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Update

Streit um Kennzeichenspeicherung: Hat Innenminister Schröter ein unliebsames Gutachten unterdrückt?

Wurde im Innenministerium ein Gutachten zur umstrittenen Kennzeichenspeicherung so lange umgeschrieben, bis es dem Polizeipräsidium genehm war? Das Haus von Karl-Heinz Schröter (SPD) weist die im Netz verbreiteten Vorwürfe entschieden zurück.

Potsdam - Hat Innenminister Karl-Heinz Schröter (SPD) im Streit um die automatische Kennzeichenerfassung (Kesy) auf Brandenburgs Autobahnen im Innenausschuss nicht die Wahrheit gesagt und gar ein unliebsames Dokument unter den Tisch fallen lassen? Diesen Verdacht legt die Plattform netzpolitik.org nahe, die weitere Dokumente in dem Streit ins Internet gestellt und damit öffentlich zugänglich gemacht hat. Die Plattform bezieht sich unter anderem auf ein ausführliches Gutachten von Ministeriumsmitarbeitern vom 5. Juni 2019, in dem die Rechtmäßigkeit der Kennzeichenerfassung im großen Stil in Frage gestellt wird. Wie die PNN berichteten gab es zu diesem Zeitpunkt auch einen Vermerk des inzwischen versetzten Abteilungsleiter Polizei im Ministerium, der zu dem Schluss kam: "Im Ergebnis der rechtlichen Bewertung bestehen weiterhin ernsthafte Zweifel daran, dass die derzeitige Anwendungspraxis bezüglich des Aufzeichnungsmodus unter Beachtung der gesetzlichen Vorlagen erfolgt."

Einen Tag später erklärte Innenminister Schröter im Innenausschuss des Landtags, dass es noch keine abschließende Bewertung des Vorgangs gebe. Auch die Beantwortung einer Anfrage der PNN zu dem Thema war wie berichtet lange hinausgezögert worden. 

Innenministerium: Kesy ist und bleibt strittig 

Die bei netzpolitik.org eingestellten Dokumente seien nach erstem Durchlesen authentisch, so der Sprecher des Innenministeriums Ingo Decker. Die auf der Plattform erhobenen Vorwürfe weist er auf PNN-Anfrage vehement zurück. "Kesy ist umstritten und bleibt umstritten", sagt er. Das Ministerium habe von Anfang an deutlich gemacht, dass es unterschiedliche Auffassungen zwischen bestimmten Mitarbeitern des Ministeriums und des Polizeipräsidiums gebe. Dies spiegelten die eingestellten Dokumente wider. "Am Ende muss man dann als verantwortliches Ressort Position beziehen", so Decker. Nichts anderes habe man getan.

Der Minister habe im Innenausschuss auch nicht die Unwahrheit gesagt als er erklärte, der Abschlussbericht liege noch nicht vor. Dieser sei zu dem Zeitpunkt noch in Arbeit gewesen, das im Netz veröffentlichte Gutachten sei nur ein Zwischenschritt gewesen, der die Auffassung einzelner Mitarbeiter wiedergebe. Der Abschlussbericht, der Ende Juli vorgelegt wurde, war wie berichtet deutlich milder ausgefallen als das Zwischenfazit. Das Kesy-System wurde verteidigt, nur einzelne Bedenken eingeräumt. Die Kennzeichenerfassung- und speicherung führe "regelmäßig zu Fahndungs- und Ermittlungserfolgen bei Straftaten von erheblicher Bedeutung, welche  auf andere Art und Weise nur schwer zu erzielen wären", heißt es darin. Die Piratenpartei will juristisch gegen die Massenspeicherung von Autokennzeichen vorgehen. 

Grüne bleiben skeptisch 

Die innenpolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion und Spitzenkandidatin für die Landtagswahl, Ursula Nonnemacher, bewertet die nun veröffentlichten Dokumente anders. Der Bericht von netzpolitik.org bestärke sie in ihrem Zweifel daran, dass die Kennzeichenerfassung in Brandenburg legal ist. Nonnemacher verweist auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, das die Kennzeichenerfassung als Eingriff in die informationelle Selbstbestimmung ansehe. Das Gericht habe in einem Urteil zum Bayerischen Polizeigesetz klargestellt, dass die Bürger sich frei fortbewegen können müssen, ohne dem Staat Rechenschaft abzulegen. Auch im Rahmen der Strafverfolgung müsse bei staatlichem Handeln immer die Verhältnismäßigkeit gewahrt werden, sagte Nonnemacher.

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