Turbine Potsdam: Beginn einer neuen Zeitrechnung
Mit einem verändertem Trainerteam ist Frauenfußball-Bundesligist Turbine Potsdam ins erste Jahr nach dem Abgang von Bernd Schröder gestartet. Chefcoach ist nun Matthias Rudolph, im zur Seite stehen Dirk Heinrichs und Jennifer Zietz.
Es hatte etwas Feierliches, fast schon Zeremonielles, wie am Montagnachmittag der historische Moment im Sportpark Luftschiffhafen musikalisch untermalt wurde. Der Fanfarenzug Potsdam probte seine Darbietung, beschallte das Gelände mit Pauken und Trompeten, als beim Frauenfußballverein 1. FFC Turbine eine neue Zeitrechnung begann. Zum ersten Mal nach dem Abgang von Bernd Schröder, der zuvor 45 Jahre lang unermüdlich und voller Hingabe für den Klub gearbeitet hatte, standen die Potsdamer Kickerinnen nun wieder auf dem Rasen. Unter der Leitung eines veränderten Trainerteams, in dessen Reihen vorgestern ganz offiziell Matthias Rudolph das Zepter von Schröder als Chef übernommen hat.
Die erste Einheit war eine lockere. Die wenigen Zaungäste sahen ein bisschen Ballgewöhnung, Passübungen, zum Abschluss ein Spiel. Und danach berichtete Rudolph von seinem ersten Tag im Amt. „Die vergangenen Wochen war ich überhaupt nicht aufgeregt, aber als ich heute hierher gefahren bin, habe ich dann doch schon Nervosität gespürt“, gestand der 33-Jährige, der in die größten Fußstapfen des deutschen Frauenfußballs tritt. Schröder hatte Turbine aus einer Betriebssportgemeinschaft zunächst zu einer nationalen und dann zu einer internationalen Top-Adresse gemacht. „Von daher habe ich natürlich Respekt vor der Aufgabe, die sich mir jetzt hier stellt. Es wäre gelogen, wenn ich etwas anderes behaupten würde. Aber ich sehe es nicht als Druck, die Nachfolge von Bernd Schröder anzutreten, sondern als Ehre“, erzählte Rudolph in angenehm ruhiger und besonnener Art.
Rudolph ist Teilzeit-Bundesligacoach und Teilzeit-Lehrer
Der frühere Linksverteidiger und Publikumsliebling des SV Babelsberg 03 hatte in seiner Trainerlaufbahn Jugendmannschaften des SVB betreut, bis er im Sommer 2015 als Assistenzcoach zu Turbine wechselte. Schon damals war die Perspektive klar: Er wird künftig die sportliche Hauptverantwortung tragen. Ein Jahr hatte der gebürtige Belziger Zeit, an der Seite von Schröder in die Vereinsstrukturen und die Anforderung als Cheftrainer hineinzuwachsen. „Für mich war das sehr hilfreich. Und ich glaube, ohne dem hätte ich das auch nicht gemacht. So konnte ich erst einmal in den Frauenfußball hineinschnuppern und die Spielerinnen kennenlernen. Dadurch weiß ich jetzt, wie ich auf sie eingehen muss, damit die Dinge bei ihnen ankommen“, erklärte Rudolph, der Pädagoge.
Er ist studierter Lehrer für Sport und Geografie, unterrichtet am Potsdamer Humboldt-Gymnasium – und wird das auch weiterhin tun. Trotz seines Engagements beim sechsfachen Deutschen Meister. „Mit meiner Schule habe ich eng im Austausch gestanden und ich kann sagen: Wir haben das echt gut strukturiert und organisiert“, meint der Teilzeit-Bundesligacoach und Teilzeit-Lehrer: „Das wird für beide Seiten richtig gut laufen.“ Für die eine Seite – Turbine Potsdam – könne er das sagen, weil ihm wertvolle Unterstützung durch seine beiden Co-Trainer gewiss sei.
Zietz möchte "Bindeglied zwischen Trainerstab und Mannschaft" sein
Gemeint sind Dirk Heinrichs, inzwischen auch schon eine Art Urgestein auf der Turbine-Trainerbank, sowie Jennifer Zietz. Vor einer Saison hatte die frühere Kapitänin und Klubikone ihre aktive Karriere beendet, nach 17 Jahren im Potsdamer Dress. Und nun ist sie also wieder da. „Ich bin wirklich sehr gespannt, was auf mich zukommt“, sagte Zietz am Montag und ergänzte: „Als Spielerin habe ich ja bereits gerne Verantwortung übernommen – und das möchte ich auch in meiner neuen Funktion.“
Diese Funktion ist ihrer persönlichen Definition zufolge nicht nur eine klassische Assistenztrainertätigkeit, sondern auch eine Vermittlerrolle: „Die Arbeit auf dem Rasen ist das eine. Ich möchte aber zudem das Bindeglied zwischen dem Trainerstab und der Mannschaft sein.“ Rudolph hatte sich dafür Zietz gewünscht, weil sie mit ihrem großen Erfahrungsschatz eine Bereicherung für beide Parteien sei. Und zudem sei es ein Vorteil, bei einer Frauen-Mannschaft auch eine weibliche Note in der Führungsriege zu haben, was es bei Turbine bislang noch nicht gab. „Frauen sind – ohne es böse zu meinen – einfach feinfühliger als Männer. In gewissen Momenten braucht man das dann auch manchmal“, findet die 32 Jahre alte Jennifer Zietz, die „vor langer Zeit mal“ einen C-Trainerschein erworben habe und zunächst nicht plant, eine höhergradige und fußballspezifische Ausbildung nachzulegen: „Ich möchte erst einmal gucken, wie es so läuft.“
Einsatz, Laufbereitschaft, offensive Ausrichtung und Viererkette
Matthias Rudolph steht indes vor einer Weiterbildungsmaßnahme. Schließlich muss er für seine Arbeit in der Frauen-Bundesliga die notwendige A-Lizenz vorweisen können. „Im August mache ich den Lehrgang“, berichtete „Rudi“, der früher als Spieler mit leidenschaftlichem Fußball zu begeistern wusste. Und wie sieht seine Spielidee als Trainer aus? „Ähnlich. Ich möchte Einsatz sehen, viel Laufbereitschaft. Und natürlich werden wir offensiv agieren. Was anderes passt doch auch nicht zu Turbine – und erst recht nicht zum Karl-Liebknecht-Stadion.“ In der taktischen Formation stellt er derweil eine Veränderung in Aussicht. Nachdem unter der Regie von Schröder die Dreier-Abwehrreihe Gesetz war, „könnte es jetzt passieren, dass wir öfter mal mit einer Viererkette auflaufen“, sagte er, wobei sich ein Schmunzeln über sein hageres Gesicht zog.
Dasselbe geschah, als er kurz und knapp über die Ziele für die neue Saison sprach: „Besser im Vergleich zum Vorjahr sein.“ Da hatte Turbine Tabellenplatz sieben belegt – das schlechteste Resultat des Vereins in seiner Bundesligageschichte. Nun soll es wieder bergauf gehen. Mit Pauken und Trompeten.
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