Kommunalwahl 2019: „Drei Stimmen für die SPD sind drei Stimmen für Schubert“
Potsdams SPD-Chef David Kolesnyk spricht im PNN-Interview über das Programm seiner Partei – und warum die Genossen wechselnde Mehrheiten im Stadtparlament vermeiden wollen.
Herr Kolesnyk, kann die Potsdamer SPD gegen den desaströsen Bundes- und Landestrend die Kommunalwahl gewinnen?
Ja. Denn die Menschen in Potsdam, die vor einem halben Jahr Mike Schubert zum neuen Oberbürgermeister gewählt haben, wissen, dass sie nun die SPD wählen müssen, damit er seine Vorhaben auch umsetzen kann. Sonst geht es immer hin und her.
Wie meinen Sie das genau?
Mike Schubert braucht als Oberbürgermeister Mehrheiten in der Stadtverordnetenversammlung. Er braucht eine starke SPD-Fraktion an seiner Seite. Daher kandidieren für die SPD 42 Frauen und 42 Männer aus allen Stadtteilen, um gemeinsam mit den Potsdamerinnen und Potsdamern und Mike Schubert unsere Stadt zu gestalten. Bei der Kommunalwahl heißt es ganz einfach: Drei Stimmen für die SPD sind drei Stimmen für Mike Schubert.
Wie sehen Sie denn die erste Bilanz von Schubert?
Man sieht, dass er die Sachen anpackt, wo er der Meinung ist, dass etwas passieren muss. Er scheut nie das Gespräch mit den Bürgern. Das ist wichtig, gerade in einer wachsenden Stadt, die sich verändert. Wenn man nicht mit den Leuten spricht, können sie das auch nicht verstehen. Herr Schubert geht in diese Gespräche und sagt, was machbar ist und was nicht – um konstruktive Lösungen zu finden.
Unter der SPD im Stadtparlament sind die Mieten in Potsdam in den vergangenen Jahren stark gestiegen. Wie erklären sie das potentiellen Wählern?
Die Mieten sind deutschlandweit gestiegen – wir sind hier leider nicht auf der Insel der Glückseeligen. Aber wir haben hier in Potsdam rund 40 Prozent der Wohnungen in der Hand des kommunalen Unternehmens und der Genossenschaften. Dort liegt die Durchschnittsmiete bei knapp über 6 Euro kalt. Dieser Anteil soll so bleiben – das sieht man auch an der Potsdamer Mitte, wo bisher achtzig Prozent der Gebäude von Genossenschaften gebaut werden. Ein Problem ist allerdings, dass das durch die steigenden Baukosten nicht gerade günstig ist. Erst seit 2014 gibt es wieder eine Wohnraumförderung des Landes, für die wir uns als Sozialdemokraten lange eingesetzt haben. Doch diese Wohnungen werden erst jetzt langsam fertig.
Aber die soziale Segregation in Potsdam wächst. Reicht das alles?
Nein. Aber wir nehmen auch Investoren stärker in die Pflicht – diese kommen inzwischen schon selbst mit den Vorschlägen, dass sie 30 Prozent Sozialwohnungen bauen wollen. Dabei wurde lange gezweifelt, ob das überhaupt machbar ist.
Solche Sozialbindungen haben aber nur eine begrenzte Dauer ab 15 Jahren …
Darum ist es gut, dass Genossenschaften und Pro Potsdam in den kommenden Jahren 3500 neue Wohnungen bauen. Dort bleibt die Gemeinwohlorientierung auch nach Auslaufen von Mietpreisbindungen erhalten. Zur Sicherung der Durchmischung in den Quartieren wollen wir aber weiterhin städtebauliche Instrumente wie Erhaltungssatzungen mit sozialen Zielsetzungen nutzen.
Im Wahlprogramm schreibt die SPD, dass sie beim Verkauf kommunaler Flächen Konzeptvergaben bevorzugen wollen – im Stadtparlament haben Sie zuletzt beschlossen, dass Konzeptvergaben und Ausschreibungen zum Höchstgebot praktisch gleich behandelt werden sollen. Das ist ein Widerspruch.
