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Die Historiker Christoph Martin Vogtherr (l-r), Stefanie Middendorf und Stephan Malinowski bei der Anhörung des Kulturausschussesin Berlin.  
© Jörg Carstensen/dpa

Hohenzollern-Streit: Vogtherr sieht keine Spielräume mehr

Sieben Experten haben sich heute im Kulturausschuss des Bundestages zu den Forderungen der Hohenzollern geäußert. Bei Anhörung spricht sich der Schlösserchef für eine Einigung beim Preußen-Erben aus.

Potsdam - Brandenburgs Kenia-Regierung will sich offenbar noch Zeit lassen, ehe sie ihre Linie im Umgang mit Forderungen des Hauses Hohenzollern auf Kunstschätze in Schlossmuseen und finanzielle Entschädigungen bestimmt. Während der rot-rot-grüne Berliner Senat sich jetzt auf eine Position festgelegt hat, mit der weitere Vergleichsverhandlungen befürwortet, aber an klare Bedingungen koppelt (PNN berichtete) werden, erklärte Brandenburgs Finanzministerin Finanzministerin Katrin Lange (SPD) nun: „Es sind aus meiner Sicht in dieser Frage eine ganze Reihe von Aspekten sehr sorgfältig gegeneinander abzuwägen. Und zwar ganz sachlich und mit kühlem Kopf.“ Die Meinungsbildung sei noch nicht abgeschlossen. „Ich gehe davon aus, dass über das weitere abgestimmte Vorgehen des Landes im Frühjahr entschieden sein wird.“ Lange betonte: „Ich bin beim Thema Hohenzollern im Interesse des Landes an tragfähigen Lösungen und nicht an großen Schlagzeilen interessiert.“

Dynastisches Museum lehnt Voghtherr ab

Der Konflikt beschäftigte am Mittwoch den Kulturausschuss des Bundestages, der dazu Experten anhörte, und zwar Historiker, Juristen, aber auch Christoph Martin Vogtherr als Generaldirektor der Preußischen Schlösserstiftung Berlin-Brandenburg. Die Stiftung ist von Forderungen von Georg Friedrich Prinz von Preußen in verschiedener Hinsicht besonders betroffen. Vogtherr sprach sich angesichts der komplizierten Rechtslage dafür aus, einen Vergleich zu suchen. Maßgeblich müsse dabei für beide Seiten sein, dass das öffentliche Interesse an diesem Erbe Preußens und der öffentliche Zugang zu den Exponaten und die Unabhängigkeit bei der historischen Darstellung gewahrt bleiben müsse, betonte Vogtherr. Er sprach sich klar gegen ein „dynastisches Hohenzollernmuseum“ aus. Er verwies darauf, dass die öffentliche Hand im Zuge der damaligen Gespräche einen Vorschlag mit einer Investor-Liste vorgelegt habe, die für die Museen verschmerzbar gewesen wäre. 

Der daraufhin eingereichte Gegenvorschlag des Hauses Hohenzollern sei überzogen gewesen. Diesen hatten PNN und „Spiegel“ damals öffentlich gemacht, unter anderem mit der Forderung des Hauses Hohenzollern nach einem unentgeltlichen Dauerwohnrecht im Potsdamer Schloss Cecilienhof. Erst seitdem das alles bekannt wurde, ist überhaupt eine öffentliche Debatte über diese öffentliche Angelegenheit möglich. Vogtherr allerdings sagte nun, dass „der Bruch der Vertraulichkeit“ die Verhandlungen „in eine Krise“ gebracht hätte. Aktuell gebe es da „Sillstand. “ Bei den Verhandlungen sei jedoch die „Grenze des öffentlich Vertretbaren erreicht“ worden, „weiteren Spielraum sehen wir nicht.“

Verhandlungen hinter den Kulissen

Bund, Berlin und Brandenburg hatten mit den Nachfahren der letzten Monarchie in Deutschland seit 2014 hinter den Kulissen über mögliche Rückgaben und Entschädigungen verhandelt. Brandenburg spielt dabei eine besondere Rolle. Die rot-rote Regierung mit dem damaligen Finanzminister Christian Görke (Linke) hatte eine Entschädigungszahlung von 1,2 Millionen Euro für in der sowjetischen Besatzungszone zwischen 1945 bis 1949 enteignete Hohenzollern- Immobilien abgelehnt. Und zwar mit der einzig juristisch möglichen Begründung, dass die Hohenzollern dem nationalsozialistischen System „erheblichen Vorschub geleistet“ haben. Gegen diesen Bescheid klagt Georg Friedrich von Preußen. Allerdings hatten beide Seiten das Verfahren einvernehmlich ruhen lassen, wegen der parallelen Vergleichsverhandlungen um Kunstschätze, ehe es Görke im Landtagswahlkampf wieder scharf stellen ließ. Eine Entscheidung, die Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) mittrug.

Historiker stützen Land

Brandenburg stützte sich dabei auf Gutachten von zwei renommierten Historiken, nämlich Peter Brandt, Sohn des früheren SPD-Bundeskanzlers Willy Brandt, und Stephan Malinowski. Beide bekräftigten ihre Bewertung im Kulturausschuss, dass der damalige Kronprinz Friedrich Wilhelm von Preußen massiv auf das Ende der Weimarer Republik hinwirkte, das  NS-Regime mit seiner Kollaboration mit Hitler und anderen ermöglichte. Malinowski und Stefanie Middendorf vom Potsdamer Zentrum für Zeithistorische Forschung (ZZF) wiesen darauf hin, zählten als Beleg zig Namen auf, dass eine Vorschubleistung der Hohenzollern für das NS-Regime unter Historikern herrschende Meinung sein. Und zwar trotz der beiden Gegengutachten im Auftrag der Hohenzollern, eins von Christopher Clark, eins von Wolfram Pyta, die die Rolle des damaligen Kronprinzen in der NS-Zeit anders bewerten. Auch im Ausschuss gab es solche Stimmen. Nach Einschätzung des Historikers Benjamin Hasselhorn von der Julius-Maximilians-Universität Würzburg sind „alle Haltungen wissenschaftlich begründbar“. Es fehle noch an Forschung, nicht alle einschlägigen Quellen seien ausgeschöpft, sagte Hasselhorn im Ausschuss. Die historische Lage sei kompliziert, weswegen alle Fragen „mit guten Gründen“ unterschiedlich beantwortbar seien. (mit dpa)

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