Debatte um Garnisonkirche: Angriff der „Barock-Fundamentalisten“
Bei der Fördergesellschaft zum Wiederaufbau der Garnisonkirche droht dem Vorstand die Abwahl. Ein langjähriges Mitglied fordert einen Neuanfang.
Potsdam - Die Fördergesellschaft für den Wiederaufbau der Garnisonkirche steht vor einer Zerreißprobe. Wenige Wochen vor einer Mitgliederversammlung am 30. April gibt es bereits Abwahlanträge gegen den jetzigen Vorstand. Die sich immer mehr verhärtenden Fronten verlaufen zwischen Befürwortern und Gegnern des umstrittenen Kompromisses, den Oberbürgermeister Mike Schubert (SPD) auch mit dem aktuellen Chef der Fördergesellschaft, Matthias Dombert, zum Umfeld der Kirche ausgehandelt hat.
Dabei zeichnet sich nun ab, dass die Fördergesellschaft von den Gegnern dieses Kompromisses übernommen wird. Der Verein dürfte dann wieder die Position eines originalgetreuen Wiederaufbaus der einstigen Militärkirche samt Kirchenschiff vertreten. Zugleich erhält die neue Vereinsspitze im Kuratorium der Wiederaufbaustiftung automatisch ein Stimmrecht. Der jetzigen Spitze um den renommierten Verwaltungsjuristen Dombert droht hingegen am 30. April die Abwahl. Ort des Showdowns ist das Oberlin-Berufsbildungswerk in der Steinstraße.
Harsche Kritik am Kompromiss zur Garnisonkirche
Schon jetzt kracht es. So liegt den PNN eine Rundmail des langjährigen Vereinsmitglieds und früheren Bundeswehroffiziers Dietrich Gerlach vor, die er im Namen von 98 Antragstellern „zur Abwahl des Vorsitzenden“ geschrieben hat: Das baldige Mitgliedertreffen sei „die Gelegenheit, uns gegen die drohende Verunstaltung der Garnisonkirche durch die bisher Verantwortlichen zur Wehr zu setzen“, so Gerlach. Mit dem Kompromiss, „der hinter unserem Rücken“ ausgehandelt worden sei, sei ein „neues Gebilde“ zu erwarten, „das den weitgehend fertigen Garnisonkirchenturm über ein modernes Mehrzweckgebäude mit dem Rechenzentrum verbindet“.
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Es handle sich dabei um eine „satzungswidrige Vereinbarung mit dem Oberbürgermeister“, kritisiert Gerlach: „Wir fühlen uns verraten und zutiefst verletzt.“ Das mache auch eine weitere Zusammenarbeit mit Dombert unmöglich. „Wenn wir unser Projekt – die Potsdamer Garnisonkirche – neu beleben und vollenden wollen, brauchen wir einen Neuanfang mit neuen Ideen.“ Dazu stünden geeignete Kandidaten bereit, heißt es weiter.
Ebenso liegt den PNN ein Antrag auf eine deutliche Erweiterung der Tagesordnung am 30. April vor – eigentlich waren an dem Tag gar keine Wahlen der Vorstandsspitze geplant. Diese werden nun aber eingefordert. Unterzeichnet haben diesen Antrag unter anderem Gerlach, ebenso zwei Aktivisten der für ein möglichst barockes Stadtbild streitenden Bürgerinitiative „Mitteschön“, Barbara Kuster und Ulrich Zimmermann, sowie der CDU-Stadtverordnete Wieland Niekisch.
Dombert äußert sich nicht zu Abwahlantrag
Ein weiterer Unterzeichner ist das Ehrenmitglied der Fördergesellschaft, Hans-Peter Rheinheimer. Dieser hatte bereits im Januar zusammen mit 50 anderen Vereinsmitgliedern Domberts Abberufung gefordert. Die damals schon geplante Mitgliederversammlung war aber coronabedingt abgesagt worden. Seither habe es zahlreiche Neueintritte in den Förderverein gegeben, auch aus dem Umfeld der Potsdamer CDU, bestätigten mehrere Mitglieder den PNN. Die CDU setzt sich auch für einen originalgetreuen Wiederaufbau der 1968 gesprengten Barockkirche ein.
Dombert selbst wollte sich zu dem Abwahlantrag nicht weiter äußern – offenbar, um die Lage nicht weiter eskalieren zu lassen. So gilt auch sein Rücktritt vor dem 30. April nicht als ausgeschlossen – ein Schritt, den vier andere Vorstandsmitglieder zuletzt angekündigt oder vollzogen haben. Dombert führt die Fördergesellschaft seit 2015. Ein Jahr später war nach Beschluss der Mitglieder das Ziel einer „historisch getreuen und vollständigen“ Errichtung einer Kopie der Gotteshauses aus der Vereinssatzung gestrichen worden. Erst damit wurde der Weg frei für millionenschwere Kredite der evangelischen Landeskirche, die ein originalgetreues Kirchenschiff ablehnt.
Spaltung des Fördervereins nicht ausgeschlossen
Vor einer fehlenden und daher unrealistischen Finanzierungsperspektive für einen originalgetreuen Wiederaufbau hatte Dombert nach PNN-Informationen mehrfach intern gewarnt – jüngst auch vor dem Hintergrund der Finanzkrise bei der Stiftung für den Wiederaufbau. Gehe der Förderverein nun zurück zur Position des originalen Kirchenschiffs, dann drohe, dass man in der Debatte zur Gestaltung des Turms nicht mehr ernst genommen werde, hieß es aus Domberts Umfeld. Dort war auch von einer drohenden „Übernahme durch Barock-Fundamentalisten“ die Rede.
Gleichwohl hätte der neu ausgerichtete Förderverein weiter einen Sitz im Kuratorium der Garnisonkirche. Dort wird zum Beispiel bald entschieden werden müssen, ob der Betrieb des Künstlerhauses Rechenzentrum neben der Turmbaustelle noch eine Verlängerung erhalten darf oder nicht. Zuletzt war bekannt geworden, dass nebenan das Ersatzquartier für das Künstlerhaus zu spät fertig wird.
Selbst eine Spaltung des 2004 gegründeten Fördervereins mit aktuell rund 900 Mitgliedern ist nun nicht mehr ausgeschlossen. Eine zweite Fördergesellschaft für den Kompromisskurs Schuberts stehe als Möglichkeit im Raum, hieß es von mehreren Vereinsmitgliedern. Eine ähnliche Spaltung hatte einst die jüdische Gemeinde erlebt: Im inzwischen gelösten Streit um die Gestaltung der neuen Potsdamer Synagoge, angefeuert auch von CDU- und Mitteschön-Vertretern, hatten sich vor einigen Jahren mehrere konkurrierende Initiativen für den Bau gegründet.