Dort wurde erst einmal der Auftrag erteilt, zunächst genau zu definieren, was etwa eine Konzeptausschreibung ist. Wenn das vorliegt, können wir entscheiden, was wir vorrangig wollen. Einfach die Phrase Konzeptausschreibung in den Raum zu werfen bringt nichts. Eine Konzeptvergabe kann sich etwa auch auf die Farbe eines Hauses beziehen – und dann folgt der Verkauf zum Höchstgebot. Das bringt den Menschen aber nichts. Daher wollen wir klar definieren, was wir unter diesem Begriff verstehen. Wir wollen, dass es keine Verkäufe ohne Bedingungen gibt – wie es in der Potsdamer Mitte schon umgesetzt wird.
Die SPD ist nun schon seit 1990 an der Macht, das Wort SPD-Filz gab es mehr als einmal. Manche Sachen, wenn etwa aktuell ein Luftschiffhafenchef mit SPD-Parteibuch noch im Hintergrund bei der Entwicklung des Kirchsteigfelds beteiligt ist, stoßen den Leuten auf. Können Sie einen gewissen SPD-Verdruss in Potsdam verstehen?
Wer der Meinung ist, dass sich die Landeshauptstadt nicht gut entwickelt, der kann natürlich die SPD dafür verantwortlich machen. Doch alle Erhebungen zeigen, dass sich viele Potsdamer hier sehr wohl fühlen und es grundsätzlich gut finden, wie sich die Stadt entwickelt – und dafür trägt eben die SPD die Verantwortung. Zugleich sind wir in Potsdam aber auch die Partei mit den meisten Mitgliedern – und dass es darunter welche gibt, die ihr Geld in dieser Stadt investieren, ist eben so. Aber es wird dabei niemand anders behandelt – der Anteil verpflichtender Sozialwohnungen oder die Abschöpfung von Gewinnen für die kommunale Infrastruktur ist überall gleich. Da spielt das Parteibuch keine Rolle.
Und dann gibt es das große Thema Kita-Gebühren – erst wurden sie von der SPD-geführten Rathausspitze zum Nachteil der Potsdamer Eltern zu hoch berechnet. Und zurückgezahlt sind sie auch noch nicht. Ist das eine Belastung im Wahlkampf?
Die Eltern fragen zu Recht, wann nun die Rückzahlung kommt. Insofern ist es wichtig, dass die Stadtverordneten jetzt den Nachtragshaushalt beschließen und dann das Verfahren zügig beginnt – und dass dieser durch das schlechte brandenburgische Kita-Gesetz verursachte Moloch dann im Sinne der Bürger erledigt wird. Dann können wir für die Kinder in den Kitas wieder an die eigentliche Arbeit gehen – wie wir die Qualität dort verbessern, wie wir das Anmeldeverfahren deutlich vereinfachen oder den Ausbau der Plätze voranbringen können. Danken möchte ich dem Kita-Elternbeirat, dass dieser das Thema Beiträge so aktiv angesprochen hat – das hat wesentlich zur Lösung beigetragen.
Sie verteidigen nun naturgemäß ihre Politik. Doch Hand aufs Herz: Was war der größte Fehler?
Das war das Thema Kita-Beiträge: da haben sich alle zu sehr darauf verlassen, dass der Status quo seit mindestens 2003 richtig ist. Man hätte eine klare Kalkulation einfordern und durch das Bildungsministerium kontrollieren lassen müssen. Das war nicht der Fall, wie man deutlich gesehen hat.
War auch die lange Zusammenarbeit mit der CDU/ANW und den Grünen in der letztlich Ende 2016 geplatzten Rathauskooperation ein Fehler?
Für die Stadt und ihre Bürger ist es von Vorteil, wenn sich Mehrheiten finden, die auch noch ein Jahr später Bestand haben – statt, dass es ständig hin- und hergeht und es keine klaren Entscheidungen gibt. In der Kooperation hat man sich zu solchen Grundlinien verständigt, was auch über Jahre hinweg zur Stabilität beigetragen hat. Die Menschen wollen eben, dass ihre Stadt vernünftig regiert wird.
Welche Verdienste schreiben Sie denn Ihrer Arbeit zu?
