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Der neue Chef an der Seitenlinie. Ein Jahr lang sammelte Matthias Rudolph als Assistenzcoach erste Erfahrungen bei Turbine Potsdam. Nach dem Ende der Bernd-Schröder-Ära rückt er nun an die Spitze der Trainerriege.
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Turbine Potsdam: Die Ziele defensiv, das Spiel offensiv

Als neuer Cheftrainer von Turbine Potsdam gibt sich Matthias Rudolph zurückhaltend. Ganz konkrete oder gar hohe Maßgaben für eine Endplatzierung formuliert er nicht. Was Rudolph aber klar von seinem Team fordert: Leidenschaft und Vorwärtsdrang.

Vergangenes beschäftigt Matthias Rudolph nicht sonderlich. Nachfolger von Bernd Schröder als Cheftrainer des Frauenfußball-Bundesligisten Turbine Potsdam zu sein, versteht er als Ehre, ohne jedoch in Ehrfurcht zu erstarren und sich viele Gedanken über die große Bürde zu machen. Zugleich blickt Rudolph aber auch nicht in die ferne Zukunft. Vielmehr interessiert ihn nur das, was in der Gegenwart abläuft – sprich, die Trainingsarbeit – und das, was unmittelbar bevorsteht: der Saisonstart am kommenden Sonntag um 14 Uhr bei der TSG 1899 Hoffenheim. Dort sollen die Turbinen „vernünftig auftreten“, sagt Rudolph, das sei „die erste Aufgabe“.

Es ist die erste von 22 Bundesliga-Aufgaben. In diesen Etappen möchte der 33-Jährige fortan mit seinem Team denken, sie als viele kleine Teilziele nach und nach angehen sowie bewältigen, anstatt gleich einen konkreten ganz großen saisonumfassenden Anspruch zu formulieren und diesem hinterher zu hetzen. In den Vorjahren war das anders. Stets wurde ausgelobt, um die Champions-League-Qualifikation oder bestenfalls sogar den Gewinn des Meistertitels mitspielen zu wollen. Der Druck war dadurch von Beginn an immens. Matthias Rudolph geht es nun etwas defensiver an. Mehr als ein „Wir wollen besser abschneiden als vorige Saison“ wagt er vorab nicht zu verkünden.

Jeweils sechs Ab- und Zugänge hat Turbine zu verzeichnen

Dieser Ansatz impliziert eine gewisse Demut, die gerade eben mit dem zurückliegenden Jahr, aber auch den anderen zuvor absolvierten Spielzeiten zusammenhängen dürfte. Dem 1. FFC Turbine Potsdam, jenem Traditionsverein mit der ruhmreichen, von großen nationalen und internationalen Triumphen gespickten Historie, fiel es nämlich aufgrund immer größer werdender Konkurrenz zunehmend schwerer, über die selbst so hoch gelegte Latte zu springen. Nach der Meisterschaft 2012, dem sechsten und bislang letzten Bundesligatitel der Potsdamerinnen, ging es fortwährend bergab: 2013 Platz zwei, 2014 Platz drei, 2015 Platz vier – und schließlich 2016 Platz sieben, das schlechteste Abschneiden in der Klubgeschichte.

Jenes erlebte Matthias Rudolph als Co-Trainer neben dem inzwischen zum Turbine-Ehrenpräsidenten ernannten Bernd Schröder. Jetzt ist der frühere Außenverteidiger des SV Babelsberg 03 selbst der Chef an der Seitenlinie und hat in Abstimmung mit seinen beiden Assistenten – Dirk Heinrichs und Klub-Ikone Jennifer Zietz – den aktuellen Kader zusammengestellt. Einerseits wurde aufgeräumt: Von sechs Spielerinnen, denen keine Perspektive mehr in Potsdam attestiert werden konnte, trennte sich der Verein durch vorzeitige Vertragsauflösung. Andererseits stießen sechs neue Akteurinnen hinzu, die laut Trainerriege über großes Entwicklungspotenzial verfügen: die Schweizerin Eseosa Aigbogun (zuvor FC Basel), Anna Gasper (Bayer Leverkusen), Sarah Zadrazil aus Österreich (East Tennessee State University), die Slowenin Lara Prasnikar (ZNK Rudar Skale) sowie das erst 16 Jahre alte Nachwuchstalent Gina Chmielinski (eigene Jugend) und Laura Lindner (eigene zweite Mannschaft).

In der Vorbereitung nicht ganz von Verletzungen verschont

Letztgenannte Offensivfrau kam bereits vergangene Spielzeit neunmal in der ersten Liga zum Einsatz und empfahl sich dabei mit vier Toren für einen Verbleib in der Top-Garde. Dass Lindner damals aus der Reserveelf nach oben beordert worden war, lag an der gravierenden Verletzungsmisere, die Turbine 2015/16 bis ins Mark erschütterte und ein Faktor für den Misserfolg war. Allein vier Kreuzbandverletzungen, dazu ein Beinbruch, Rückenprobleme und andere Blessuren nahmen der Mannschaft immerzu Qualität.

Dementsprechend hatte Matthias Rudolph, der unlängst die A-Trainer-Lizenz erworben hat, schon beim Trainingsauftakt Ende Juni den Wunsch geäußert, dass seine Truppe dieses Jahr bitte verschont bleiben solle von einer derartigen Verletzungsflut. Das Gros der Vorbereitung verlief dann auch wie erhofft ohne schwere Komplikationen. Kurz vor Saisonbeginn hat es nun allerdings Lia Wälti erwischt. Die Kapitänin musste sich einer Meniskusoperation unterziehen. „Davon lassen wir uns nicht unterkriegen“, sagt der Coach, der viel Laufbereitschaft und Einsatz von seinen Schützlingen einfordert sowie einen ausgeprägten Drang Richtung gegnerisches Tor.

Zumindest nach außen wird kein riesiger Leistungsdruck aufgebaut

Auf dem Platz soll also offensiv zu Werke gegangen werden – im Gegensatz zur Formulierung von Saisonzielen. Die hierbei eingenommene Zurückhaltung könnte sich aber noch als durchaus clever erweisen. Denn: Zum ersten Mal seit etlichen Jahren wird den Turbinen – zumindest nach außen – kein riesiger Leistungsdruck auferlegt, der mitunter zu einer lähmenden Last werden kann. So darf das Team nun weitestgehend befreit in die Saison gehen. Womöglich ist es genau das, was es braucht, um die wahre Stärke dann auch tatsächlich demonstrieren zu können. mit dpa

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