So zerrissen sind die Ost-Verbände: Wo die CDU offen nach links ist und wo sie mit der AfD paktieren will
Ist das Nein zu jeglicher Zusammenarbeit mit AfD und Linken aufrechtzuerhalten? Ein Überblick zur Position der CDU in den Ost-Bundesländern.
Als Annegret Kramp-Karrenbauer am Montag ihren Rückzug von der CDU-Spitze samt Verzicht auf die Kanzlerkandidatur ankündigt, sagt sie, es gebe „ein ungeklärtes Verhältnis von Teilen der CDU mit AfD und Linken“. Sie selbst sei strikt gegen eine Zusammenarbeit mit den beiden Parteien, ließ sie wissen.
Der frühere CDU-Chef in Brandenburg, Ingo Senftleben, hatte schon vor den drei ostdeutschen Landtagswahlen voriges Jahr ein Überdenken des kategorischen Neins gefordert – und war abgeblitzt.
Seit Monaten kämpft die Thüringer CDU um ihren Chef Mike Mohring mit dieser Vorgabe. Im Erfurter Landtag lässt sich damit keine stabile Mehrheit organisieren – Linke und AfD haben zusammen gut 50 Prozent.
Während Schleswig-Holsteins Regierungschef Daniel Günther meint, die Linke von Ex-Ministerpräsident Bodo Ramelow sei nicht so schlimm wie die AfD von Rechtsaußen Björn Höcke und für Thüringen im Notfall eine Tolerierung von Ramelows Minderheitsregierung vorschlug, machen CDU-Vertreter im Osten mit Versuchen auf sich aufmerksam, eine Annäherung Richtung AfD anzustreben.
Ist die Abgrenzungsstrategie zu halten?
THÜRINGEN: Die CDU ist schon zerrissen. Nach der Schlappe bei der Landtagswahl vor drei Monaten, bei der sie erstmals seit 1990 nicht als stärkste Kraft einlief, gibt es Fliehkräfte in beide Richtungen. Am deutlichsten in Richtung AfD äußerte sich der Erfurter Fraktionsvize Michael Heym: Er forderte direkt nach der Wahl, auch eine Koalition mit Höckes AfD nicht auszuschließen. „Man tut der Demokratie keinen Gefallen, wenn man ein Viertel der Wählerschaft verprellt“, so sein Argument – und sein Werben für ein Bündnis aus CDU, AfD und FDP. Neben heftigem Gegenwind bekam er auch Unterstützung von 17 CDU-Funktionären, die aber gleichzeitig auch ein Zugehen auf die Linkspartei verlangten.
Zum Lager der CDU-Mitglieder, die die Mauer zur Linkspartei abbauen wollen, gehören vor allem langjährige Kommunalpolitiker. Bekanntester Vertreter ist der Landrat des katholisch geprägten Eichsfelds, Werner Henning. Der Landrat, der eine der letzten wirklichen CDU-Hochburgen in Thüringen repräsentiert, warnte seine Partei direkt nach der Landtagswahl vor einer Zerreißprobe. „Jetzt muss sich die CDU bewegen. Es geht um die Regierbarkeit Thüringens“, so Henning.
SACHSEN-ANHALT: Hier müht sich die CDU, die Ausschläge nach rechts einzufangen. Ausgerechnet die beiden Fraktionsvize im Magdeburger Landtag, Lars-Jörn Zimmer und Ulrich Thomas, fochten monatelang für ihre Haltung, eine Zusammenarbeit mit der AfD nicht prinzipiell auszuschließen. Damit sind sie nicht allein, aber auch sehr weit entfernt von einer Mehrheitsposition. Genau wie in Thüringen dominiert in Sachsen-Anhalts AfD der völkische Partei-Flügel.
Zimmer und Thomas brachten eine Minderheitsregierung ins Spiel und veröffentlichten ein Papier, laut dem es gelingen müsse, das „Soziale wieder mit dem Nationalen zu versöhnen“. Die Parteispitze musste in Dauerschleife wiederholen, dass eine Zusammenarbeit mit Rechtsaußen nicht infrage kommt. Ein Sonderparteitag sollte die Landespartei erst vor zwei Monaten hinter dem Beschluss versammeln: Keine Koalition mit Linken und AfD. Als Zimmer jetzt einen neuen Vorstoß nach rechts wagte, distanzierten sich mehrere Parteikollegen deutlich.
CDU-Chef Holger Stahlknecht pocht darauf, den Abstand zu Linken wie zur AfD einzuhalten. Die Gesamtausrichtung der AfD wie auch der Linkspartei entspreche weder der DNA der CDU noch der Meinung vieler Bürger aus der Mitte der Gesellschaft, sagte Stahlknecht. Ob der schwelende Konflikt dauerhaft erstickt werden kann, ist offen.