Wichtig war für uns der soziale Zusammenhalt in der Stadt – was man auch an kleineren Sachen wie dem kostenlosen Frühstück an Schulen erkennen kann, oder daran, dass jede Schule einen Schulsozialarbeiter bekommt. Auch beim Wohnen haben wir ein Umdenken erreicht. Starke kommunale Unternehmen und Genossenschaften sind wichtig – und Wohnungen sind keine Spekulationsware, sondern für das Allgemeinwohl da. Auch das Gartenstadt-Projekt in Drewitz zählt zu unseren Erfolgen und zeigt, dass wir die Gesamtstadt im Blick haben. Wir haben einen leistungsfähigen öffentlichen Nahverkehr, der deutschlandweit auf Platz vier steht.
Wollen Sie denn nach der Wahl weiter mit der CDU zusammenarbeiten?
Es ist allen Beteiligten klar, dass erst einmal die Bürgerinnen und Bürger am 26. Mai das Wort haben – und sich danach zeigen wird, welche Mehrheiten möglich sind und wer miteinander arbeiten will. Wir als SPD werden dazu mit allen demokratischen Parteien sprechen. Unser Ziel ist eine möglichst große Mehrheit für unseren Oberbürgermeister und seine Vorhaben. Dazu benötigen wir als SPD eine möglichst große Stimmenbasis.
Aber sind denn solche Partnerschaften wirklich sinnvoll? Die Linke will zum Beispiel lieber wechselnde Mehrheiten.
Was das bedeutet, hat man nach dem Ausscheiden der Grünen aus der Rathauskooperation zum Beispiel beim umstrittenen Thema Verkehr gesehen. Da geht ja zum Beispiel bei den Linken und auch der CDU der Riss quer durch die Fraktionen, was eigentlich Sinn machen könnte und was nicht. Dadurch gab es auch wirre Abstimmungen in vielen Stadtverordnetenversammlungen, etwa zur Havelspange. Daher ist es wichtig, schon im Vorfeld bei solchen Themen ruhig miteinander abzustimmen, was nötig ist – etwa, dass man den öffentlichen Nahverkehr oder das Radwegenetz verbessern will, ohne den Autofahrer zu benachteiligen. Wenn man das nur an Einzelfragen festmacht, geht es völlig durcheinander und nichts passt zusammen.
Im Wahlkampf plakatieren Sie mit einem Bürgerticket für den öffentlichen Nahverkehr – für einen Euro pro Tag. Wird das eine Zwangsabgabe?
Nein. Unser Anliegen ist, dass das ein Ticket für die gesamte Region wird – so etwas gibt es schon für Studierende und Auszubildende und etwas teurer für Senioren. Wir arbeiten dafür auf der Landesebene, damit das ins SPD-Programm zur Landtagswahl kommt. Unser Verkehrsproblem hat viel mit den Pendlern aus dem Umland zu tun – eine Lösung dafür schaffen wir nur überregional. Ich denke, so ein Ticket wäre sehr attraktiv und würde zum Umsteigen auf den öffentlichen Nahverkehr motivieren, wie das zum Beispiel schon in der Stadt Wien praktiziert wird.
Zurück zur Ausrichtung ihrer Partei nach der Wahl: In den vergangenen Monaten war bei bestimmten Themen eine große Übereinstimmung zwischen Herrn Schubert und Herrn Scharfenberg zu beobachten. Ein Vorbote von Rot-Rot in Potsdam?
Daran zeigt sich vor allem die gute Arbeit von Mike Schubert und dass die SPD an den Themen der Menschen dran ist. Daher gibt es auch wenig Kritik von den Linken. Wir können aber wie gesagt nicht wissen, welche Mehrheiten nach der Wahl möglich sind.
Aber sie wollen, das halte ich fest, keine wechselnden Mehrheiten mehr?
Genau. Bei den wichtigen Themen dieser Stadt wie dem Verkehr kommen wir mit wechselnden Mehrheiten nicht voran.
Wer wird nach der Wahl Fraktionschef bei der SPD?
Das wird die neue Fraktion entscheiden. Das kann ich als Parteivorsitzender auch nicht vorgeben.
Wird es wieder Pete Heuer, der ja erkennbar gegen die Nominierung von Oberbürgermeister Schubert gearbeitet hat?
Das wird die neue Fraktion entscheiden. Und: Wir hatten ein demokratisches Nominierungsverfahren für die Oberbürgermeisterkandidatur – und danach haben alle an einem Strang gezogen.
Und was wollen Sie inhaltlich nach der Wahl als erstes angehen?
