestätigt wurde.

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