Potsdam und die Olympischen Winterspiele 2018: Ein Märchen aus Eis und Gold
Als deutsches B-Team ins Rennen geschickt, holten die Bobanschieberin Lisa Buckwitz und ihre Pilotin Mariama Jamanka den Olympiasieg von Pyeongchang. Der Wettbewerb im Frauen-Bob hatte viel Potsdamer Couleur. Und nun gibt es noch zwei Medaillenchancen für Brandenburgs Landeshauptstadt.
Dauergrinsen, die Nationalhymne mitgesäuselt, den Blick zur wehenden schwarz-rot-goldenen Fahne, immer wieder ein ungläubiges Kopfschütteln – und die Goldmedaille ehrfürchtig vor der silbernen Jacke tragend: Die Potsdamer Bobanschieberin Lisa Buckwitz genoss am gestrigen Donnerstag zusammen mit ihrer Pilotin Mariama Jamanka die Siegerehrung bei den Olympischen Winterspielen von Pyeongchang in vollen Zügen. Beide hatten am Vortag überraschend den Zweierbob-Sieg eingefahren, ohne jemals zuvor bei einem Welt-Championat der Elite auf dem Podest gestanden zu haben. Buckwitz wurde damit zur ersten Potsdamer Winter-Olympiamedaillengewinnerin.
Dem deutschen Duo gelangen vier blitzsaubere Fahrten. Nach der mit einer Höchstgeschwindigkeit von fast 140 Stundenkilometern gemessenen abschließenden Runde waren sie noch nicht einmal ganz zum Stehen gekommen, da flossen bereits die Freudentränen. Später stammelte Lisa Buckwitz im ZDF-Fernsehinterview: „Wir können das noch nicht ganz begreifen. Das ist Wahnsinn, was hier gerade abgelaufen ist.“ Und danach entschwanden sie in eine Feiernacht. Aufblasbare Gold-Kronen trugen beide während der Party im deutschen Haus. Überrollt wurden Lisa Buckwitz und Mariama Jamanka von Gratulationen. Auch Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) richtete einen herzlichen Gruß nach Südkorea. „Ihre Form stimmte, sie haben ihre Power und Fahrkunst im richtigen Moment auf die Bahn gebracht. Ein Traum wird wahr“, sagte er. „Ganz Brandenburg freut sich mit. Überraschende Siege sind doch die schönsten Siege.“ Potsdams Bob-Stützpunkttrainer Jörg Weber, der von der Heimat aus am Fernseher mitfieberte, hatte vor den Spielen allenfalls mit Bronze geliebäugelt. „Jetzt bin ich überglücklich“, meinte der Coach zum Märchen aus Eis und Gold, das eine dicke Potsdamer Note hat.
"Die Formel 1 des Wintersports hat ein neues Top-Speed-Duo"
Mariama Jamanka, die ehemalige Berliner Diskus- und Hammerwerferin, begann 2013 mit dem Anschieben ihre Bobkarriere am Luftschiffhafen. Die zuvor als Siebenkämpferin ebenfalls in Berlin aktive Lisa Buckwitz stieß ein Jahr später hinzu und durchlief auch das für den Bobsport typische Sportler-Recycling. Oft sind es explosive, sprintstarke Leichtathleten, die nach mangelnder Leistungsentwicklung schließlich zu Schlittenbeschleunigern umgeschult werden. Mariama Jamanka ging alsbald noch einen Schritt weiter. Weil sie nicht die erhofften Anschubwerte brachte, wechselte sie 2015 nach Oberhof, um Pilotin im Eiskanal zu werden. Die Wege von Jamanka und Buckwitz gingen auseinander. Diese Saison fanden sie nun wieder zusammen.
Grund dafür war eine Entscheidung von Bundestrainer René Spies. Wenige Wochen vor den Winterspielen 2018 veränderte er die Besatzungen der deutschen Frauen-Bobs. Mariama Jamankas angestammte Anschieberin Annika Drazek wurde zu Buckwitz’ bisheriger Pilotin Stephanie Schneider delegiert. Schneider/Drazek galten als Deutschlands A-Team, sollten über besonders gute Startzeiten zum Erfolg kommen. Doch beide gingen verletzungsbedingt mit Handicap ins Olympiarennen und konnten daher ihre Qualität nicht ausspielen. Am Ende stand der undankbare vierte Rang zu Buche, was auch in Potsdam bedauert wurde. „Für Stephie tut es uns unheimlich leid“, sagte Peter Rieger, Geschäftsführer des SC Potsdam sowie Präsident des Brandenburgischen Bob- und Schlittenverbandes. Jene Stephanie Schneider, die einst Werferin an der hiesigen Sportschule war, fing 2008 als Bobanschieberin am Luftschiffhafen an, ist seit 2015 Pilotin und trainierte bis zum Tod von Potsdams Athletik-Legende Heinz Rieger im vergangenen Sommer nach dessen Plänen.
Kevin Kuske und Christian Poser kämpfen um Vierer-Edelmetall
Die kurzfristige Umbesetzung in den Bobs „ist für uns alle Vier schwierig gewesen“, erklärte Lisa Buckwitz im ZDF. Emotional, aber auch aus rein sportlicher Sicht. Lediglich zwei Weltcups bestritten Jamanka/Buckwitz als Gespann und wuchsen nach eigenen Aussagen erst in Pyeongchang so richtig zusammen. „Wir kommen super miteinander klar. Es ist wichtig, dass man oben am Start steht und da eine Verbindung ist“, sagte Buckwitz. Wie sich herausstellte, ist es eine goldene Verbindung. Oder wie es Ministerpräsident Dietmar Woidke ausdrückte: „Die Formel 1 des Wintersports hat ein neues Top-Speed-Duo.“ Allerdings hat dieses keine allzu große Perspektive, denn künftig werden beide wohl vielmehr Konkurrentinnen. Lisa Buckwitz soll an die Lenkseile wechseln, noch dieses Jahr ist für sie der Beginn der Pilotenausbildung geplant.
Als Anschieberin hat sie nun bereits das Größte überhaupt erreicht: den Olympiasieg. Neben Buckwitz, Jamanka und Schneider sorgte noch eine weitere Teilnehmerin für Potsdamer Couleur beim Wettbewerb in Pyeongchang. Die fünftplatzierte US-Fahrerin Jamie Greubel Poser ist häufig Trainingsgast am Luftschiffhafen. Sie ist mit dem Potsdamer Christian Poser verheiratet, der zum diesjährigen Bob-Olympiaauftakt im Zweier-Schlitten von Nico Walther mit Rang vier knapp das Podium verpasst hatte. Eine weitere Chance auf Edelmetall hat Poser noch – am Wochenende beim Vierer-Rennen. Dann gehört er zur Crew von Johannes Lochner, während im Walther-Team eine Ikone der Zunft ihren Abschied gibt: Kevin Kuske, der Gigant vom SC Potsdam, beendet seine glorreiche Karriere und hofft auf den Gewinn seiner sechsten Olympiamedaille. Im besten Falle kommen also noch zwei weitere Pyeongchang-Plaketten für die märkische Landeshauptstadt hinzu, nachdem Lisa Buckwitz mit Mariama Jamanka bereits die Goldspur entlangraste.
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