Wir wollen weiter dazu beitragen, dass sich die Stadt behutsam entwickelt. Im Bildungsbereich müssen wir den Ausbau von Kitas und Schulen voranbringen: Hier gibt es die problematische Situation mit den Baufirmen, dass sich auf manche Ausschreibungen niemand bewirbt. Hier müssen wir Lösungen suchen, wie wir unabhängiger werden können. Im Bereich Wohnen müssen wir überlegen, wie wir für das kommunale Unternehmen für genügend Flächen für neue Wohnungen sorgen können. Und beim Thema Verkehr geht es um den Ausbau der Angebote und eben Verbesserungen im Tarifsystem.
Auch anderswo gibt es Klärungsbedarf. So war die Fraktion zuletzt sehr für einen Bad-Neubau im Norden, gegen den Willen des SPD-Kämmerers. Wollen Sie das Bad nach der Wahl bauen lassen?
Das Wichtige ist erst einmal, dass man solche Ideen in den Planungen berücksichtigt. Damit wir am Ende des Tages auch Flächen haben, wo so ein Projekt möglich ist. Und: Ein Kiezbad für den Norden ist ein berechtigtes Anliegen. Da müssen wir dafür sorgen, dass es gebaut werden kann, wenn es finanziell möglich. Denn niemand kann sagen, wie die finanzielle Lage der Stadt in acht Jahren ist.
Aktuell gibt es Irritationen über den geplanten Umzug des Wissenschaftsministeriums nach Cottbus, dazu die Dauerkritik am Kita-Gesetz des Landes. Ist es anstrengend, eigentlich ständig auch Wahlkampf gegen Ihre eigene Landesregierung machen zu müssen?
Man muss sehen, dass wir in vielen Punkten auch dankbar sind. Zum Beispiel die Anhebung der Einkommensgrenzen für Sozialwohnungen war ein Anliegen, dass die Stadt an das Land herangetragen ist. Das Land steigt jetzt auch in die Finanzierung langer Kita-Betreuungszeiten ein, was es lange nicht wollte. Und wir sind zuversichtlich, dass es nach der Landtagswahl endlich ein neues Kita-Gesetz geben wird. Dabei haben allerdings auch nicht alle Landkreise die Position der Landeshauptstadt, was es nicht einfacher macht. Da müssen die Interessen miteinander abgewogen werden – das ist keine Auseinandersetzung Potsdams nur gegen die Landesregierung.
Und wie ist denn die Position der Potsdamer SPD zum umstrittenen Umzug des Wissenschaftsministeriums nach Cottbus?
Da hat Herr Schubert nun mit dem Ministerpräsidenten eine gemeinsame Linie für das Wahlprogramm erarbeitet, dass Behördenteile in die Fläche des Landes verlegt werden können. Das Ministerium selbst sollte aber seinen Sitz in Potsdam haben.
Sie loben ja jetzt auch regelmäßig den Oberbürgermeister: Aber im Kommunalwahlkampf tritt er nicht an. Warum?
Wir machen Wahlkampf für und mit unserem Oberbürgermeister, das wird sich auch noch bildlich zeigen. Es wäre aber nicht zu vermitteln, wenn er nun kurz nach der Wahl auch selbst antreten würde und sein Mandat dann nicht annehmen kann. Aber man kann sagen: Der Oberbürgermeister tritt am 26. Mai in ganz Potsdam an. Denn, wer die SPD wählt, unterstützt seinen Kurs.
Fürchten Sie eigentlich, dass Herr Schubert nach einer möglicherweise schlechten Landtagswahl für die SPD komplett in die Landespolitik wechseln könnte – als landesweiter Hoffnungsträger für die Sozialdemokratie?
Die SPD tritt bei der Landtagswahl für ein Brandenburg an. Sie steht für das ganze Land. Darum werden die Brandenburgerinnen und Brandenburger auch weiterhin der SPD ihr Vertrauen schenken.
Sie haben meine Frage jetzt aber nicht beantwortet.
Die SPD arbeitet für unser Land und will das fünf weitere Jahre tun. Wir zeigen dabei klar Haltung und haben keine blau-braunen Abgrenzungsprobleme wie die Landes-CDU. Von daher stellt sich Ihre Frage für uns nicht.
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