SACHSEN: Dass Ministerpräsident Michael Kretschmer mit seiner CDU im vorigen Herbst die sächsische Landtagswahl auch wegen seinem glaubhaften Nein in Richtung AfD gewonnen hat – davon sind sehr viele überzeugt. Er betonte zuletzt erneut, dass es keine Zusammenarbeit geben kann – weder mit der AfD noch der Linken.
Der Unvereinbarkeitsbeschluss seiner Partei sei richtig, bekräftigte Generalsekretär Alexander Dierks. Die Linke habe im Landtagswahlkampf offensiv mit der Einführung des Sozialismus gewoben. Die AfD wiederum habe nicht nur kein Problem mit Rechtsradikalen und Rechtsextremen in ihren Reihen, sondern versuche diese Strömungen auch noch zu instrumentalisieren. Obwohl die Sachsen-CDU dem Kurs ihres Parteichefs Kretschmer willig folgt, gibt es auch hier vereinzelt Querschüsse aus der sogenannten Werteunion – nach rechts.
BRANDENBURG: Als Spitzenkandidat hatte Ingo Senftleben eine mögliche Zusammenarbeit mit der Linkspartei in Brandenburg nicht ausgeschlossen – und dafür parteiintern Kritik eingefahren. Bei der Landtagswahl im Herbst hatte die CDU von jedoch kräftig verloren und nur noch 15,6 Prozent geholt. Senftleben verlor seinen Posten, die CDU wechselte von der Oppositionsbank in eine Regierung mit der SPD von Ministerpräsident Dietmar Woidke und Grünen. Senftlebens Werben um einen pragmatischeren Umgang mit der Linken wurde von seinen Nachfolgern nicht weiter verfolgt. Die Brandenburger CDU sei sich einig, dass die Abgrenzung von AfD und Linkspartei nach wie vor ihre Gültigkeit hätten, betonte Fraktionschef Jan Redmann.
In die andere Richtung ist die Haltung laut Parteichef Michael Stübgen noch klarer. Er kenne kein CDU-Mitglied im Land, das wirklich eine Zusammenarbeit mit der AfD bevorzuge, sagte Stübgen vor wenigen Tagen. Die AfD-Fraktion im Brandenburger Landtag wird von Andreas Kalbitz geführt, der als enger Vertrauter von Höcke gilt und ebenfalls dem rechten Flügel zugeordnet wird.
BERLIN: Zuletzt demonstrierten Parteichef Kai Wegner und Fraktionschef Burkard Dregger Einigkeit: Die CDU müsse sich stärker und klarer als Partei der Mitte präsentieren. Weder AfD noch Linkspartei könnten Partner für die CDU sein. Offen wird dieses Credo bei den Berliner Christdemokraten nicht infrage gestellt. Allerdings dümpelt die Partei in Umfragen derzeit bei 17 oder 18 Prozent herum - und hat keine realistische Machtoption. Mit Blick auf Thüringen differenzierte Parteichef Wegner hingegen doch ein wenig: AfD und Linke könne man nicht gleichsetzen, sagte er dem Tagesspiegel. Der Thüringer AfD-Chef Höcke sei „brandgefährlich und viel gefährlicher“ als der Linken-Spitzenpolitiker Ramelow.
MECKLENBURG-VORPOMMERN: Die Nordost-CDU hat bislang fast stoisch den von Angela Merkel eingeschlagenen Mitte-Kurs gehalten und sich nach links und rechts klar abgegrenzt. Zwar gab es auch im Heimat-Verband der Kanzlerin Kritik an deren Flüchtlingspolitik. Doch wurden die Vertreter der erzkonservativen Werteunion in die Landesparteispitze eingebunden und entfalten seither kaum Wirkung nach außen. Das könnte sich nun ändern. Nach der Rücktrittsankündigung des als gemäßigt geltenden Landesparteichefs Vincent Kokert strebt CDU-Jungstar Philipp Amthor in das Spitzenamt.
Der 27-Jährige, seit 2017 im Bundestag und als redseliger Gesprächspartner gefragter Gast in Talkshows, gilt als streng konservativ. Dabei hat er - unter anderem in einer viel beachten Bundestagsdebatte - stets kritische Distanz zur AfD gewahrt. Gleiches trifft auf die CDU im Landtag zu, wo die Union bei der Wahl 2016 ihre Position als zweitstärkste Kraft an die AfD abtreten musste.
Die innerparteiliche Streit um die Ausrichtung der Partei wird die CDU weiter beschäftigen. Die Rückzugsankündigung Kramp-Karrenbauers hat die Debatte aufs Neue befördert.
Im Osten steckt hinter den Überlegungen ein strategisches Dilemma, das sich in Zukunft noch verschärfen könnte: Die Mehrheitsverhältnisse könnten nicht nur in Thüringen schwieriger werden, starke Ergebnisse von Linkspartei und AfD könnten eine Totalverweigerung von CDU-Seite in deren Richtung perspektivisch sehr schwierig machen. (dpa/mis)
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